Alkoholkrankheit: Genetik oder der freie Wille?

Genetik als wesentlicher Faktor

Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger vom Institut für medizinische Genetik in Wien erklärte dem interessierten Publikum, welche Rolle die Genetik in der Suchtforschung spielt und welchen Einfluss unsere Gene auf die Entwicklung der Alkoholkrankheit haben. „Wenn zwei Menschen Alkohol in einem gesundheitsgefährdenden Ausmaß trinken, ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer der beiden eine Abhängigkeit entwickelt, der andere hingegen nicht, zu 50–70% von seinen Genen abhängig“, so Hengstschläger.

Reduktion statt Abstinenz

Univ.- Prof. Dr. Michael Musalek vom Anton-Proksch-Institut Wien stellte die neuesten Daten zur Alkoholkrankheit in Österreich vor und betonte, dass es aufgrund der 340.000 Betroffenen notwendig sei, sich dem Problem zu stellen und individuelle, patientenorientierte Therapiekonzepte zu realisieren. Zentral seien dabei der Erhalt der Individualität der Patienten und die Verbesserung der Lebensattraktivität der Betroffenen. Musalek erklärte weiter, dass Abstinenz nicht für alle Betroffenen das vorherrschende Therapieziel sei, sondern ein kompetenter Gebrauch und eine Reduktion des Alkoholkonsums im Frühstadium der Alkoholkrankheit Ziel der Therapie sein können.

Systementlastung durch längere Arbeitsfähigkeit

Die Auswirkungen der Alkoholkrankheit auf die Arbeitswelt diskutierte Hon.-Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, MBA von der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich. Besonders die hohe Anzahl an Betroffenen in der Altersgruppe der 40- bis 54-Jährigen sei ein Problem in der Arbeitswelt. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, in der Diskussion vertreten durch MMag. Martin H. Staudinger, versuche dieses Problem mit dem Programm „fit2work“ in den Griff zu bekommen. Ziel sei es, die Arbeitsfähigkeit der Bevölkerung zu erhalten, zu verbessern und im Idealfall noch zu steigern.

Adäquate Behandlung für Betroffene

Die 340.000 alkoholkranken Österreicher, die Zunahme des Problemkonsums speziell bei Jugendlichen und bei Frauen und die Prognosen für die Zukunft zeigen deutlich, dass Handlungsbedarf gegeben ist und den Problemgruppen spezielle Hilfestellungen angeboten werden müssen. Abstinenz ist nicht mehr das zwingende Ziel der Therapie, sondern der verantwortungsvolle Umgang mit Alkohol. Denn es gibt kein Suchtmittel, das größere körperliche Schäden hervorruft als der Alkohol.

 

Quelle: Podiumsdiskussion „Alkoholabhängigkeit ist keine Willensschwäche. Genetische Ursachen und wirtschaftliche Auswirkungen einer Suchterkrankung“ am Rande der Gesundheitsgespräche des Europäischen Forum Alpbach 2012

 

V.l.n.r.: Hon.-Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, MBA; Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek; Univ.-Prof. Mag. Dr. Markus Hengstschläger; Mag. Hanns Kratzer; MMag. Martin H. Staudinger
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