Compliance-Steigerung durch Optimierung des Therapiegesprächs (inkl. Video-Interview mit Univ.-Prof. Dr. Christian Simhandl)

Als Ausgangspunkt nahm Simhandl eine Marktforschungsstudie vom vergangenen Jahr bei Patientengruppen im mittel-/osteuropäischen Raum. Konkret ging es um 900 Asthmapatienten und die Aufzeichnung von Krankheitswahrnehmung sowie Kontrollniveau. Die Ergebnisse zeigten, dass die Krankheit eine weitreichende Auswirkung auf das Leben der Patienten hat, vor allem bei Patienten mit unkontrolliertem Asthma. 75 % der Befragten gaben an, dass Asthma mindestens einmal im Monat ihre Leistung in der Arbeit oder in der Schule beeinträchtige. Umso erstaunlicher ist es, dass durchschnittlich 81,1 % ihr Asthma nicht regelmäßig beurteilen lassen. Die Studie zeigt, dass Patienten den Begriff Kontrolle anders auffassen und verwenden als Fachkräfte im Gesundheitswesen. Außerdem überschätzen sie in starkem Maße die Wahrnehmung ihrer Asthma-Symptomkontrolle: 68,2 % empfanden, dass sie gut kontrolliert wären. Laut GINA1-Kriterien waren aber nur 30,5 % dieser Patienten vollständig kontrolliert.

Kontrolle als Therapievorgabe

Asthmapatienten müssen oft Anpassungen in ihrem Alltag vornehmen. Außerdem beeinflusst ihre Krankheit wesentlich ihre Entscheidungen bezüglich gesellschaftlicher Unternehmungen, Schlafmöglichkeiten und Sportarten. 16 %der unkontrollierten Patienten schätzten ihre Erkrankung als gravierend ein. „Das heißt, die Patienten leiden sehr wohl, doch tun aktiv nichts dagegen“, so Simhandl. Wie kann also die Compliance von Patienten bewertet werden? Simhandl stellte dazu eine Publikation2 vor – ganz stark rückt hier die „ärztliche Beurteilung“ in den Vordergrund. Am effektivsten ist das einfache „Nachfragen“. Wenn Sie nicht nachfragen, ob der Patient die Medikamente einnimmt, dann erfahren Sie es nicht. Auch können Faktoren wie Einhaltung der Termine, Patienteneinschätzung, Angehörigenbeteiligung, Verschreibungsdateien und Medikationsdateien aus der Apotheke helfen, die Einnahmetreue des Patienten zu bewerten.

Einflüsse auf die Therapietreue

Ältere Personen können manchmal im Rahmen ihrer kognitiven Schwierigkeiten von einer komplexen Erklärung völlig überfordert werden. In diesem Fall können zur Erläuterung Bleistift und Papier hilfreich sein. Alleinstehende Personen haben eher eine geringere Therapietreue, hier sollte nach Ansprechpersonen gefragt werden. Auch das Arzt-Patienten-Verhältnis hat Einfluss auf die Therapietreue. Hier zählt vor allem der Zeit- und Geduldsfaktor. Der Arzt kann dem Patienten mit individuellen Fragen helfen, sich gut aufgehoben zu fühlen. Leider bleibt oft nicht genug Zeit für ein konkretes Gespräch. Aber alleine das Nachfragen, nach dem Befinden und dem Zurechtkommen mit der Therapie, geben dem Patienten ein gutes Gefühl. Selbstverständlich tragen auch die Schwere der Symptome, die Chronizität und andere Erkrankungen wie vor allem Suchterkrankungen zur Verminderung der Therapietreue bei.
Großen Einfluss auf die Therapietreue hat die Therapie selbst. Die Komplexität der Therapie zum Beispiel kann einen Patienten dazu bewegen, das Medikament gar nicht zu nehmen. „Es ist nicht sinnvoll, ein Medikament zu empfehlen, welches 3–6-mal am Tag zu bestimmten Zeiten genommen werden muss. Viel besser für die Compliance ist es, wenn möglich Medikamente zu verabreichen, die nur einmal täglich genommen werden müssen“, erklärt Simhandl. Auch eine häufige Anpassung des Therapieschemas kann schlecht sein, dies lässt sich leider oft nicht vermeiden. Hier sollte dem Patienten genau erklärt werden, warum das gemacht wird. Befürchtete Nebenwirkungen und das Vorlegen des Beipackzettels sind eine gute Basis, um die Ängste und die Verunsicherung, aber vor allem Zweifel an der Therapie zu besprechen. Eine gute Aufklärung und die Erklärung der rechtlichen Komponente nimmt dem Betroffenen die Angst und schafft gleichzeitig Vertrauen. Dies muss immer wieder wiederholt werden.
Zusätzlich gibt es natürlich auch persönliche Faktoren wie etwa das Alter oder Vorwissen über Erkrankungen. „Fragen Sie nach der Erwartung und der Meinung des Patienten über seine Erkrankung, erklären Sie, was zutreffend ist und was nicht. Fragen Sie nach seinem Vorwissen oder ob er irgendwelche Bedenken hat. Der Patient nimmt ihre Ausführungen ganz anders auf, als Sie denken!“, erläutert Simhandl, und: „Eine gute Therapie kann nämlich nur im Einverständnis mit dem Patienten erfolgen!“

 

Quellen:

1 GINA = Global Initiative for Asthma, Global Strategy for Asthma Management and Prevention, 2015

2 Laufs U et al., Strategien zur Verbesserung der Einnahmetreue von Medikamenten. DMW; 201:136

 

 

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