Die kranken Migranten

Migranten: zu wenig Gesundheitsvorsorge

Eines der ausschlaggebenden Handlungsfelder des Staatssekretariates für Integration ist der Bereich Gesundheit. Zahlen zeigen, dass gerade bei der Gruppe der Migranten beim Thema Gesundheitsvorsorge erhebliches Aufholpotenzial besteht:
„Speziell Bürger mit türkischem oder exjugoslawischem Migrationshintergrund nehmen Angebote im Bereich der Gesundheitsvorsorge viel zu wenig oder auch gar nicht in Anspruch“, informiert Sebastian Kurz, Staatsekretär für Integration.
Bei Frauen mit Migrationshintergrund zeigt sich, dass sie gynäkologische Untersuchungen zu selten durchführen lassen. Während sich 76% der Österreicherinnen (ab dem 40. Lebensjahr) in den letzten Jahren einer Mammographieuntersuchung unterzogen haben, waren es bei der Gruppe der Migrantinnen nur 55%. Während 73% der Bürger ohne Migrationshintergrund über einen aufrechten Impfschutz verfügen, sind dies bei Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei nur 40%.
Durch die mangelnde Vorsorge entstehen dem Gesundheits- und Sozialversicherungssystem erhebliche Folgekosten. Jeder Euro, der in die Gesundheitsvorsorge investiert wird, kann Folgekosten von bis zu 16 Euro verhindern: Kostspielige kurative Behandlungen können durch eine flächendeckende und frühzeitige Prävention erspart werden.

Kooperation zwischen Staatssekretariat und Hauptverband

Gemeinsames Ziel ist es, die gesundheitliche Versorgung von Migranten zu verbessern. Zu diesem Zweck wird das Thema Integration zukünftig als fixer Bestandteil im Zielsteuerungssystem des Hauptverbandes, der so genannten Balanced Scorecard (BSC), etabliert. Auch die Konsolidierung der Kassen läuft beispielsweise über diese Card.

Gesundheitsförderung und Prävention sind entscheidend

Ein wesentliches Ziel der Reform des Gesundheitswesens ist es, einen Paradigmenwechsel herbeizuführen – die Sozialversicherung will in Zukunft der Erhaltung der Gesundheit durch Gesundheitsförderung und Prävention den gleichen Stellenwert einräumen wie der Krankenbehandlung. Gesundheit soll daher in alle Felder der Politik Eingang finden – von der Bildungs- bis zur Wirtschaftspolitik und natürlich auch in die Integrationspolitik. Prävention und Gesundheitsförderung setzen Information, Motivation und Ausbildung voraus – und in diesen Bereichen gilt es noch viel nachzuholen.
Migranten sollen wichtige Gesundheitsvorsorgeprogramme wie die kostenlose Vorsorgeuntersuchung, die Brustkrebsfrüherkennung oder Tabakentwöhnungsprogramme stärker in Anspruch nehmen. Gemeinsam mit dem Hauptverband wird dazu bis zum Frühjahr 2013 ein konkreter Maßnahmenkatalog erarbeitet und in weiterer Folge umgesetzt.

„Health literacy“

Auf Grund mangelnder Kenntnisse der deutschen Sprache und eines fehlenden Verständnisses für die Struktur des österreichischen Gesundheitssystems sind vielen Migranten die Behandlungs- und Präventionsmöglichkeiten nicht ausreichend bekannt. Ein weiteres Problem ist, dass es beispielsweise in der Türkei das niedergelassene System in unserer Form nicht gibt und die türkischstämmige Bevölkerung daher eher in Krankenhäuser als in Ordinationen geht. Schelling betont, dass dies aber auch teilweise ein Problem der Österreicher ohne Migrationshintergrund ist. Vorsorgeanalysen zeigen, dass besonders Menschen mit niedriger Schulbildung die Präventionsangebote wegen mangelndem Verständnis nicht nutzen.
Durch eigens zugeschnittene, niederschwellige Informationsmaßnahmen sollen diese besser informiert werden. Die Rolle des Hausarztes als primärer Ansprechpartner für medizinische Fragen und als Vertrauensperson soll gestärkt werden. Dadurch werden effektivere, zielgerichtete Behandlungen ermöglicht und zeitgleich die Krankenhäuser entlastet. Hier werden „Gesundheitslotsen“ benötigt, die nicht nur die jeweilige Sprache der Migranten beherrschen, sondern auch mit anderen Zugängen, Haltungen und Mentalitäten in Gesundheitsfragen umgehen können. „Bei diesem Projekt, bei dem Menschen mit Migrationshintergrund Schulungen und Materialen bekommen, sollen Personen aus der Community ihre Mitmenschen über die Angebote informieren und aufklären“, so Kurz.
Um die Zusammenarbeit für eine bessere medizinische Versorgung von Migranten zu erleichtern, wird auf Webseiten des Hauptverbandes ein „Diversity Manager“ als Ansprechpartner installiert. „Wir setzen hierbei auf direkte Kommunikation, z.B. in Kindergärten, Schulen und Vereinen“, so Schelling. Ziel ist es, die Informationsprozesse zu stärken und Arbeitsvorgänge zwischen den Kooperationspartnern besser aufeinander abzustimmen.