Ein düsteres Stimmungsbild

„Die Politik behauptet, wir hätten das beste Gesundheitssystem der Welt, aber es hakt an allen Ecken und Enden. Schauen wir uns nur die Allgemeinmediziner an, die zu Sozialtarifen arbeiten, obwohl eine überproportionale Erhöhung der Honorare stattgefunden hat: für einen Patienten bekommt man 45 Euro brutto im Quartal, und viele Patienten kommen im Schnitt dreimal pro Quartal – das sind dann 15 Euro brutto!“, meint Szekeres. So ein System funktioniere nur, wenn der Arzt einen Vertrag mit der Krankenkasse hat, hier gebe es keinen Spielraum nach unten. „Bei Einzelverträgen im Rahmen der Primary-Health-Care-Zentren wird dieses System nicht mehr funktionieren“, so Szekeres. Im Fall von PHC-Zentren bestünde außerdem jederzeit eine Kündigungsmöglichkeit durch die Krankenkassen, dadurch bekämen die Kollegen auch keine Kredite. Szekeres: „Das ist ein erster Schritt zur Auflösung des derzeitigen Kassensystems. Unsere Befürchtung ist, dass finanzkräftige Unternehmen diese PHC-Zentren vorfinanzieren. Die Wertschöpfung muss aber unbedingt bei den Ärzten bleiben!“
Szekeres sieht zwar Vorteile im PHC Medizin Mariahilf, bei dem sich aber alles im Rahmen des Gesamtvertrages bewegt und das sich ja bekanntlich aus einer Gruppenpraxis entwickelt hat. Aber: „Beim geplanten PHC-Zentrum unweit des SMZ Ost ist es noch nicht gelungen, drei geeignete Ärzte zu finden. Es wurde jetzt bereits zum 3. Mal ausgeschrieben. Man kann doch nicht Ärzte, die sich bis dato noch gar nicht gekannt haben, in eine Gesellschaft zwingen. Da besteht immer die Gefahr, dass man sich irgendwann nicht mehr versteht. So eine Verbindung ist ja enger als eine Ehe, wo man sich friedlich scheiden lassen kann.“ Außerdem bedeute schon alleine das Schlagwort „Wohnortnahe Versorgung“ eine Limitation der PHC-Zentren.
Der Lösungsvorschlag von Szekeres: „Idealerweise sollte man so etwas direkt im Spital anbieten, wie es der Ärztefunkdienst macht, der im AKH eine Ordination für Kinder- und Jugendheilkunde betreibt – parallel zur Ambulanz der Universitätskinderklinik.“
Die Eltern kommen mit den Kindern zuerst in diese Ordination, und nur wenn es nötig ist, wird in die Ambulanz der Universitätskinderklinik überwiesen. Klug wäre in diesem Zusammenhang ein gemeinsames Budget von Spitalerhaltern und Krankenkassen für den ambulanten Bereich, denn: „Durch virtuelle Budgets wird man das nicht lösen können.“

 

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„WGKK in auswegloser Situation“

Die Wiener Bevölkerung wächst jährlich um 30.000 Personen an, „was einer zusätzlichen Kleinstadt entspricht, und trotzdem will man die Kassenstellen weiter reduzieren“, ärgert sich Szekeres. „Die geforderten 300 zusätzlichen Kassenstellen sind sicher notwendig!“ Er meint, dass sich die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) in einer ausweglosen Situation befände, „auch durch die Tatsache, dass die Zahl der Arbeitslosen in Wien explodiert und zudem die Anzahl der Pensionisten massiv zunimmt, wodurch die WGKK weniger Einnahmen als Ausgaben hat. Hier sehe ich eine Gefahr für die sozial Schwächeren wie z.B. Armutsgefährdete oder alleinerziehende Frauen mit Kindern.“
Immer mehr Menschen würden bereits Privat- und Wahlärzte konsultieren. Szekeres bringt ein Beispiel: „Es gibt keine nuklearmedizinische ärztliche Versorgung bei einem niedergelassenen Arzt im Kassensystem. Im HNO- und Augenheilkundebereich fehlen Kassenärzte.Gleichzeitig fahren die Spitäler die Ambulanzen herunter.
Die Kapazitäten werden geringer, die Wartezeiten länger. Die Konsequenz lautet: Die medizinische Versorgung kann man sich entweder privat kaufen oder man hat sie eben nicht.“ Leistungen müssten irgendwo erbracht werden, sonst gebe es nicht den „Best point of service“, sondern den „No point of service.“
In Wien sind 70% der Hausärzte älter als 55 Jahre und gehen dementsprechend in den nächsten zehn Jahren in Pension. Bezüglich drohendem Ärztemangel hat Szekeres aber „nicht das Gefühl, dass sich irgendjemand rechtzeitig etwas überlegt.“ Zur Frage der Lenkung der Patientenströme meint Szekeres: „Es ist nicht sinnvoll, dass der Patient alle Angebote wie Hausarzt, Facharzt, Spezialambulanz etc. in Anspruch nimmt. Der Allgemeinmediziner sollte der erste Ansprechpartner sein.“

„Viele Probleme im Spitalsbereich“

Im Spitalsbereich sieht Szekeres bereits massive Schwierigkeiten aufgrund der reduzierten Arbeitszeiten, denn: „Die Rahmenbedingungen für eine Reduktion von Diensten sind noch nicht umgesetzt, die versprochenen Arbeitsgruppen in den Spitälern teilweise noch nicht etabliert. Die Nachtdienste sollen mit massivem Druck reduziert werden, das geht aber nicht ohne Veränderung der Organisation. Die Folge ist eine Leistungsreduktion, das spürt auch schon der Patient, vor allem in den chirurgischen Fächern.“ Wenn „skill and grade“ umgesetzt wäre, könnte sich die Ärzteschaft auf ihre eigentliche ärztliche Tätigkeit konzentrieren. Zusätzlich bestünde ein Mangel an Fachärzten, vor allem in den Bereichen Pathologie, Anästhesie und Urologie.