EULAR-Highlights: Neues zur Polyarthritis

Beim diesjährigen Kongress der European League Against Rheumatism (EULAR) wurden neue wissenschaftliche Kenntnisse akquiriert, die möglicherweise einen starken Einfluss auf unseren klinischen Alltag zeigen werden.

Wirken alle Biologika gleich?

In bisherigen Studien konnte eine ähnliche Wirksamkeit der vorhandenen TNF-a-Hemmer bei der Behandlung der rheumatoiden Arthritis nachgewiesen werden, sowohl im Vergleich der Daten der Zulassungsstudien als auch im direkten Vergleich in Registern.1 Auch eine rezent durchgeführte, noch nicht veröffentlichte Head-to-Head-Studie, in der die Wirksamkeit von Certolizumab pegol gegenüber Adalimumab geprüft wurde, zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen diesen beiden Substanzen.
Die Frage, ob die Auswahl eines alternativen therapeutischen Angriffspunktes, wie die B-Zell-Depletion, einen additiven therapeutischen Effekt mit sich bringt, wurde in der ORBIT-Studie geprüft. In dieser Studie wurden Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis und unzureichendem Ansprechen auf ein csDMARD eingeschlossen und in Rituximab- bzw. Adalimumab- oder Etanercept-Behandlungsgruppen 1 : 1 eingeteilt. Die initiale Behandlung mit Rituximab war der Behandlung mit TNF-a-Hemmern nicht unterlegen, allerdings waren die gesundheitsbezogenen Kosten im Zusammenhang mit der Rituximab-Therapie signifikant niedriger als bei der Therapie mit TNF-a-Hemmern.2
Die Daten der rezent publizierten Studien mit Sarilumab (human anti IL-6R) zeigten sowohl bei Patienten mit unzureichendem Ansprechen auf MTX3 als auch auf TNF-a-Hemmer4 eine signifikante und schnelle Besserung der klinischen Symptomatik unter dem IL-6R-Blocker. Die Daten aus diesen Studien ermöglichen einen indirekten Vergleich der Wirksamkeit zu Tocilizumab5. Ein weiterer, in der Entwicklung befindlicher IL-6-Hemmer, der selektiv mit hoher Affinität an das Zytokin IL-6 bindet, ist Sirukumab. In der Phase-III-Studie wurden die Wirksamkeit und das Sicherheitsprofil von zwei subkutanen Dosen Sirukumab (100 mg alle zwei Wochen und 50 mg alle vier Wochen) bei Patienten mit RA, die refraktär gegenüber herkömmlichen csDMARD waren, bewertet. Beide Dosisgruppen von Sirukumab reduzierten die Zeichen und Symptome der RA, hemmten die röntgenologische Progression und verbesserten die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Eine klinische Verbesserung im ACR-50 wurde bei 30,2 bzw. 33,2% der Patienten in der 50-mg- oder 100-mg-Gruppe beobachtet. Diese und die ACR-20-Ergebnisse zeigten keinen signifikanten Unterschied zu den Daten aus den Tocilizumab oder Sarilumab-Studien.

Biosimilars

Aufgrund des auslaufenden Patentschutzes von einigen Biologika wie Rituximab, Infliximab, folgend auch Etanercept, Adalimumab, Abatacept und Tocilizumab wurde der Weg für die Entwicklung von Biosimilars, also Nachahmungspräparate dieser Medikamente, geebnet. In mehreren Studien wurde die Wirksamkeit der Biosimilars im Vergleich zu den Originalpräparaten geprüft, und diese zeigten allesamt die gleiche Effektivität.7, 8 Aufgrund der aufwendigen Herstellung der Biologika, vor allem weil die Produktionsmethodik nicht veröffentlicht wird, ist eine exakte Kopie des Originalpräparates nicht möglich. Aus diesem Grund wurde die Frage hinsichtlich der Sicherheit und Verträglichkeit dieser Präparate gestellt. In der Studie von Choe et al. wurde neben der Wirksamkeit ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit und Immunogenität bzw. die Tendenz zur Ausbildung von neutralisierenden Antikörpern und ADA (Anti-drug antibodies) gelegt.9 Die geprüfte Substanz SB2, ein Infliximab-Biosimilar, zeigte die gleiche Wirksamkeit wie das Referenzprodukt. Das Sicherheitsprofil und die infusionsbedingten Reaktionen waren vergleichbar zwischen den beiden Gruppen, zudem zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Ausbildung von ADA.
Im Kontext der Einführung von Biosimilars steht aufgrund des niedrigeren Preises dieser Substanzen die zunehmende Tendenz der Krankenversicherungsträger, eine Umstellung der Therapie auf diese preisgünstigeren Präparate einzufordern. In der Erweiterung der Studie PLANETRA, in der ursprünglich die Wirksamkeit von CT-P13 – Infliximab-Biosimilar und das Originalpräparat – verglichen wurde, wurden die Patienten der Originator-Infliximab-Gruppe nach 54 Wochen auf CT-P13 umgestellt und bis zur Woche 102 fortgeführt.10 Eine vergleichbare Wirksamkeit und Verträglichkeit wurde bei den Patienten in beiden Gruppen beobachtet. Somit scheint die Therapieumstellung vom Referenzpräparat auf ein Biosimilar nicht mit einem Wirkungsverlust verbunden zu sein, was aus der Patientenperspektive, neben dem Sicherheitsprofil, einen ganz wesentlichen Aspekt darstellt.
Da unter der Therapie mit TNF-a-Hemmern ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer aktiven Tuberkulose (TB) durch Reaktivierung einer latenten TB- oder durch eine De-novo-Infektion besteht, wurde die Häufigkeit der TB-Infektionen während der Therapie mit dem Biosimilar SB2 (Infliximab) in der Studie von Durez et al. überprüft.11 Es zeigte sich eine vergleichbare Häufigkeit zu dem Referenzprodukt.
Die potenziellen Kosteneinsparungen, die mit dem Einsatz von Biosimilars verbunden werden, wurden in der systemischen Analyse der bisher veröffentlichten Daten erhoben.12 Insgesamt scheint die Verwendung von Biosimilars weltweit die medikamentenbezogenen Ausgaben in Zukunft zu verringern und somit ganz wesentlich zur finanziellen Entlastung der Gesundheitssysteme beizutragen.

Januskinase-(JAK-)Inhibitoren

Da durch die JAK nicht nur die Immunantwort, sondern auch andere physiologische Funktionen beeinflusst werden, wurde aufgrund von Sicherheitsbedenken der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde EMA die Zulassung von Tofacitinib im April 2013 abgelehnt. Eine Sicherheitsanalyse von Baricitinib (oraler JAK1-/JAK2-Inhibitor) wurde anhand von 6 Studien mit 3.464 Patienten (bei 467 Patienten dauerte die Therapie über2 Jahre) durchgeführt.13 Während der Observationszeit wurde weder eine Zunahme der Mortalität noch schwerer Infektionen oder maligner Erkrankungen beobachtet. Herpes Zoster wurde in der Baricitinib-Gruppe häufiger berichtet als in der Placebo-Gruppe. Bei längerer Exposition wurde kein erhöhtes Sicherheitsrisiko berichtet, somit weist Baricitinib ein akzeptables Sicherheitsprofil bei Patienten mit aktiver RA auf. Da durch die JAK-Signale die Funktion der Homöostase beeinflusst wird, wurden in der Studie von van Vollenhoven et al.14 die Auswirkungen einer Tofacitinib-Behandlung auf die absolute Lymphozytenzahl (ALC) und auf die Lymphozyten-Untergruppe (LSC) und ihre Reversibilität nach Absetzen der Therapie geprüft. Die Behandlung mit Tofacitinib war mit einer Abnahme der ALC assoziiert. Vor allem wurden Veränderungen der CD4-positiven und CD8-positiven T-Zell-Zahlen beobachtet. Die B-Zellen und NK-Zell-Zahlen zeigten einen passageren Anstieg, der im weiteren Verlauf der Therapie nicht mehr nachweisbar war. Nach Absetzen der Therapie waren alle diese Veränderungen reversibel.
In der Studie von Wollenhaupt et al. wurden die Langzeitdaten zur Wirksamkeit und Sicherheit von Tofacitinib in der Dosis von 5 mg und 10 mg als Monotherapie oder in der Kombinationstherapie mit csDMARD präsentiert. Alle Gruppen zeigten ein gutes Sicherheitsprofil und die gleiche Wirksamkeit, unabhängig davon, ob die Patienten eine Mono- oder Kombinationstherapie erhalten hatten. Zudem blieben 89% der Patienten auf einer Monotherapie, also ohne Einnahme zusätzlicher csDMARD, und die radiologische Wirksamkeit der Monotherapie glich der Kombinationstherapie.
In einer Datenanalyse aus dem amerikanischen CORONARegister wurden die Prävalenz und die Wirksamkeit einer TNF-a-Hemmer-Monotherapie der von Tofacitinib als Monotherapie gegenübergestellt.16 Ca. 30% der Patienten erhielten TNF-a-Hemmer als Monotherapie, und diese war weniger effektiv als die Kombinationstherapie mit csDMARD, insbesondere bei biologikanaiven Patienten. Demgegenüber erhielten 61% der Patienten Tofacitinib als Monotherapie. Diese war genauso effektiv wie die Kombinationstherapie mit csDMARD (35,4% LDA [low disease activity] vs. 32,3% LDA). Zudem war die Tofacitinib-Monotherapie ähnlich wirksam wie die Kombinationstherapie mit TNF-a-Hemmern (33,3% LDA vs. 33,3% LDA).
Ein weiterer in der Entwicklung befindlicher JAK-Inhibitor mit Namen Filgotinib ist ein oraler selektiver JAK1-Inhibitor. In der Phase-IIb-Studie von Westhovens et al. wurde die Wirksamkeit in drei Dosen (50 mg, 100 mg oder 200 mg) 1-mal tgl. oder 2-mal tgl. über 24 Wochen gegenüber Placebo bei Patienten mit aktiver RA unter stabiler Basistherapie mit MTX geprüft.17 Über 24 Wochen erwies sich Filgotinib als gut verträglich und sehr gut wirksam, und auch schwere Nebenwirkungen oder schwere Infektionen wurden nicht häufiger beobachtet.
In dem Review von Mankia et al. wurde postuliert, dass mehrere pathologische Ereignisse, wie der Einfluss von genetischen Faktoren oder Umweltfaktoren, auftreten müssen, bevor die RA klinisch manifest wird.18 Sechs Phasen der RA-Entwicklung wurden erarbeitet. Darunter wurde die Phase D als die Phase mit Arthralgien oder Symptomen ohne manifeste Arthritis bezeichnet, bei der die Immunphänomene RF und ACCP bereits zu finden sind (Abb.). Die Frage, ob die spätere Entwicklung der Arthritis durch eine frühzeitige Therapie in diesem Stadium der RA verhindert werden kann, wurde in der placebokontrollierten PRAIRI-Studie zu beantworten versucht.19 In dieser Studie wurden die Patienten mit Arthralgien, jedoch ohne aktive Arthritis, mit positivem ACCP und RF und einem CRP > 3 mg/l und/oder subklinischer Synovitis in der Arthrosonographie oder MRT der Hände eingeschlossen. Nach einmaliger Gabe von Rituximab oder Placebo wurden diese Patienten über 27 Monaten hinsichtlich der Ausbildung einer definitiven Arthritis observiert. Eine Risikoreduktion von 53% wurde in der Rituximab-Gruppe nach 18 Monaten Follow-up beobachtet. Zusammenfassend konnte durch eine einzelne Infusion von 1.000 mg Rituximab die Entwicklung einer RA bei Patienten mit einem erhöhten Risiko signifikant reduziert werden.

 

Referenzen:

1 Smolen et al., Lancet 2016

2 Porter et al., Lancet 2016

3 Genovese et al., Arthritis Rheumatol 2015

4 Fleischmann et al., ACR 2015

5 Kremer et al., Arthritis Rheumatol 2011

6 Abstract Nr. SAT0145 2016

7 Choe et al., Arthritis Rheumatol 2015

8 Weinblatt et al., Arthritis Rheumatol 2015

9 Abstract Nr. THU0140 2016

10 Yoo et al., Ann Rheum Dis 2016

11 Abstract Nr. FRI0149 2016

12 Abstract Nr. SAT0581 2016

13 Abstract Nr. THU0166 2016

14 Abstract Nr. THU0199 2016

15 Abstract Nr. THU0185 2016

16 Abstract Nr. THU0132 2016

17 Abstract Nr. OP0224 2016

18 Mankia et al., Arthritis Rheumatol 2016

19 Abstract Nr. OP0182 2016