Geteilter Kassenvertrag als Zukunftsmodell

„Wir haben jetzt die siebente Woche gemeinsam hinter uns. Es geht uns ganz gut.“ – Vorsichtig optimistisch, unter Bedacht auf naturgemäße Anlaufschwierigkeiten in einer solchen Situation, schildert die Salzburger Allgemeinmedizinerin Dr. Manuela Lassner gegenüber der Ärzte Krone ihre Erfahrungen.
Unter „ihre Erfahrungen“ sind jene von Lassner und ihrer Kollegin Dr. Heidi Brandstätter-Fenneberg mit einer Kassenpraxis in Salzburg-Liefering zu verstehen. Seit Anfang April praktizieren die beiden im Rahmen des in Salzburg möglichen Jobsharing-Modells (Lassner als Vertragspartner der GKK). Doch mit 1. Juli soll daraus eine Offene Gesellschaft mit einem 50 : 50 geteilten Kassenvertrag auf Dauer werden. Die Genehmigung durch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger ist allerdings noch offen.

Lange Vorgeschichte

Wie so vieles im österreichischen Gesundheitswesen hat die Salzburger Initiative eine lange Vorgeschichte. Dr. Walter Arnberger, Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte in der Salzburger Ärztekammer: „Wir haben in unserem Bundesland in den letzten Jahren immer häufiger Probleme bei der Nachbesetzung von Kassenstellen, vor allem bei Allgemeinmedizinern. Im Grunde ist es die Beanspruchung, die mit einer Allgemeinmediziner-Kassenstelle einhergeht. Da sind auch die ständigen Bereitschaftsdienste. Man arbeitet dauernd am Limit. Das ist wohl auch der Grund, warum viele Allgemeinmedizinerinnen mit Familie vor der Annahme einer solchen Stelle zurückschrecken.“
Das führte im Bundesland Salzburg zu einer durchaus bedenklichen Situation, die ohne Gegenmaßnahmen schon rein aus demografischen Gründen in den kommenden Jahren nur noch problematischer werden kann.
Arnberger: „Generell kann man davon ausgehen, dass wir in den vergangenen Jahren bereits jede zweite Allgemeinmediziner-Kassenstelle zweimal ausschreiben mussten. Bei einer waren 230 Kollegen auf der Warteliste – und kein einziger der Bewerber nahm sie gleich an.“

Gruppenpraxen – bisher beschränkte Erfolge

Der große Boom bei „Gruppenpraxen & Co.“ ist bisher ausgeblieben. Dafür gibt es offenbar mehrere Gründe: Die bundesgesetzlichen Regelungen (Zulassung durch die Landesbehörde, Gutachten, keine Anstellung von Ärzten durch Ärzte etc.) sind ziemlich restriktiv. Bundesweit betrachtet gibt es auch von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Modelle und Honorarverträge mit den Gebietskrankenkassen. Und schließlich stehen die GKK seit Jahren beim Ausbau der extramuralen Versorgung auf der Bremse.

„Uns gehen die Verträge ab“

Dr. Thomas Holzgruber, Kammeramtsdirektor der Wiener Ärztekammer: „Wir haben in Wien bisher rund 70 Gruppenpraxen, ausschließlich fachgleiche. Ein Erfolg ist, dass wir für Gruppenpraxen keine degressive Honorierung durch die Gebietskrankenkasse haben. Aber für einen Ausbau würden wir mehr Kassenverträge benötigen. Die gehen uns ab.“
In Wien ist es in den vergangenen Jahren zu einer dokumentierten Reduktion der Zahl der GKK-Kassenstellen gekommen – selbst in Bezirken wie Floridsdorf (21. Bezirk), wo die Bevölkerungszahl deutlich gewachsen ist.

Zwei Bewerbungen zusammengelegt

In diese Gesamtproblematik stieß nun in Salzburg das Projekt von Lassner und Brandstätter-Fenneberg. Letztere zur Ärzte Krone: „Ich habe fünf Jahre in Vigaun in einem Kurzentrum gearbeitet. Dann habe ich Jobsharing gemacht. Meine nunmehrige Partnerin und ich kennen einander seit vielen Jahren. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder. Als in Salzburg-Liefering zwei Kassen-Allgemeinmediziner in Pension gingen, habe ich mich für eine der beiden Stellen beworben. Aber eine Einzelkassenordination wäre mir zu viel.“
Allerdings, für die zweite frei werdende Kassenstelle in dem Salzburger Bezirk bewarb sich Lassner. Die Hausärztin: „Ich habe halbtags in der Dialyse in Maxglan gearbeitet, war daneben an die sechs Jahre Wahlärztin für Akupunktur. Im Prinzip war es immer mein Wunsch, als Hausärztin in der niedergelassenen Praxis zu arbeiten. Aber 20–22 Stunden offizielle Ordinationszeit und noch das Gleiche dazu an Visiten etc., das sind pro Woche 40–50 Stunden. Mir war klar, dass ich das nicht möchte. Auch Angestellte muss man da allein tragen. Ich habe zwei Kinder. Männer tun sich da eventuell leichter.“

Ein Glücksfall …

Und schließlich, so der Salzburger Niedergelassenen-Kurienobmann Arnberger, trafen sich die Intentionen vieler Beteiligter: „Es war ein Glücksfall. Beide Kolleginnen waren in der Versorgungsregion in Liefering jeweils Erstgereihte für die Kassenstellen. Und so begannen die Gespräche mit der Salzburger Gebietskrankenkasse. Wir haben mit der Kasse eine gute Gesprächsbasis.“
Noch vor einem Jahr, so Lassner, hatte es geheißen, dass eine Teilung des Kassenvertrages im Rahmen einer Offenen Gesellschaft, wie sie für Gruppenpraxen vorgesehen ist, nicht möglich sei. Rechtsanwälte wurden beigezogen. Laut den beiden Allgemeinmedizinerinnen gab es bei der Ärztekammer große Unterstützung bei der Propagierung ihres Anliegens. Kurienobmann Arnberger wiederum sieht in den positiv gelaufenen Verhandlungen mit der Salzburger Gebietskrankenkasse auch einen Hinweis dafür, dass der Vertragspartner den Ernst der Lage bei der Nachbesetzung der Kassenarztstellen zunehmend erkennt: „Die Krankenkassen haben ja auch einen Versorgungsauftrag.“ Dessen Gefährdung lasse auch die Krankenversicherung hellhöriger für neue Modelle werden. Die von der Sozialversicherung bei Gruppenpraxen verlangten „Synergieabschläge“ seien kontraproduktiv. Bei der geplanten Teil-Gruppenpraxis gebe es sie nicht.

Start 1. April

Jedenfalls arbeiten Lassner und Brandstätter-Fenneberg seit 1. April zu gleichen Teilen in ihrer Praxis. Derzeit erfolgt das noch über das Salzburger Jobsharing, bei dem Dr. Lassner die primäre Vertragsinhaberin ist. Mit 1. Juli soll dann die Teilung des Kassenvertrages realisiert werden, wobei alle herkömmlichen Vertragsregelungen wie für eine Einzelpraxis („Deckelungen“ etc.) erhalten bleiben. Das hängt noch von der Genehmigung des Modells im Hauptverband der Sozialversicherungsträger ab.
Die Arbeit aber läuft schon wie geplant. Brandstätter-Fenneberg: „Montag und Dienstag macht meine Partnerin die Ordination, Mittwoch und Donnerstag bin ich dran. Am Freitag wechseln wir uns ab.“ Da bietet man eine längere Ordinationszeit am Nachmittag an. Das Modell kommt den beiden Allgemeinmedizinerinnen auch noch in medizinischer Hinsicht entgegen: Brandstätter will zum Beispiel auch weiterhin Akupunktur und die Homöopathie ausüben. – Komplementärmedizin geht sich im Rahmen einer großen Kassenpraxis einfach nicht aus.

Positive Reaktion der Patienten

Und die Patienten, auf die es ja auch ankommt? Lassner: „Es hat viele Patienten gegeben, die hatten Angst, dass es in unserem Gebiet überhaupt keinen Hausarzt mehr geben könnte. Wir erleben, dass die meisten von ihnen zu jeder von uns beiden in die Ordination kommen. Außer sie wollen dezidiert bei einer von uns einen Termin. Wir tun uns auch leichter bei der Betreuung von 38 Patienten in einem Seniorenheim in der näheren Umgebung.“
Ganz ähnlich auch Brandstätter-Fenneberg: „Wir wollen eigentlich, dass die Patienten zu jeder von uns kommen. Wir wissen ja über den Computer jeweils, worum es bei dem einzelnen Patienten geht. Und ich glaube, die Patienten merken auch, dass wir nicht so erschöpft sind, weil wir uns eben die Arbeit teilen.“

„Eher Frauenmodell“ – geringerer Verdienst

Einig sind sich die beiden Salzburger Ärztinnen jedenfalls in zwei Punkten: erstens, dass ihr Modell sehr spezifisch zu ihren individuellen Bedürfnissen passt. Brandstätter: „Ich glaube, dass das eher ein ‚Frauenmodell‘ ist.“ Es bedeute auch weniger Einkommen.
In letztere Kerbe schlägt auch Lassner: „Wir teilen uns natürlich auch das Einkommen. Damit könnte man keine Familie erhalten. Dessen muss man sich schon bewusst sein.“
Bleibt – derzeit – vor allem die Genehmigung des Modells durch den Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HVB) offen. Mag. Bernhard Wurzer, Stellvertretender HVB-Generaldirektor, zuständig unter anderem für Vertragspartner-Angelegenheiten: „Ich halte diese Art der Kooperationsformen gerade für junge Ärztinnen für zukunftsträchtig. Das ist eine Variante von Gruppenpraxis. Die Ausgestaltung solcher Verträge fällt allerdings unter die ‚Trägerautonomie‘ (Kompetenz der Kassen, Anm.). Bei uns liegt dieses Modell noch nicht vor. Jobsharing und Nachfolgepraxis-Regelungen gibt es ja schon.“ Mit der Gesundheitsreform eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten.

 

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