Hypertonie – bleibt alles beim Alten?

Im Jahr 2013 sind die neuen Hypertonie-Guidelines der Europäischen Gesellschaft für Hypertonie (ESH) und der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) herausgegeben worden (Mancia G. et al., J Hypertens 2013; 31:1281–357). Im folgenden Artikel werden die wichtigsten Punkte und neuen Empfehlungen in der Diagnostik und Therapie zusammengefasst.

Definition der Hypertonie: Die Definition der Hypertonie hat sich im Vergleich zu den Empfehlungen der ESH/ESC aus den Jahren 2003 und 2007 nicht geändert. Eine Hypertonie besteht nach wie vor bei Blutdruckwerten von > 140 mmHg systolisch und > 90 mmHg diastolisch. Auch die Klassifikation und Stadieneinteilung sind ident geblieben.

Empfehlungen zur Blutdruckmessung: Hier wird weiterhin die Oberarmmessung mittels elektronischer Blutdruckmessgeräte empfohlen. Die Blutdruckmessung in der Ordination wird zum Screening und der Diagnose einer Hypertonie empfohlen. Die Diagnose einer Hypertonie sollte auf mindestens zwei Blutdruckmessungen per Arztbesuch und auf mindestens zwei Arztbesuchen basieren. Bei Patienten mit Hypertonie sollte auch eine Pulsanalyse mittels Palpation zur Diagnostik von Herzrhythmusstörungen, insbesondere von Vorhofflimmern, erfolgen. Blutdruckmessungen außerhalb der Ordination sollten zur Diagnosesicherung einer Hypertonie, zur Feststellung des Typs der Hypertonie sowie von hypotensiven Episoden und zur Verbesserung der Einschätzung des kardiovaskulären Risikos erfolgen. Außerhalb der Ordination kann der Blutdruck durch mehrfache Selbstmessungen zu Hause durch den Patienten oder durch eine 24-Sunden-Blutdruckmessung erfolgen.

Diagnose von asymptomatischen Endorganschäden: Sollte eine Hypertonie diagnostiziert worden sein, werden die in der Tabelle 1 gelisteten Untersuchungen zur Diagnostik von Endorganschäden empfohlen. Medikamentöser Therapiebeginn: In der Therapie der Hypertonie weichen die neuen Guidelines von den Empfehlungen der ESH/ESC aus den Jahren 2003 und 2007 ab. Bisher wurde ein medikamentöser Therapiebeginn bei einer Hypertonie im Stadium 1, d.h. bei einem Blutdruck von > 140 mmHg systolisch und/ oder > 90 mmHg diastolisch, empfohlen, auch wenn kein zusätzlicher Risikofaktor besteht. Diese Empfehlung hat auch alte Patienten inkludiert. Zudem wurden niedrigere Blutdruckziele ( 160 mmHg systolisch und/oder > 100 mmHg diastolisch). Im Stadium 1 sollte sofort mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden, wenn ein Endorganschaden, Diabetes mellitus, eine kardiovaskuläre Erkrankung und/ oder eine chronische Niereninsuffizienz vorliegen. Zusammengefasst werden die Empfehlungen in der Tabelle 2. Ältere Patienten (über 80 Jahre) sollten eine antihypertensive Therapie erst ab einem systolischen Blutdruck von > 160 mmHg unabhängig von den begleitenden Risikofaktoren erhalten. Junge Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie sollten nach derzeitiger Evidenzlage keine antihypertensive Medikation erhalten, sondern lebensstilverändernde Maßnahmen durchführen.

 

 

 

Blutdruckziele: Die Blutdruckziele wurden in den aktuellen Guidelines für alle Patienten mit < 140/90 mmHg angegeben. Die derzeitige Evidenzlage unterstützt keine niedrigeren Blutdruckziele bei Hochrisikopatienten mehr. Randomisierte kontrollierte Studien (u.a. ACCORD, ROADMAP, ONTARGET) konnten zeigen, dass eine aggressivere Blutdrucksenkung bei Hochrisikopatienten zu einem vermehrten Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen und Nierenversagen führt.

Medikamentöse Therapie: Die Guidelines empfehlen derzeit, die antihypertensive First-Line-Therapie an die Komorbiditäten des Patienten anzupassen. Gleichwertig sind ACE-Hemmer (ACE-I), Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB), Betablocker, Kalziumantagonisten und Diuretika zu verwenden. Im Gegensatz zu anderen Guidelines, aber ident zu den in den Jahren 2003 und 2007 herausgegebenen Guidelines der ESH/ESC bleiben Betablocker nach wie vor eine Option der First-Line-Therapie. Insbesondere bei Patienten mit Kardiomyopathie und/oder Z.n. Myokardinfarkt sind sie empfohlen, da sie hier die Wahrscheinlichkeit eines erneuten kardiovaskulären Ereignisses signifikant vermindern können. Empfohlen wird der Beginn mit einer Kombinationstherapie bei Patienten mit hohem Blutdruck und/oder hohem kardiovaskulärem Risiko. Die Kombinationstherapie sollte einer Ausschöpfung der Höchstdosis eines einzelnen Medikaments vorgezogen werden. Hinsichtlich der empfohlenen Kombinationen gibt es verschiedene Möglichkeiten, die in der Abbildung dargelegt sind. Zudem sollten Kombinationspräparate verordnet werden, um die Anzahl der Tabletten zu reduzieren und damit die Compliance zu verbessern.
Kontraindiziert ist nach der ONTARGET-Studie allerdings die Kombination von ACE-I und ARB, da es hier zu vermehrtem Auftreten von hypotensiven Episoden sowie akutem Nierenversagen kam. Ebenso gibt es derzeit keine Indikation für Renininhibitoren mehr. Beide Studien (ALTITUDE und APOLLO) wurden vorzeitig abgebrochen und es ist nicht mit neuen randomisierten kontrollierten Studien mit dieser Substanzklasse zu rechnen.

 

 

RESÜMEE

Die Neuigkeit der ESH/ESC-Guidelines 2013 ist unserer Meinung nach die Anpassung des Zielblutdrucks für alle Patienten unabhängig von ihren Risikofaktoren (< 140/90 mmHg). Ausgenommen sind über 80-jährige Patienten, bei denen ein systolischer Blutdruck < 160 mmHg angestrebt werden sollte. Zudem ist die Kombinationstherapie aus ACE-I und ARB zur Blutdrucksenkung kontraindiziert.