Innovative Medikamente in der Praxis angekommen

Vor einem Jahr schlug der Hauptverband mit seinem damaligen Chef Mag. Peter McDonald Alarm. Plus 10% Arzneimittelausgaben wurden im ersten Quartal gemeldet, plus 8,5% im ersten Halbjahr. Sogar ein gesetzliches Eingreifen wurde angedroht. Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet.
Der Ärzte Krone liegen die Details zu den Arzneimittelausgaben der Krankenkassen auf der Basis der 1.340 öffentlichen Apotheken in Österreich vor. Das sind 85% des „Kassenmarktes“. Fazit: Nach Jahren der Stagnation scheinen nun auch innovative Arzneimitteltherapien in die niedergelassene Praxis zu kommen. Das bewirkt Ausgaben, die ehemals vor allem über die Krankenhäuser gelaufen sind.
„Tatsache ist jedenfalls, dass neue Arzneimittel wie die ‚NOAK‘ und Immunsupressiva als Folgeverordnung in den Praxen der niedergelassenen Ärzte angekommen sind. Das gilt auch für die Hepatitis-Medikamente, zum Beispiel die Arzneimittel zur Behandlung der Hepatitis C“, sagte Dr. Otto Pjeta, Referent für Medikamentenangelegenheiten in der Österreichischen Ärztekammer.
Freilich, sowohl die erforderlichen diagnostischen Schritte für die Verschreibung solcher Medikamente als auch die Bedingungen, unter denen sie insgesamt auf Kassenrezept verordnet und abgegeben werden können, sind kompliziert, wie Pjeta betonte. Das gehe bis zu „sogenannten Spezialambulanzen“, über welche die Erstverschreibung erfolgen müsse.

Stagnation in den vergangenen Jahren

In den vorangegangenen Jahren hatten die österreichischen Krankenkassen fast eine Stagnation bei den Arzneimittelkosten erlebt. Von 2010–2013 wurden mit einem Pendeln zwischen plus 0,9% und plus 2,6% ausgesprochen niedrige Werte registriert, die zum Teil unter der Inflationsrate lagen.
2014 machten laut den Zahlen der Österreichischen Apothekerkammer die Ausgaben der Krankenkassen für ärztliche Hilfe 4,87 Milliarden Euro (30,3%) aus, jene für Anstaltspflege 4,69 Milliarden Euro (28,8%) und 3,19 Milliarden Euro für Arzneimittel (19,3%). 3,07 Milliarden Euro oder 19% entfallen auf „Sonstiges“. Der Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer, Dr. Christian Müller-Uri, merkte dazu an (so wie seit Jahren die pharmazeutische Industrie), man wüsste gerne, was in diesen Kosten enthalten sei. 2,7% sind der Verwaltungsaufwand mit 450 Millionen Euro.
Aber zurück zu den Arzneimitteln: Insgesamt stieg der Wert der Verordnungen, die in den öffentlichen Apotheken abgegeben wurden, von 2014 auf 2015 bundesweit um 5,6% (Packungen: minus 1,4%), in den Bundesländern wie folgt:

  • Burgenland: plus 2,9% (Packungen minus 1%)
  • Kärnten: plus 5,1% (minus 1,7%)
  • Niederösterreich: plus 4% (minus 1,9%)
  • Oberösterreich: plus 7,7% (minus 1,5%)
  • Salzburg: plus 9,1% (minus 2%)
  • Steiermark: plus 4,5% (minus 1,5%)
  • Tirol: plus 7,9% (Packungen gleich geblieben)
  • Vorarlberg: plus 10,6% (plus 0,3% )
  • Wien: plus 4,3% (minus 1,6%)

Daraus ergibt sich die Frage, warum die Entwicklung nach Bundesländern unterschiedlich ist. „Schwierig zu sagen“, meinte Pjeta. Durch das bundesweite elektronische Bewilligungsverfahren für die chefarztpflichtigen Medikamente müsste sich eher eine Angleichung ergeben. Es könne allerdings sein, dass die Versorgungslage in einzelnen Regionen – zum Beispiel die Zahl bestimmter Fachärzte oder Spezialambulanzen – hier eine Rolle spiele.
Ohne Zweifel sind die Zuwächse des vergangenen Jahres auf jene Arzneimittel zurückzuführen, die einen höheren Preis (mehr als 200 Euro Einkaufspreis pro Packung für Apotheken) haben. Während der Umsatzanstieg in der Preiskategorie darunter vergangenes Jahr je nach Bundesland zwischen minus 0,3% (Wien) und plus 2,5% (Vorarlberg) lag, steigerte sich der Umsatz mit den teureren Präparaten im Burgenland um 8,0%, in Kärnten um plus 13,9%, in Niederösterreich um 12,7%. In Oberösterreich waren es plus 20,3%, in der Steiermark plus 15,5%, in Salzburg plus 20,8%, in Tirol plus 18,3% und in Vorarlberg plus 25,3%. Wien (plus 11,8%) lag da weit hinter den Spitzenreitern.
Die Entwicklung im Jahr 2015 muss aber nicht ein ständiger Trend bleiben. Pjeta: „Gibt es in einem Jahr viele neue Generika, kompensieren sie mehr oder weniger die teureren neuen Arzneimittel.“
Der Anteil der „hochpreisigen“ Arzneimittel nach dieser Einteilung stieg in Österreich von 2012–2015 von etwas mehr als 28% auf 37,8%. Am höchsten ist der Anteil derzeit (2015) in Salzburg 44,7%, gefolgt von Wien und Oberöstereich mit je 40,8%.

 

 

Gelbe Box RE1

„Von den Top-20-Produkten mit den höchsten Umsatzsteigerungen im Jahr 2015 im Krankenkassenbereich befinden sich eines in der Roten Box, 17 in der Gelben Box im RE1-Bereich. In Summe betragen die Umsatzsteigerungen dieser 18 Produkte 139,3 Millionen Euro. Das sind 78% der gesamten Umsatzsteigerungen im Jahr 2015“, führte Müller-Uri bei der Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer vor Kurzem aus.
So stieg zum Beispiel der Anteil der Krebsmedikamente und der immunmodulierenden Medikamente an den Arzneimittelausgaben der Krankenkassen von 19% im Jahr 2011 auf 24% im Jahr 2015. Arzneimittel für hämatologische Erkrankungen erhöhten ihren Anteil von 5,8 auf 8,4%, während die klassischen kardiovaskulär wirkenden Arzneimittel in ihrem Anteil von 19,5 auf 14,4% abnahmen. Die Antiinfektiva (systemisch) legten von 2011–2015 von 19,0 auf 24% zu.
Die Ausgaben für immunsuppressive Substanzen legten von 168 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 314 Millionen Euro im Jahr 2015 zu. Die Antithrombotika stiegen bei den Ausgaben von 82,61 auf 153,91 Millionen Euro. Die antiviralen Medikamente kamen 2010 auf einen Kassenmarkt von knapp 62 Millionen Euro, vergangenes Jahr waren es etwas mehr als 200 Millionen Euro (Onkologika: 77,77 vs. 137,4 Millionen Euro). Das alles stellt ohne Zweifel medizinischen Fortschritt dar, der nunmehr auch außerhalb der Krankenhäuser spürbar wird.