Kassenverträge und Gesundheitsreform

Schwierige Zeiten: Mit der von Bund, Bundesländern und Hauptverband der Sozialversicherungsträger ohne Beteiligung der Ärzteschaft – wie auch der übrigen Leistungsanbieter – gestarteten Gesundheitsreform soll auch der angeblich frappante Anstieg der Kosten des Gesundheitssystems gedämpft werden.
Wie verhandelt man da mit den Gebietskrankenkassen (GKK)? Salzburg und Vorarlberg haben jetzt auch in schwierigen Zeiten Abschlüsse erreicht. Die neuen Verträge der beiden Länderkammern mit den GKK/§2-Kassen könnten auch Hinweis darauf sein, dass medizinische Versorgung im Kassensystem in diesen Bundesländern wieder höher bewertet wird.

Dringende Verhandlungen

„Lieber vor als nach dem Landes-Zielsteuerungsvertrag“, lautete die Devise in Salzburg. Der Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in der Salzburger Ärztekammer und Kammer-Vizepräsident, Dr. Walter Arnberger: „Mit der Gesundheitsreform war schon Anfang 2013 klar, dass wir möglichst rasch verhandeln sollten. Wir wollten einen langfristigen Vertrag mit der GKK für die Jahre 2013, 2014 und 2015 – und er sollte noch vor dem Landeszielsteuerungsvertrag abgeschlossen sein.“
Die dahinterstehende Überlegung: Ist zwischen Bundesland und den Krankenkassen einmal der Zielsteuerungsvertrag fixiert, lässt sich nur noch schwer „nachverhandeln“. Daher: Besser vorher die Honorar-Rahmenbedingungen klären. Der Standesvertreter: „Das gibt den Kollegen auch mehr Planungssicherheit.“
Die zweite Überlegung, so Arnberger: „Der Vertrag gilt bis 31. Dezember 2015. Selbst wenn es danach zu einer Kündigung des Vertrages durch die SGKK kommen sollte, ist er mit den entsprechenden Fristen noch weit bis ins Jahr 2016 gesichert. Und da hätten wir schon die erste Phase der Gesundheitsreform überstanden.“
Nachdem man schon vor einigen Jahren auf Verhandlungen pro futuro statt hintennach umgestellt hatte, drängte damit ab Anfang 2013 die Zeit. Die derzeitigen Inflationsraten sind niedrig, plötzliche Sprünge in der Teuerungsrate nicht zu erwarten. Arnberger: „Wir haben schon im Frühjahr unsere Vertragspartner dringend zu Verhandlungen gedrängt.“ Am Beginn war man auf Seiten der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) noch zurückhaltend, doch dann starteten die Gespräche.
Der Standespolitiker lobte im Gespräch mit der Ärzte Krone das Gesprächsklima: „Natürlich haben Ärztekammer und Krankenkasse unterschiedliche Sichtweisen, aber wir haben sehr konstruktive Gespräche geführt – und die liefen auch über den ganzen Sommer hinweg.“ Man hätte einen Schwerpunkt in Sachen Allgemeinmedizin setzen wollen.
Was bei den Gesprächen schließlich herauskam, kann sich durchaus sehen lassen
Für 2013 gibt es eine Honorarnachzahlung in einer Höhe von 2,9% der Honorarsumme im kurativen Bereich (Berechnung nach der Abrechnung im vierten Quartal).
Im Jahr 2014 steigen die Honorare durchschnittlich um 5,1%, wirksam werden die Erhöhungen aus dem Vorjahr sowie plus 2,2%.
2015 gibt es dann noch einmal 1,95%, zum Teil über Anhebungen von Limitierungen, zum größeren Teil über Tarifanhebungen.
Die SGKK sprach von 11% Steigerung zwischen 2013 und 2015 – diese Zahl beinhaltet jedoch bereits die Ausgaben der SGKK für die neu eingeführten Leistungen, die aber auch neue Arbeit bedeuten – so Arnberger: „Es ist uns gelungen, neue Leistungen in die Tarifordnung zu bringen, vorhandene Leistungen besser bezahlt zu bekommen. Darüber hinaus gibt es auch neue Zusatzvereinbarungen.“
Generell: Die Honorare der Allgemeinmediziner werden deutlich angehoben. Durch Tarifsenkungen in der Labormedizin wurden auch Mittel für eine Umschichtung frei.
Einige Beispiele: Der hausärztliche Koordinationszuschlag steigt beispielsweise von sieben auf zehn Euro (plus 42,9%). Eine Neuregelung gibt es bei den Visiten in Altersheimen. Es wurde eine eigene neue Verrechnungsposition für Heilmittelberatungsgespräche (neun Euro, auch für Internisten) eingeführt. Tagesvisiten an Werktagen werden von 32,08 Euro auf 40 Euro angehoben (plus 24,8%). Die Bezahlung einer Nachtvisite steigt von 55,62 auf 80 Euro (plus 43,8%).
Zusätzlich wurde zum Beispiel das Limit für die hausärztliche Erstanamnese erhöht. Auch bei Übernahme einer Praxis wird die Erstanamnese abgegolten. Es gibt eine Erhöhung des Alterslimits für die Übergabepraxis – alles Dinge, welche den Engpass bei den Nachbesetzungen mindern sollen.
Durchaus im Einklang – zumindest mit den Ankündigungen mancher Gesundheitsreform-Politiker – könnten auch neue Leistungen stehen, die aus dem Spitalsbereich ausgelagert werden könnten: ambulante Polygrafie und die optische Kohärenztomografie des Augenhintergrundes. Letzteres wäre bei Erfolg ein echter Fortschritt für die Augenheilkunde und die vielen Patienten mit Makuladegeneration. Bisher konnte man den Kassen ja vorwerfen, das (auch wegen der Arzneimittelkosten) im Spital halten zu wollen. Bei den Radiologen sind das farbcodierte Doppler-/Duplex-Sonografie für die Extremitätenvenen und der Carotis/Vertebralis.
Wichtig sind schließlich auch noch die Zusatzvereinbarungen zum Gesamtvertrag. Arnberger: „In Zukunft werden sich bei einer ausgeschriebenen Kassenstelle auch zwei Ärzte bewerben können und den Kassenvertrag teilen können. Zusätzlich wird es eine Weiterbildungs-Lehrpraxis für ein Jahr geben. Da wird der zweite Arzt für diese Zeit de facto angestellt.“
Da gibt es keine Abschläge, allerdings eine Umsatzregulierung, die sich am altersstandardisierten Falldurchschnittswert orientiert. Auch Probleme mit der Übergabepraxis (Ausweitung der Honorarsummen) sollen damit für die Zukunft beseitigt werden.

Vorarlberg mit neuer Honorarordnung

Neue Wege beschritt man auch in Vorarlberg. Dort wird die Globalsumme an §2-Kassenhonoraren nach Punktewerten ausbezahlt. Die Abwicklung erledigt die Ärztekammer. Während man allerdings in der Vergangenheit vor allem jeweils die Punktewerte erhöhte, an dem System aber nicht rüttelte, handelten Kammer und Gebietskrankenkasse Neues aus.
„Das Kernstück bei der neu verhandelten Honorarordnung ist eine Neuordnung der Punktestaffelung und Änderung der Punktewerte und dadurch eine deutlich verbesserte Abrechnungsmöglichkeit im oberen Punktebereich (…). Ziel ist es, das bestehende System durch eine finanzielle Anreizwirkung leistungsfähiger zu machen“, stellten Niedergelassenen-Kurienobmann und Kammer-Vizepräsident Dr. Harald Schlocker und sein Kurienobmann-Stellvertreter Dr. Burkhard Walla in der Kammerzeitschrift fest.
Direkte Stellungnahmen der Beteiligten gab es vorerst keine. Man will einmal abwarten, wie sich die Neuregelungen auswirken. Der Hintergrund: Die GKK bekrittelte immer wieder, dass beispielsweise die Vorarlberger Fachärzte im Österreich-Bundesländervergleich deutlich weniger Patienten betreuten.“ Da dürfte wohl auch die Degression der Punktewerte eine Rolle spielen.
Abgeschlossen wurde für die Jahre 2013–2015. Es geht bei diesen Bestrebungen darum, ein System zu schaffen, in dem die Ärzte (auch) ein finanzielles Interesse haben, mehr Patienten zu versorgen. Die Sache hat allerdings einen weiteren wichtigen Aspekt: Man will sich 2014 ansehen, ob die Sache auch wirklich klappt. Mehr Patienten, aber möglichst keine Veränderungen des Abrechnungsverhaltens, sollten sich dabei pro Arzt ergeben.
Darüber hinaus gibt es auch neben einigen neuen Abrechnungspositionen außerhalb des Punktelimits zum Beispiel zehn Euro zusätzlich für den Hausbesuch und sechs Euro für den Mitbesuch. Auch in Vorarlberg kann in Zukunft ein Heilmittelberatungsgespräch bei 10% der Patienten von Allgemeinmedizinern und bei 5% der Facharzt Patienten verrechnet werden.
Die Standesvertreter: „Bei unverändertem Abrechnungsverhalten bedeutet die neue Honorarordnung eine Gesamt-Valorisierung über alle Fachgruppen hinweg von ca. 3,7%, was unserer Meinung nach als ausgezeichnetes Verhandlungsergebnis gewertet werden kann.“ Darüber hinaus wurden auch neue Regelungen für Job-Sharing und die Teilung von Kassenverträgen vereinbart.

Wien in Verzug

Arg in Verzug geraten war Wien. Am 28. November gab es schließlich nach schier „endlosen“ Verhandlungen ab Jänner 2013 einen neuen Vertrag mit der GKK: 948 Millionen Euro Honorarsumme für 2013 und 2014, plus 3,99% für das erste (fast schon vergangene) Jahr, 3,77% im folgenden. Eingerechnet wurde eine prognostizierte Zunahme der Frequenzen um 2% pro Jahr. Dr. Johannes Steinhart, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Die Verhandlungen verliefen aufgrund der Rahmenbedingungen der Gesundheitsreform unter denkbar ungünstigen Vorzeichen.“ Stolz ist man in Wien auf die geplante Schaffung von sechs Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiatrie. – Verhandlungen in Zeiten der Gesundheitsreform …

 

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