Mammographie-Screening: Keine Einigung in Wien und der Steiermark

Im Rahmen des Mammographie-Screening-Programms sollen alle Frauen in der Risikogruppe zwischen 45–70 Jahre alle zwei Jahre zur Vorsorgeuntersuchung eingeladen werden. Frauen zwischen 40–44 Jahren und 70–75 können selbst um eine Einladung ansuchen. Durchgeführt werden die Untersuchungen an nach österreichweit einheitlichen Kriterien zertifizierten Stellen. Die teilnehmenden Radiologen müssen eine spezielle Ausbildung absolvieren. Der Start des Einladungsversands war für 1. Oktober angesetzt, sieben von neun Länder-Ärztekammern haben sich mit den jeweiligen Gebietskrankenkassen geeinigt. Probleme gibt es aber noch in Wien und der Steiermark, wodurch sich der Start nun um ein Quartal verzögern wird.
Von Seiten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger liegt die Schuld für die Verzögerung bei den Ärztekammern der beiden Länder, die zu hohe Tarife verlangen: „Alle Projektträger ziehen seit Langem an einem Strang“, so Dr. Hans Jörg Schelling, Vorsitzender des Verbandsvorstandes im Hauptverband. „Die Ärztekammern in Wien und in der Steiermark dagegen knüpfen immer wieder neue Forderungen an das Programm, obwohl sich die Sozialversicherung immer wieder bewegt hat. Auch finanziell sind die Kassen den Kammern entgegengekommen und haben ein vernünftiges Angebot gelegt.“ Aufgrund der überzogenen Forderungen von plus 14% Honorarerhöhung werde der Programmstart nun verhindert.
Zwar gelten bis zum Inkrafttreten die bisherigen Bestimmungen für Überweisungen, aber der vereinfachte Zugang und die verbesserte Untersuchungsqualität blieben ihnen verwehrt. Schelling spricht von einem „Erpressungsversuch der Wiener Ärztekammer, die das neue Brustkrebs-Früherkennungsprogramm verwendet, um einen völlig inakzeptablen Gesamtvertrag in Wien durchzusetzen.“

 

„Ich erwarte mir eine Verbesserung der Mortalitätsdaten“

Die Österreichische Krebshilfe befürwortet die Einführung des Mammographie-Screenings in Österreich aus den nachfolgenden Gründen. Wir wissen, dass etwa 40% der Frauen in der Zielgruppe gar nicht zur Mammographieuntersuchung gehen. Diese Gruppe von Frauen gilt es von der Sinnhaftigkeit dieser Früherkennungsuntersuchung zu überzeugen und ihnen auch einen möglichst niederschwelligen Zugang zu ermöglichen. Das organisierte Mammographie-Screening in Österreich beinhaltet weltweit als das einzige Screening für Frauen mit dichter Brust Grad 3 und 4 – dies bedeutet mehr als 50% Drüsenanteil am Brustgewebe – eine zusätzliche Ultraschalluntersuchung. Deren Wirksamkeit wird durch eine begleitende Datendokumentation evaluiert und könnte somit auch eine wissenschaftliche Evaluation über die Wirksamkeit dieser zusätzlichen Untersuchung ermöglichen. Die umfassende Begleitung des Programmes wird uns allen die Möglichkeit geben, laufend die Qualität der Befundung, aber auch der Therapie zu ermöglichen. Noch vor Beginn des Programmes haben sich tausende Mitarbeiter radiologischer Institute und Ordinationen einer entsprechenden Fortbildung unterzogen.
Besonders wichtig erscheint mir, nochmals darauf hinzuweisen, dass verdächtige Befunde auch außerhalb des Screenings so wie bisher einer umfassenden Diagnostik und Abklärung zugeführt werden sollen und können. Auch das nach langen Verhandlungen gewählte Intervall von zwei Jahren für alle Frauen vom 45.–69. Lebensjahr ist auf Basis der Evidenz durchaus gerechtfertigt, insbesondere wenn man auch berücksichtigt, dass Frauen zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr und vom 70.–74. Lebensjahr sich freiwillig ebenfalls in dieses Programm melden können. Das Programm stellt insofern einen Kulturwandel in unserem Gesundheitssystem dar, dass Frauen ohne Zuweisung zu dieser Früherkennungsuntersuchung gehen können. Die Übermittlung des Befundes – bisher durch den zuweisenden Arzt erfolgt – soll nun entweder ein von der Frau namhaft gemachter Vertrauensarzt oder der Radiologe durchführen. Hier wird die enge Zusammenarbeit zwischen Radiologen und den Vertrauensärzten der Frauen erforderlich sein. In aller Regel wird die Frau den Befund des Screenings mit ihrem Hausarzt oder ihrem Frauenarzt besprechen. In 93–95% ist der Befund ja unauffällig, bei einem auffälligen Befund sollte die Frau von ihrem Vertrauensarzt an ein zertifiziertes Brustgesundheitszentrum zur weiteren Abklärung überwiesen werden. Zusammenfassend erwarte ich vom Mammographie-Screening eine höhere Teilnahmerate aller Österreicherinnen, eine weitere Verbesserung der Qualität und schließlich auch eine Verbesserung der Mortalitätsdaten.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda
Präsident der Österreichischen Krebshilfe
Vorstand der Abteilungfür Gynäkologie und Geburtshilfe, KH Hietzing

 

 

„Es gab nie ein vernünftiges Angebot der WGKK für die Radiologie und Gynäkologie“

Jegliche Angebote, die die Wiener Ärztekammer für eine Tarifvereinbarung für die vom Mammascreening betroffenen Ärzte an die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) gerichtet hat, wurden abgelehnt. Ein vernünftiges Angebot der WGKK für die Fächer Radiologie und Gynäkologie hat es nie gegeben. Nicht einmal die Minimalforderungen von unserer Seite wurden angenommen: Bereits vor zwei Wochen haben wir der WGKK ein Angebot vorgelegt, das für die Jahre 2013 und 2014 über alle Ärztegruppen hinweg eine Honorarsteigerung weit unter der Inflationsrate vorgesehen hätte. Wenn Herr Dr. Schelling dieses Angebot nun als Erpressung bezeichnet, sollte er rasch seine Wortwahl überdenken. Es liegt nun ausschließlich an WGKK-Obfrau Mag. Ingrid Reischl, die die volle Verantwortung für die Verzögerung des neuen Vorsorgeprogramms trägt, unser Angebot nochmals zu überprüfen und auch anzunehmen. Auch die Aussage von Schelling, dass man es geschafft habe, die WGKK „auf solide finanzielle Beine“ zu stellen und dies durch die überzogenen Forderungen der Ärztekammer nicht gefährden könne, entbehrt einer faktischen Grundlage. Unsere Forderungen haben wir stark an dem budgetären Rahmen der Kasse ausgerichtet und gefährden so das Budget in keiner Weise. Die Kassenverschuldung kann jedenfalls nicht als Argument für eine Verweigerung einer berechtigten Honoraranpassung für die Wiener Ärzte missbraucht werden.

Dr. Johannes Steinhart
Vizepräs. der ÄK Wien,
Verhandlungsführer in den Honorarverhandlungen mit der WGKK

 

 

 „Den Ärzten den schwarzen Peter zuzuschieben ist unprofessionell!“

Die Vorwürfe des Hauptverbandes, wonach die Ärztekammern für Wien und Steiermark zu hohe Tarife für das neue Mammographie-Screening verlangten, sind für mich nicht nachvollziehbar. Eine Mammographie gehört zu den standardisierten Leistungen. Es ist daher unlogisch und unsachlich, Ärzten ein adäquates Honorar vorzuenthalten. Hier rächt sich einmal mehr die inhomogene Struktur der heimischen Kassenlandschaft. Gleichzeitig sind die Vorwürfe völlig haltlos.
Die Kollegen in den Bundesländern haben sich ins Zeug gelegt, enorme Vorleistungen erbracht, neue Geräte angeschafft, ihre technische Ausrüstung auf den neuesten Stand gebracht, das Personal geschult, sich selbst weitergebildet, kurz: Das ärztliche Engagement war und ist enorm. Dass in sieben von neun Bundesländern zufrieden stellende Verträge ausgehandelt werden konnten, ist ein deutliches Zeichen für die Wertschätzung, die diesem Engagement entgegengebracht wird. Den Ärzten nun überhöhte Forderungen vorzuwerfen und ihnen den schwarzen Peter für das Scheitern der Verhandlungen zuzuschieben, ist lächerlich und unprofessionell. Der uneingeschränkte Zugang zur Mammographie bleibt im Übrigen erhalten, selbst wenn sich der Start des Mammographie-Screenings aufgrund der unflexiblen Kassenchefs zweier Länder verzögern sollte: Mit einer Überweisung vom Hausarzt bzw. vom Gynäkologen können Frauen die Untersuchung wie bisher in Anspruch nehmen. Es gibt also keinen Grund für künstliche Panikmache und Kampfrhetorik.

Präs. Dr. Artur Wechselberger
Präsident der Österreichischen Ärztekammer

 

 

„Mammographie-Screening ja, doch nicht auf halber Strecke stehen bleiben!“

Die Weigerung der Ärztekammern Wien und Steiermark, den Start der Brustkrebs-Früherkennung zuzulassen, ist ein trauriger Beweis, dass Patientinnen für Standesinteressen in Geiselhaft genommen werden. Durch die Einführung des Screenings hätten österreichische Frauen nämlich endlich Zugang zu einer qualitätsgesicherten Mammographie. Bisher wurden jährlich hunderttausende Untersuchungen ohne verlässliche Qualitätssicherung vorgenommen. Mit den schlimmen Folgen falsch negativer Befunde bin ich immer wieder befasst.
Offenkundig braucht es das Screening-Programm, um die dringend notwendige Qualitätssicherung im niedergelassenen Bereich durchzusetzen. Außerdem ist zu begrüßen, dass es nun seriöse Information darüber geben soll, wann Mammographie Sinn macht. So können Frauen eine informierte Entscheidung treffen. Auch das Einladungsschreiben an Zielgruppen, die bislang nicht erreicht wurden, ist positiv zu sehen.
Leider muss das Vorhaben aber einen wichtigen Beweis seines Nutzens schuldig bleiben, weil die Krankenanstalten nicht in das Programm eingebunden werden. Damit fehlt eine durchgängige Dokumentation – mit gravierenden Folgen für die Behandlungsqualität.
Praxisbeispiel: Eine Frau hat einen verdächtigen/positiven Mammographie-Befund. Sie geht zur weiteren Abklärung ins Spital. Da dieses nicht in die Dokumentation eingebunden ist, kann im Rahmen des Programms nicht weiter verfolgt werden, wie es weitergeht. War der pathologische Befund richtig? Welche Behandlung ist notwendig? Ist sie erfolgreich? Lebt die Frau länger? All diese Fragen können nicht beantwortet werden. Screening ist kein Selbstzweck! Die Untersuchung von gesunden Frauen lässt sich ethisch und ökonomisch nur dadurch rechtfertigen, wenn der Beweis erbracht wird, dass durch das frühzeitige Erkennen von Brustkrebs die Frauen länger und besser leben. Zur Beantwortung dieser entscheidenden Fragen müssen die Spitäler dringend in alle Qualitätssicherungsmaßnahmen des Screenings, in eine durchgängige Dokumentation und eine regelmäßige Evaluierung eingebunden werden.
Statt für diese offenen Punkte Lösungen zu suchen, verhindert die Wiener Ärztekammer nun mutwillig den Start: Patientenombudsmann Bittner sollte also dringend seiner Aufgabe nachkommen, denn es ist nicht akzeptabel, dass die Frauen für das Gefeilsche der Kammer um den Gesamtvertrag büßen müssen!

Dr. Sigrid Pilz
Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft