„Ohne uns geht gar nichts!“

Die Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) hat in ihrer Jahreshauptversammlung Ende Februar einen neuen Präsidenten gewählt: Dr. Christoph Dachs übernimmt die Funktion von Dr. Reinhold Glehr, der diese in den vergangenen fünf Jahren ausgeübt hatte. Glehr wird als „Past President“ der ÖGAM weiterhin inhaltlich und strategisch zur Verfügung stehen.
Dachs ist seit vielen Jahren Allgemeinmediziner in Hallein-Rif. Was ist dem neuen ÖGAM-Präsidenten wichtig? „An vorderster Linie steht für mich, den Hausarzt in der Praxis durch verbesserte Rahmenbedingungen und eine bessere bzw. andere Honorierung zu stärken.“ Hinsichtlich des drohenden Ärztemangels meint er: „Wir wissen, dass sechs von zehn Studenten vorhaben, Österreich nach dem Studium zu verlassen, weil sie anderswo bessere Bedingungen vorfinden. Hier müssen wir bereits ansetzen – die universitäre Ausbildung muss attraktiver gestaltet werden, zum Beispiel durch Integration allgemeinmedizinischer Inhalte in den einzelnen Famulaturen und durch ein begleitendes Mentoring, durch Einladungen auf Kongresse etc. Junge Studenten müssen umworben und in Projekte eingebunden werden.“
Auch die Ausbildung nach dem Studium müsse verbessert werden – „die jungen Ärzte sollten durch das für alle verpflichtende Basisjahr nicht in andere Fachrichtungen abgesogen werden. Die anschließende klinische Ausbildungsinhalte sollen einen allgemeinmedizinischen Fokus haben.“
Dachs hat das innovative Salzburger Lehrpraxiskonzept („SIA“ – Salzburger Initiative Allgemeinmedizin) forciert, bei dem Turnusärzte in ein Mentoring-Programm eingebunden werden – einmal monatlich werden klinische Fälle besprochen, begleitend findet ein Seminar an der Paracelsus-Universität statt, in dessen Rahmen den Turnusärzten relevante Themen der Allgemeinmedizin in Theorie und Praxis nahe gebracht werden.
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Vorhaben ist die Stärkung der universitären Verankerung der Allgemeinmedizin, die in Wien bereits etabliert ist, in Salzburg von Professor Sönnichsen aufgebaut und von Frau Prof. Flamm weitergeführt wird, in Graz kürzlich mit Prof. Siebenhofer-Kroitzsch besetzt und in Innsbruck noch umkämpft ist. „Wir haben noch ein Problem der universitären Nachwuchsgenerierung.“

Schwerpunktthema Primary Health Care

Auf PHC angesprochen meint Dachs: „Hier möchten und müssen wir viel mitgestalten.“ Er hat bereits vor geraumer Zeit das Gesundheitsnetzwerk Tennengau initiiert, dafür „ist die Zeit jetzt reif! Durch zahlreiche Projekte verbessern wir laufend die Koordination und das Leistungsspektrum im Gesundheits- und Sozialbereich für die Menschen im Tennengau.“
Notwendig seien innovative Überlegungen in Richtung ärztlicher Zusammenarbeit, vor allem junge Kollegen und Kolleginnen müssen einbezogen werden.

Patientenströme – der Knackpunkt im Gesundheitssystem

„Wir müssen es schaffen, die Patientenströme zu lenken, sonst scheitern wir. Damit ist aber keine Einschränkung der freien Arztwahl verbunden, im Gegenteil, der Patient gewinnt.“ Die Wiedereinführung der Ambulanzgebühr wäre eine Möglichkeit oder dass die Patienten einen finanziellen Anreiz bekommen, auf der Ebene des Hausarztes einzusteigen – wie im Modell Baden-Württemberg, bei dem sich Patienten verpflichten, zuerst zum Hausarzt zu gehen. Die Kollegen verpflichten sich zu konsequenter Fortbildung und werden dafür gut honoriert. Durch erste Evaluierungen wissen wir, dass diese hausarztzentrierte Versorgung die Betreuung der Patienten verbessert sowie Spitalsaufenthalte, „Selbstzuweisungen“ und Arzneimittelkosten reduziert. Auch die Anzahl der Schenkelhalsfrakturen ging zurück, da die Patienten weniger Medikamenteninteraktionen hatten. Dachs: „Dieses Modell könnten wir parallel und für die Patienten und Ärzte freiwillig einführen.“ Zu den aktuellen Leistungskatalogen der Sozialversicherungen meint Dachs: „Ich schlage pauschalierte Systeme vor, da sie unser hausärztliche Tätigkeit mit Zuwendungsmedizin besser abbilden. Eine durchschnittliche Honorarsumme pro Patient pro Quartal sollte in etwa70–80 Euro betragen.
Zum Dauerbrennen ELGA hat Dachs eine etwas andere Einstellung als so manch anderer Kollege: „Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien. Eine 100-prozentige Sicherheit wird nicht möglich sein, aber es darf natürlich nicht sein, dass ein Dienstgeber in die Daten einsieht und sich daraus negative Folgen für einen Arbeitnehmer ergeben. Wenn es geschickt aufgesetzt wird, hat ELGA in meinen Augen einen ganz klaren Nutzen.“ Spitäler und Fachärzte müssten außerdem eine Befundpflicht hin zum Hausarzt haben – einen strukturierten Arztbrief mit Diagnose, Therapie und red flags.
Allgemein sollten auch rechtliche Probleme diskutiert werden, denn „die Absicherungsmedizin lähmt uns.“
Die unruhige Situation in den Spitälern hat mittlerweile Auswirkungen auf den niedergelassenen Bereich. „Das ist bereits spürbar, zum Beispiel bei der onkologischen Nachsorge – da heißt es: ,machen Sie das bitte beim Hausarzt, wir haben keine Kapazitäten“. Ganz subjektiv ortet Dachs ein größeres Interesse der Patienten, zum Hausarzt zu gehen. „Das ist eine große Chance, die wir nutzen müssen!“

 

  • Dr. Christoph Dachs ist gebürtiger Salzburger, verheiratet und hat drei Kinder
  • Schule in Salzburg, Studium in Innsbruck
  • Ausbildung in diversen Salzburger Spitälern
  • Seit 1990 niedergelassener Allgemeinmediziner in Hallein-Rif
  • Seit neun Jahren Präsident der Salzburger Gesellschaft fürAllgemeinmedizin (SAGAM)
  • Lehrpraxisreferent und Qualitätsreferent der SalzburgerÄrztekammer
  • Gründungsmitglied und langjähriger Vorstand im Gesundheitsnetzwerk Tennengau
  • Hobbies: Sport, Musik (Klarinette), Lesen