Ophthalmologie: Neuigkeiten, soweit das Auge reicht

Ärzte Krone: Herr Professor Radda, gleich zu Beginn ein Thema, das viele Menschen betrifft: Was können Sie empfehlen, um trockenen Augen infolge von Bildschirmarbeit vorzubeugen?

Th.-Michael Radda: Besonders wichtig ist es, regelmäßig Pausen einzulegen und nicht ständig in den Bildschirm zu blicken, den Kontrast des Bildschirms gut einzustellen und zwischendurch aktiv zu zwinkern, um den Tränenfilm aufzubauen. Auch hyaluronhaltige Augentropfen können angewendet werden, um der Trockenheit zu begegnen.
Weiters ist wichtig, den richtigen Sehbehelf zu verwenden. Für Menschen im Alter von über 50 Jahren ist eine Lesebrille meist zu stark für die Bildschirmarbeit. Das führt dazu, dass die Betroffenen zu nah am Bildschirm sitzen, rascher ermüden und durch die nach vorne gebeugte Kopfhaltung Nackenschmerzen bekommen. Sie benötigen eine eigens angepasste Bildschirmbrille. Besonders belastend ist die Bildschirmarbeit für Menschen mit latentem Schielen, da die Augen das Defizit zu dekompensieren versuchen und dadurch rascher ermüden.

Was tut sich in der Forschung in Österreich?

Österreich beteiligt sich an vielen Teilgebieten der ophthalmologischen Forschung. So befinden sich für die altersbedingte Makuladegeneration (AMD) derzeit Präparate in Erprobung, die auch bei trockener Makuladegeneration Hilfe bringen werden. Bisher mussten betroffene Patienten täglich Tabletten, die Lutein, Vitamine und Spurenelemente enthalten, einnehmen, um zu verhindern, dass die trockene in die feuchte AMD übergeht. Diese neuen, in Erprobung befindlichen Präparate verhindern direkt das Fortschreiten der trockenen Makulopathie.
Seit einigen Jahren gibt es Präparate, die das Fortschreiten der feuchten Netzhautverkalkung verhindern können. Diese Präparate müssen alle vier bis sechs Wochen in den Glaskörper injiziert werden. Auch hier wird geforscht, um die Zeitspanne zwischen den Injektionen zu verlängern.
Für die Behandlung der Katarakt laufen derzeit Studien zu Multifokallinsen, mit denen man sowohl in der Ferne als auch in der Nähe gut sieht. Der Nachteil der derzeit verwendeten Multifokallinsen ist, dass das Kontrastsehen an Qualität verliert. Hier bedarf es also noch weiterer Verbesserungen. Auch zum Ausgleich des Astigmatismus können Linsen eingesetzt werden.
Auf dem Gebiet des künstlichen Sehens wird, vor allem in den USA, aber auch in Deutschland, Forschung betrieben. Hier werden erblindeten Menschen Chips eingepflanzt, mit denen sie wieder sehen sollen. Diese Forschung steckt zwar noch in den Kinderschuhen, aber es gibt schon erste kleine Erfolge.
Derartige Chips wären auch eine große Chance für Patienten, die an der Retinopathia pigmentosa erkrankt sind. Diese nichtentzündliche hereditäre Retinopathie betrifft junge Menschen, bei denen der Sehnerv und die Leitfähigkeit zum Gehirn gesund sind und nur die Netzhaut langsam abstirbt.

Was gibt es Neues bei den Korrekturoperationen und für Kontaktlinsenträger?

Mit der refraktiven Chirurgie können Kurz- und Weitsichtigkeit sowie Astigmatismus behandelt werden. Ich war der erste Operateur in Österreich, der diese Methode mittels Excimer-Laser durchgeführt hat.
Die Geräte dazu werden immer präziser und besser. Da diese Operationsmethode seit nunmehr 25 Jahren angewendet wird, liegen bereits Langzeitergebnisse vor. Es gibt verschiedene Methoden – LASIK, LASEK, Epi-LASIK – die alle mit dem Excimer-Laser durchgeführt werden. Bei höherer Fehlsichtigkeit kann zusätzlich zur eigenen Linse noch eine künstliche Linse implantiert werden. Es gibt auch den Femto-Sekundenlaser, der den Schnitt bei der Lasik macht.
Natürlich werden die Kontaktlinsen in der Qualität und Geometrie immer besser. Es gibt die schon erwähnten Multifokallinsen, die, wenn der Patient nach unten schaut, nach oben rutschen, sodass durch den „Nahteil“ der Linse gelesen werden kann.
Auch die Orthokeratologie erlebt eine Renaissance. Die große, noch nicht endgültig geklärte Frage ist, ob durch das Anpassen von Kontaktlinsen bei Kindern das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit verhindert werden kann. Aus Australien gibt es Berichte, dass das tatsächlich funktionieren könnte. Man muss hier aber sehr vorsichtig vorgehen, denn durch schlecht angepasste Kontaktlinsen kann viel Schaden angerichtet werden, wie Hornhautnarben, Gefäßeinsprossungen etc. Daher rate ich auch dringend dazu, dass Patienten mit Kontaktlinsen einen Augenarzt aufsuchen und nicht lediglich beim Optiker die Kontaktlinsen anpassen lassen.

Welche Therapiemöglichkeiten und Zukunftsaspekte gibt es beim Glaukom?

Zum Glaukom laufen Studien zu Operationen, bei denen der Augapfel nicht eröffnet wird. Beim Glaukom ist entscheidend, dass es rechtzeitig erkannt wird – dann ist es gut behandelbar. Wenn Patienten allerdings nicht zur Vorsorgeuntersuchung kommen und ein Glaukom erst nach zehn Jahren entdeckt wird, kann das Auge bereits irreparabel geschädigt sein. In diesen Fällen kann zwar der Augendruck gesenkt werden, aber die Schädigung des Sehnervs ist nicht mehr rückgängig zu machen.
Beim Glaukom gibt es zwar eine Reihe neuer und guter Operationsmethoden, die herkömmliche fistulierende Glaukomoperation ist aber effizienter und senkt den Augendruck stärker. Die neuen, nicht penetrierenden Operationsmethoden sind allerdings weniger belastend.
Es gibt auch Substanzen für die fistulierende Operation, mit denen die Bindehaut vorbehandelt werden kann, damit die Wirkung der Operation viele Jahre erhalten bleibt. Hier wird die Sklera mit Mitomicin C oder 5-Fluoruracil behandelt. Dadurch kommt es nicht zur Vernarbung und das Kammerwasser kann für viele Jahre unter der Bindehaut abfließen.

Gibt es auch Neuigkeiten bei der Behandlung der Konjunktivitis?

Bei der Behandlung kommt es immer auf die Ursache der Konjunktivitis an. Diese können vielfältig sein. Die bakterielle Konjunktivitis wird mit Antibiotika behandelt; Konjunktivitis, die durch Sonnenexposition auftritt, muss mit befeuchtenden Salben und Tropfen behandelt werden. Eine Virusinfektion wird nur symptomatisch behandelt. Da man gegen Adenoviren keine wirksame Substanz hat, kann man den Schmerzen, dem Juckreiz und der Rötung nur symptomatisch entgegenwirken.
Die allergische Konjunktivitis muss heutzutage nicht mehr mit Cortisontropfen behandelt werden. Dies ist ein Vorteil, da Cortisontropfen bei einem Fünftel der Patienten zu einer Augendrucksteigerung führen können. Diese neue Generation der antiallergischen Tropfen hat eine mastzellstabilisierende Wirkung und müssen nur zweimal täglich gegeben werden.

Wie sieht es bei der diabetischen Retinopathie aus?

Wichtig ist, bei diesen Patienten von Anfang an den Blutzucker gut einzustellen. Dabei spielt die Bestimmung des HbA1c-Wertes eine wichtige Rolle. Bei Rauchern und Patienten mit arterieller Hypertonie kommt es früher zu einer Entwicklung der diabetischen Retinopathie.
Ist bei der diabetischen Retinopathie der Gelbe Fleck betroffen, spricht man von einer diabetischen Makulopathie.
Die diabetische Retinopathie wird seit vielen Jahren erfolgreich mit dem Laser behandelt. Seit einigen Jahren kann man bei Patienten mit diabetischer Retinopathie Anti-VEGF-Substanzen in den Glaskörper injizieren. Diese Injektionen sind besonders erfolgreich bei Patienten mit diabetischer Makulopathie. Durch die Injektion kann die Gefäßneubildung verhindert werden und die Patienten sehen wieder besser. In gewissen Fällen haben diese Injektionen die Lasertherapie abgelöst.

Und was ist der Stand bei der Katarakttherapie?

Wenn Patienten in der Ferne und Nähe gut sehen wollen, gibt es neben den Multifokallinsen auch das Konzept der „Monovision“. Dabei wird das „führende“ Auge bestimmt und für die Ferne eingestellt. Das andere Auge wird leicht kurzsichtig gemacht (für die Nähe). Damit kann der Patient ohne Brille z.B. Speisekarten bis ins hohe Alter lesen. Das ist also eine Alternative zur Multifokallinse, bei der die Patienten an Kontrastsehen verlieren und nicht so scharf sehen. Der Schnitt bei der Kataraktoperation wird auch immer kleiner. Musste früher ein 8 mm großer Schnitt gemacht werden, reichen heute 2,5 mm.

Was muss der praktische Arzt über Augenverletzungen wissen?

Wenn ein Patient mit rotem Auge in die Ordination kommt, dann liegt dem nicht immer eine banale Bindehautentzündung zugrunde, sondern es kann auch eine Herpes-simplex-Infektion vorliegen. Ohne genaue Untersuchung des vorderen Augenabschnitts sollten keine Cortisontropfen verordnet werden. Liegt nämlich eine Herpesinfektion vor, würde dies zwar zur Verbesserung des subjektiven Befindens, aber zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes führen. Im Extremfall kann es sogar zu einer Perforation der Hornhaut kommen.
Hornhautfremdkörper und subtarsale Fremdkörper kann der praktische Arzt selbst entfernen. Häufig sind diese Fremdkörper allerdings Eisen, und sie hinterlassen einen Rostring, der aus dem Auge gefräst werden muss. In dem Fall ist es besser, den Patienten zum Augenarzt zu überweisen.
Wichtig ist auch, dass Ärzte ihre Patienten mit Diabetes mellitus aktiv darauf ansprechen, dass sie ihre Kontrolltermine beim Augenarzt wahrnehmen.
Bei Hornhauterosionen muss das Auge verbunden werden, damit die Erosionen abheilen. Jedem Laien muss bewusst gemacht werden, dass bei Augenverätzungen sofort mit Leitungswasser gespült werden muss, und das lieber zu lange als zu kurz.
Wenn ein Patient, der unter Kopfschmerzen leidet und Erbrechen muss, zum praktischen Arzt gebracht wird, sollte man auch an einen akuten Glaukomanfall denken. In so einem Fall erhöht sich der Augendruck auf 40–50 mm Hg. Die intravenöse Gabe eines Carboanhydrasehemmers (Diamox) ist als Sofortmaßnahme indiziert.

Gibt es abschließend noch Hinweise, worauf besonders geachtet werden soll?

Es wäre wichtig, bei Patienten ab 40 Jahren den Augendruck zu messen. Damit kann ein Glaukom rechtzeitig erkannt werden. Ältere Menschen können einen Selbsttest machen, indem sie sich ein Auge zuhalten und die Sehfunktion des offenen Auges überprüfen. Dazu gibt es für Patienten mit AMD den AMSLER-Test, der aus zueinander senkrecht stehenden Linien besteht. Erscheinen die Linien verzogen, liegt eine Netzhautverkalkung vor.
Kurzsichtige Menschen, die plötzlich Lichtblitze sehen, müssen sofort zum Augenarzt, da sie einen Riss in der Netzhaut haben könnten, wodurch es zu einer Netzhautablösung kommen kann.
Und punkto Prävention von Augenverletzungen ist es wichtig, bei gefährlichen Tätigkeiten immer Schutzbrillen zu tragen. Zu diesen Arbeiten zählen Holzhacken, jede Art von Bohrarbeiten, Schweißen, Löten, Fräsen, Hantieren mit ätzenden Flüssigkeiten etc. Auch verschiedene Ballsportarten können gefährlich sein – je kleiner der Ball, desto mehr Risiko, wie z.B. Tennis, Squash und Golf. Auch beim Öffnen von Sektflaschen ist Vorsicht geboten. Das Raketenschießen zu Silvester beinhaltet ebenfalls großes Gefahrenpotenzial.

 

Danke für das Gespräch!

 

Wichtiges Wissen für den niedergelassenen Arzt:

Der Grüne Star ist trotz moderner Behandlungsmethoden noch immer eine sehr gefährliche Augenerkrankung. Das Problem besteht darin, dass diese Erkrankung am Beginn keine Symptome verursacht und bei Auftreten von Symptomen bereits weit fortgeschritten ist. Daher kommt der Vorsorgeuntersuchung beim Augenfacharzt große Bedeutung zu. Es wurden beim Kongress neue nicht penetrierende (den Augapfel nicht eröffnende) Operationsmethoden vorgestellt. Der Computergesichtsfelduntersuchung kommt zur Verlaufskontrolle der Erkrankung große Bedeutung zu.

Tipps für das Patientengespräch

Fall 1: Ein 60-jähriger Patient, der seit vier Jahren an Diabetes mellitus leidet, war vor einem Monat bei einer Augenuntersuchung, bei der keine Netzhautveränderungen festgestellt wurden. Auch der Augendruck war normal. Er fragt nun, wann er wieder zum Augenarzt gehen muss.

Bei Patienten, die noch keine Netzhautveränderungen haben, reicht eine einmal jährliche Kontrolle beim Augenarzt.

Fall 2: Ein 63-jähriger Patient mit Grauem Star ist auf dem rechten Auge 3 Dioptrien und am linken 4 Dioptrien weitsichtig. Da er seine Kontaktlinsen immer schlechter verträgt, fragt er, ob eine Laseroperation für ihn in Frage käme.

In einem derartigen Fall ist eine Linsenoperation sinnvoller. Dabei werden die eigen Augenlinsen durch Kunststofflinsen ersetzt, und die Linsenstärke wird so berechnet, dass beide Augen normalsichtig sind. Alternativ könnte man auch das „nicht-führende“ Auge auf leichte Kurz­sichtigkeit einstellen. Dies hätte den Vorteil, dass der Patient in Ferne und Nähe gut sieht.

 

Univ.-Prof. Dr. Th.-Michael Radda

 

 

Unbenannt Qualitätsgesicherte Patienteninformation aus der Ordinationssoftware (dzt. exklusiv für innomed-Kunden) zum Thema Konjunktivitis und AMD: Als Download auch unter www.patientinform.at verfügbar