Prinzipien der ambulanten pneumologischen Rehabilitation

Warum?

In der Reha haben wir Zeit! Wir begleiten die Patienten mit einem großen interdisziplinären Team und setzen uns gemeinsam Ziele, die es wert sind, erreicht zu werden. Dieses Ziel darf nicht das des Arztes sein! Jeder Patient muss sein individuelles Ziel definieren, das kann eine Bergtour beim jungen Asthmatiker sein, die er sich aufgrund seiner Atemnot nicht mehr zutraut. Dies kann das Spielen mit den Enkeln beim älteren chronisch kranken Lungenpatienten sein.
Wir haben in Österreich die einzigartige Ausgangssituation, dass pneumologische Patienten sowohl ambulant als auch stationär rehabilitiert werden können! Die Effekte der pneumologischen Rehabilitation sind bedeutsam und klinisch relevant und sind anhand von zahlreichen randomisierten Studien und Metaanalysen auf höchstem Evidenzgrad gesichert (siehe Tab. 1).

 

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Verbesserung der Mortalität: Die Rehabilitation als individualisierte ganzheitliche Therapie kann Exazerbationen reduzieren, die Anzahl der Wiederaufnahmen ins Krankenhaus senken und somit einen Einfluss auf das Überleben des Patienten haben.
Wir führen die ambulante pneumologische Rehabilitation nun seit 2012 an hunderten Patienten durch, und noch nie kam es zu einem Zwischenfall! Im Gegensatz dazu mussten schon Patienten mit dem Notarzt aufgrund von myokardialen Beschwerden vom Fitnesscenter ins Akutspital gebracht werden. Bei uns sind alle Patienten permanent herzfrequenzmonitiert, auch die Oxygenierung wird mittels Pulsoxymetern überwacht und der Blutdruck bei bekannter Hypertonie regelmäßig gemessen.

Wer?

Neben der COPD hat sich in den letzten Jahren ein breites Spektrum an Indikationen etabliert (siehe Tab. 2).

 

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COPD – welcher Schweregrad, welches Alter? Ein therapeutischer Effekt ist bei Patienten aller Schweregrade und auch im hohen Lebensalter belegt. Deshalb hat sich in allen Guidelines die Empfehlung einer pneumologischen Rehabilitation ab dem Stadium GOLD II bzw. Risikogruppe B durchgesetzt. Gesetzlich ist diese Therapie sowohl für Erwerbstätige wie auch für Nichterwerbstätige oder Pensionisten durch die Sozialversicherungsträger gewährleistet.

Andere pneumologische Erkrankungen – wer nicht? Neben der COPD gibt es mittlerweile ausreichende Evidenz für Patienten mit Asthma bronchiale, chronischer Bronchitis, Emphysem und Bronchiektasien. Dies betrifft zum Teil sehr junge Patienten, wie dies auch bei der Mukoviszidose der Fall ist. Rezente Studien zeigen Effekte bei interstitiellen Lungenerkrankungen und pulmonaler Hypertonie. Hinzu kommen prä- und postoperative Patienten und Patienten mit malignen Erkrankungen. Die onkologische Rehabilitation ist neu und zeigt sowohl im palliativen wie auch im kurativen Ansatz nach Operation erstaunliche Erfolge.
Es hat sich also ein breites Spektrum an Erkrankungen, vom jungen Asthmatiker bis zum Patienten mit LTOT, der auf der Transplantationsliste steht, als Indikation Herauskristallisiert.

Wann/Wie lange?

Die ambulante pneumologische Rehabilitation dauert zunächst sechs Wochen. Im Anschluss kann eine Verlängerung über sechs bis zwölf Monate von den Versicherungsträgern gewährleistet werden.
Dies gilt für alle Patienten mit Lungenerkrankungen, die trotz medikamentöser Therapie an Atemnot leiden. Das Ziel ist beim Erwerbstätigen die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit. Da die Patienten wie in einem Fitnesscenter ambulant für wenige Stunden zu uns kommen ist eine arbeitsbegleitende Rehabilitation jederzeit möglich. Man sollte nicht auf die Exazerbation warten sondern frühzeitig an präventive/rehabilitative Maßnahmen denken!

Wie?

Prinzipiell kann jeder trainieren! Der Nihilismus ist in den letzten Jahren gewichen und es gibt die Evidenz, dass bereits auf der Intensivstation mit Rehabilitation begonnen werden muss, damit es dem Patienten langfristig besser geht.
Primäres Ziel von uns ist, die Leistungsfähigkeit unserer Patienten zu steigern – dies gelingt mithilfe eines großen interdisziplinären Teams. Dieses unter pneumologischer ärztlicher Leitung stehende Team kann neben der medizinischen Trainingstherapie auch inspiratorisches Atemmuskeltraining, Bewegungs- und Koordinationsübungen, strukturierte Schulungen, Tabakentwöhnung, Physiotherapie, psychologische und Ernährungsberatung sowie sozialmedizinische Betreuung durchführen.
In der Eingangsuntersuchung, die ungefähr 1,5 Stunden dauert, erfolgen ausführliche Anamnese, Status, Erhebung von Vorbefunden, eine Lungenfunktion, EKG, Blutdruck und Spiro-/Ergometrie mit Pulsoxymetrie oder Blutgasanalyse. Wir benötigen von allen Patienten mit pneumologischen Erkrankungen auch eine Echokardiografie zur Beurteilung der Links- und Rechtsventrikelfunktion, der diastolischen Relaxation, der Klappenmorphologie und -kinetik sowie die Beurteilung einer Rechtsherzbelastung oder eines Perikardergusses. Weiters sind krankheitsspezifische Scores (CAT, ACT, Fagerström, MMRC, BODE, NYHA, …) für die Einschätzung des Ausgangsstatus wie auch als Verlaufs- und Qualitätskontrolle von großer Bedeutung. Anhand dieser aufwändigen Eingangsuntersuchung wird ein Trainingsprogramm erstellt, welches herzfrequenz- oder watt-gesteuert wird. Für das Ausdauertraining können dann sowohl die Trainingswatt als auch die Trainingsherzfrequenz angegeben werden. Weiters dienen 6-Minuten-Gehtest, Submaximaltests, Beurteilung der Kraft der oberen und unteren Extremitäten sowie die inspiratorische Atemmuskelkraft als Ausgangs- und Endpunkte.
Dies ist deshalb von Bedeutung, da mit dem Patienten eine Zieldefinition vereinbart werden sollte. Daran erkennt der Patient am besten, welche Leistungssteigerung die pneumologische Rehabilitation bei ihm bewirkt hat.

1. Medizinische Trainingstherapie

Die wichtigsten Trainingsinhalte sind Ausdauer, Kraft, Koordination und Beweglichkeit.

Ausdauer

Die Häufigkeit ist im ambulanten Setting zwei- bis dreimal/Woche supervidiert, der Patient sollte ein bis zwei Einheiten/Woche eigenständig durchführen.
Die Dauer des Ausdauertrainings sollte einer Nettotrainingszeit von 20–30 Minuten pro Einheit entsprechen und kann dann bei Leistungszuwachs auf 45–60 Minuten ausgedehnt werden.
Unter den Steuerungsmechanismen des Trainings hat die Intensität einen besonderen Stellenwert. Bereits niedrig intensives Training (50–60% der maximal geleisteten Watt – Wmax) verbessert bei Patienten mit COPD Dyspnoe und Lebensqualität. Durch höhere Intensitäten (70–85% Wmax) können größere physiologische Effekte erzielt werden. Als weitere Hilfe zur Trainingssteuerung dient die BORG- Skala.
Neue Studien konnten zeigen, dass ein Intervalltraining (30 Sekunden Belastung bei 80–100%/ 30 Sekunden Pause) über 15–20 Minuten bei Patienten mit hochgradiger COPD, Patienten vor der Lungentransplantation oder Patienten mit pulmonaler Hypertonie möglich ist und deutliche Effekte zeigt.
Sauerstoffgabe ist dann indiziert, wenn die Sättigung bei Belastung nicht über 90% zu halten ist.

Kraft

Viele unserer Lungenpatienten profitieren speziell vom Krafttraining. Hier scheint die Dyspnoe eine untergeordnete Rolle zu spielen, wichtig ist die genaue Einschulung der Atemtechnik durch unsere Therapeuten!
In der Praxis hat sich bewährt, die Ausbelastung nach acht bis zwölf Wiederholungen als Ziel zu nehmen. Dies entspricht einem Satz. Es sollte zwei- bis dreimal/Woche trainiert werden, zu Beginn bei Leistungsschwachen oder Patienten mit Dyspnoe ein Satz pro Muskelgruppe. In Form eines Zirkeltrainings (vier bis acht Muskelgruppen trainiert werden. Kann der Patient das Krafttraining ohne deutliche muskuläre Ermüdung bewältigen, so sollte die Intensität erhöht werden. Ziel ist es, eine Steigerung von einem Satz pro Muskelgruppe pro Woche zu erreichen.

2. Inspiratorisches Atemmuskeltraining

Inspiratorisches Atemmuskeltraining hat in Österreich dank der Arbeitsgruppe um Wanke und Kollegen lange Tradition und konnte signifikante Effekte bei verschiedenen pneumologischen Erkrankungen nachweisen. Es kommt zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit in Form des Sechs-Minuten-Gehtests, der inspiratorischen Maximal-kraft und Kraftausdauer, zu einer Reduktion der Dyspnoe in Ruhe und bei Belastung sowie zu einer Verbesserung der Lebensqualität. Dies ermöglicht in der Praxis Patienten, die bisher nicht in der Lage waren, einen adäquaten inspiratorischen Fluss zu generieren, die Umstellung der Therapie!

3. Patientenschulung

Ein strukturiertes Schulungsprogramm macht den Patienten zu einem gleichberechtigten Partner im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation. Ziele sind, die Kenntnis der Erkrankung und der medikamentösen und nichtmedikamentösen Therapie zu vertiefen. Dabei sind einerseits Wirkung und Nebenwirkungen von Bedeutung, besonderes Augenmerk wird aber auf die richtige Inhalationstechnik gelegt. Weiters sollte interdisziplinär das Verhalten bei Notfällen vertieft werden. Hier sind medizinische, physiotherapeutische und psychologische Interventionen wirksam.

4. Tabakentwöhnung

Tabakrauchen ist der wichtigste Risikofaktor für chronische Bronchitis, COPD, Emphysem und maligne Lungenerkrankungen. Im Rahmen der pneumologischen Rehabilitation hat die Tabakentwöhnung daher einen besonders hohen Stellenwert. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass die Gruppendynamik während der Rehabilitation hier eine entscheidende Rolle spielen kann.

5. Physiotherapie

Physiotherapie ist ein weiterer Pfeiler der pneumologischen Rehabilitation. Ziele sind neben der Kräftigung der Atemmuskulatur eine Reduktion der Überblähung, Steigerung der Thoraxbeweglichkeit und Sekretmobilisation. Dies erfolgt in Form strukturierter Schulungen, durch Erlernen von Techniken wie Lippenbremse etc., atemerleichternder Stellungen (Kutschersitz etc.) und spezieller Atemtechniken wie auch durch Anwendung von PEP-Systemen. Dies ist nicht nur für den Patienten in Ruhe, sondern vor allem bei Belastung, zunehmender Dyspnoe und im Notfall von Bedeutung.

6. Psychologie

Psychologische Interventionen sind Kerninhalte pneumologischer Rehabilitation. Neben der Beherrschung von Notfällen und der Rolle der psychologischen Betreuung im Rahmen der Tabakentwöhnung haben sich neue Felder bei chronischen Erkrankungen geöffnet. Wir wissen um die Häufung von Angst und Depression bei Patienten mit Lungenerkrankungen. Hier kann die Angst vor dem akuten Anfall im Vordergrund stehen oder die Isolation und Deprssion beim chronisch Kranken. „Diesen Teufelskreis habe ich durchbrochen“, teilte uns eine Patientin mit.

7. Ernährungsberatung

Bei pneumologischen Erkrankungen ist Malnutrition ein signifikanter prognostischer Faktor. Bei Patienten mit COPD hat ein BMI unter 21 eine prognostische Relevanz, daher ist eine entsprechende Ernährungstherapie zusammen mit körperlichem Training derart wirksam. Hier ist hochkalorische, eiweißreiche Nahrung wirksam. Ebenso gibt es diverse Phänotypen („Blue Bloater“) oder Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe, bei denen eine Gewichtsreduktion von prognostischem Vorteil sein könnte.

Wo? Ambulant/Stationär?

Beides hat Vorteile, der stationäre Aufenthalt kann innerhalb kurzer Zeit neben den oben genannten Effekten zu einer Lebensstilmodifikation des Patienten führen. Die ambulante Rehabilitation hat den Vorteil, dass sie wohnortnah, familienfreundlich und neben der Arbeit durchgeführt werden kann. Es kann auch beides erfolgen, indem man den Patienten zunächst einer stationären Rehabilitation zuweist und daran eine ambulante Phase anschließt (siehe Tab 3.). So kann für jeden Patienten die bestmögliche Therapie gewährleistet werden.

 

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Fazit

Ambulante Pneumologische Rehabilitation ist eine hochkomplexe, individualisierte, evidenzbasierte Therapie, die in der Lage ist, die körperliche Leistungsfähigkeit, die Lebensqualität und die Prognose der Patienten maßgeblich zu beeinflussen. Eine Kombination aus optimaler medikamentöser Therapie und präventiven/rehabilitativen Maßnahmen kommt dem Ideal einer ganzheitlichen Therapie sehr nahe.