Prostatabeschwerden pflanzlich therapieren

Pflanzliche Arzneimittel können bei imperativem Harndrang, Pollakisurie, Nykturie, Schmerzen im Unterbauch (Lower Urinary Tract Symptoms, LUTS), Symptomen bei Reizblase, aber auch bei irritativen oder obstruktiven Prostataerkrankungen, die multifaktoriell bedingt sein können und über deren Ursachen und Genese vielfach zu wenig bekannt ist, angewendet werden. Mit Erfolg kann man hier nebenwirkungsarme Phytopharmaka einsetzen, auch wenn über deren Wirkstoffe und Wirkmechanismen noch wenig ausgesagt werden kann. Einige Beispiele sind im Folgenden angeführt.

Granatapfelextrakte: In den letzten Jahren wurden verschiedene Granatapfelfraktionen im Tierversuch, in vitro an unterschiedlichen Prostata-(Krebs-)Zelllinien sowie bei Studien an Krebspatienten untersucht. Die bisher publizierten Ergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis lassen Granatapfelprodukte sehr interessant erscheinen, weitere Studien sind abzuwarten.

Kürbissamen: Die Samen von Cucurbita pepo wurden ebenso wie das daraus hergestellte Kürbiskernöl und Trockenextrakte vom Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Herbal Medicinal Products Committee, HMPC) der EMA (European Medicines Agency) in einer Monografie als Traditionelle pflanzliche Arzneimittel empfohlen. Als Indikationen werden Lower Urinary Tract Symptoms (LUTS), benigne Prostatahyperplasie (BPH) und Reizblase angeführt. Die Dosierungen lauten: 2,5–7,5 g Samen (etwa 1 bis 2 EL) 2-mal täglich, Öl: 1–1,2 g 3-mal täglich, Trockenextrakt: 105 mg 3-mal täglich. Darin spiegeln sich lange Erfahrung und die Ergebnisse von Studien wider, die Erfolge bei guter Verträglichkeit und Compliance, auch bei Dauergebrauch von Kürbissamen, belegen. Ebenfalls gute Behandlungserfolge sind bei Harnwegsinfektionen, Miktionsbeschwerden bei benigner Prostatavergrößerung, Stressinkontinenz bei postmenopausalen Frauen, Nykturie und Algurie beschrieben.

Goldrutenkraut: Virgaureae herba (Echtes Goldrutenkraut von Solidago virgaurea), ähnlich Solidaginis herba (von S. canadensis und S. gigantea), werden nicht nur in Teemischungen als Aquaretika verschrieben. Für das Echte Goldrutenkraut liegen gute Erfahrungen und eine Studie mit Trockenextrakt vor, die Besserung von dysurischen Beschwerden, besonders der Tenesmen bei Reizblase, belegen. Solidago virgaurea als Arzneidroge sowie Extrakte daraus werden in einer HMPC-Monografie als Traditionelle Arzneimittel zur Erhöhung der Harnmenge unterstützend bei leichten Harnwegsbeschwerden empfohlen.

Sägepalmenfrüchte, Brennnesselwurzel: Extrakte aus den Früchten der Sägepalme (Serenoa repens = Sabal serrulata) und aus den Rhizomen und Wurzeln der Brennnessel (Urtica dioica) zeigen als Monopräparate, besonders aber auch in Kombination gute Wirksamkeit bei BPH. Gegenüber Standardtherapeutika konnte in vielen Studien eine vergleichbare Wirksamkeit betreffend International Prostate Symptom Score (IPPS) und maximalem Harnfluss (Qmax) ohne Wirkung auf PSA oder Volumen, bei zum Teil deutlich geringeren Nebenwirkungen, vor allem im sexuellen Bereich, belegt werden. Auch verschiedenen urologischen Leitlinien zufolge stellt daher die Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS) mit diesen Phytopharmaka bei geringen bis mäßigen Beschwerden ohne Obstruktion und Progressionsparameter eine günstige Behandlungsmöglichkeit dar. Dem Nachteil eines verzögerten Wirkungseintrittes steht der Vorzug geringer bis fehlender unerwünschter Wirkungen gegenüber, was im Allgemeinen zu einer hohen Akzeptanz und guter Compliance beim Patienten führt. In HMPC-Monografien wird Sägepalmenextrakten der Status „well established use“ („allgemeine medizinische Verwendung“) und Traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur symptomatischen Behandlung von BPH zuerkannt. Brennnesselwurzel/rhizom und Extrakte daraus werden als Traditionelles pflanzliches Arzneimittel zur Behandlung von LUTS in Verbindung mit BPH beschrieben.

Phytosterole: Als Hauptphytosterolquelle dienen heute meist Nadelhölzer oder Sojasamen. Phytosterolextrakte wurden in zwei Studien über einen Zeitraum von sechs Monaten placebokontrolliert getestet. Der IPSS verbesserte sich bei einer Dosis von 3-mal 20 mg β-Sitosterin täglich um 7,4 Punkte unter Verum und nur um 2,3 Punkte bei Einnahme des Placebos. Der Qmax verbesserte sich gegenüber Placebo um 4 ml/s. In der zweiten Studie wurden 3-mal 65 mg täglich einem Placebo gegenübergestellt. Das Phytopräparat war dabei dem Placebo signifikant überlegen: Der IPSS verbesserte sich um 8,2 Punkte versus 2,8 Punkte, die absolute Qmax-Verbesserung betrug 8,8 ml/s mit β-Sitosterin und 4,4 ml/s mit Placebo. Da die Ergebnisse der beiden Studien nicht in einer weiteren Studie bestätigt wurden, bedarf es vor abschließenden Empfehlungen weiterer Überprüfungen.

Weidenröschen: Die aus der Volksmedizin bekannte Anwendung der Teedroge Weidenröschenkraut (Epilobii herba) hat durch Auffindung wirksamer Inhaltsstoffe eine gewisse Erklärung gefunden: Flavonoide (Myricetinglucuronid) wirken hemmend auf die Prostaglandinsynthetase, Oenotheine hemmen Aromatase und 5α-Reduktase. In der HMPC-Monografie aus 2015 wird die Teedroge Epilobii herba als Traditionelles pflanzliches Arzneimittel bei LUTS in Verbindung mit BPH empfohlen.

Fazit

Es steht eine Reihe pflanzlicher Präparate – seien es einfache Teedrogen und Teegemische, Fertigtees, Arzneispezialitäten oder andere Produkte – zur Verfügung, die alleine oder adjuvant zur Behandlung und Prophylaxe sinnvoll eingesetzt werden können. Alte Erfahrung findet vielfach durch Arbeiten zu Wirkstoffen und Wirkmechanismen sowie durch klinische Studien ihre wissenschaftliche Erklärung und Bestätigung.

 

Update SPECTRUM Urologie 1/2014
Zusätzliche Quelle: Akademie der Deutschen Urologen: S2e-Leitlinie „Benignes Prostatasyndrom (BPS), Therapie“