Qualität zählt bei Österreichs Ärzten

Es ist vollbracht. 2006 (Verordnung der Ärztekammer mit Genehmigung durch die damalige Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat [V] zum 12. Jänner jenen Jahres) wurde die österreichische Ärzteschaft erstmals zu einer Evaluierung der Ordinationen im Rahmen der Qualitätssicherung verpflichtet. Bis Ende 2008 wurden alle Arztordinationen einmal evaluiert; danach wurden alle neu eröffneten Ordinationen der Evaluierungsprozedere unterzogen. Die Endabrechnung spricht eine deutliche Sprache: Mit einer gewissen „Flurbereinigung“ ist sozusagen „alles clean“ – Probleme sind nur in manchen Bereichen erkennbar. Die Ärzte Krone mit den Details.
Die weitere Geschichte: 2012 trat eine neue Version der Qualitätssicherungsverordnung in Kraft. Seither werden alle Ordinationen nach den neuen Kriterien geprüft. Der Evaluierungsprozess ist mehrstufig. Zunächst kommt die Selbstevaluierung (online oder per Papier).
Wenn ein Qualitätskriterium nicht erfüllt wird, erhält der Arzt einen Mängelbehebungsauftrag, in dem er aufgefordert wird, den Mangel in seiner Ordination zu beheben und die Behebung nachzuweisen. Ordinationen, die mehrere Mängel aufweisen, werden von einem Auditor vor Ort überprüft. Darüber hinaus wählt ein elektronischer Zufallsgenerator weitere Ordinationen aus, die ebenfalls besucht werden.

Geplante Qualitätssicherung

Bei allen diesen Aktivitäten handelt es sich um ein unerhört aufwendiges, von den österreichischen Ärzten selbst bezahltes Verfahren. Die nächste Staffel läuft schon. Dr. Esther Thaler von der ÖQMed: „Seit Oktober 2012 werden die Ärzte in Niederösterreich und Vorarlberg evaluiert, seit 10. April 2013 folgen die Ordinationen in Salzburg und der Steiermark. Im ersten Quartal 2014 werden die Ordinationen in Tirol, Kärnten und dem Burgenland mit der Evaluierung beginnen, ein Jahr darauf die Wiener und oberösterreichischen Kollegen.“
Die bedeutendsten Änderungen im Evaluierungsprozess im Vergleich zur anfänglichen Verordnung aus dem Jahr 2006:

  • Sobald die ÖQMed einem Ordinationsführenden einen Mängelbehebungsauftrag ausstellt, ist sie verpflichtet, dies auch seinen Kassenvertragspartnern mitzuteilen. Thaler: „Dieser Umstand führt dazu, dass die meisten Ärzte in ihren Ordinationen interne ‚Vorevaluierungen‘ durchführen, im Zuge derer sie die Mängel beheben und somit mangelfrei durch die externe Evaluierung gehen.“
  • Im ersten „Durchlauf“ wurden 4,17% der Ordinationen vom elektronischen Zufallsgenerator zur Vor-Ort-Überprüfung ausgewählt, beim aktuellen Durchgang der Evaluierung sind es 6,7%.
  • Weniger „Mahnstufen“: Mussten im ersten Evaluierungszyklus die Ärzte bis zu vier Mal gemahnt werden, um der Aufforderung zur Selbstevaluierung nachzukommen, ist gemäß der neuen QS-VO nur noch eine einmalige Mahnung unter Setzung einer Nachfrist vorgesehen. Verstreicht die Nachfrist ungenutzt, wird ein Vor-Ort-Besuch angekündigt und durchgeführt.
  • Auch der Katalog der Kriterien wurde erhöht: Suchtmittelgebarung, die Arbeitsplatzsicherheit für Mitarbeiter sowie der Brandschutz können jetzt mitabgefragt werden. Außerdem besteht explizite Dokumentationspflicht für gewisse qualitätsrelevante Aspekte: z.B. ein schriftlicher Hygieneplan, ein Notfallplan, die nachweisliche Übertragung der ärztlichen Verschwiegenheit auf Mitarbeiter und Auftragnehmer sowie die Dokumentation von Fehlern
  • Ein Fortbildungsdiplom oder der Nachweis über Fortbildung im Umfang des Diploms sind ebenfalls vorzuweisen.

Mittlerweile sind bereits wieder 3.704 Ordinationen erneut zertifiziert worden. Fünf ordinationsführende Ärzte wurden wurden in diesem Durchlauf beim Disziplinaranwalt der ÖÄK angezeigt.

„Mängel“, bitte suchen …

Doch zurück zu dem ersten umfassenden Bericht, welcher der Ärzte Krone vorliegt. Die klarste Aussage des Abschlussberichtes für den ersten Durchgang der Evaluierungen: auch nur irgendein Mangel wurde in den fast 21.000 Ordinationen nur bei 7,6% der Praxen festgestellt (s. Abb.).

 

 

„Es ist ganz anders, als das medial von einigen immer wieder behauptet und betrieben wird. Es gibt im Querschnitt wenige Mängel. Diese Mängel sind im Grunde nicht von großer Bedeutung. Dauerhaft sind sie auch nicht. Sie werden von den Kollegen bei Bekanntwerden auch sehr schnell behoben“, sagte Dr. Otto Pjeta, Referent für Qualitätssicherung der Österreichischen Ärztekammer und ehemals federführender Initiator des Systems, gegenüber der Ärzte Krone. Man hätte es auch schon beim ersten Durchgang der Evaluation der Ordinationen geschafft, den Kollegen zu vermitteln, dass sie im Zweifelsfall damit auch Verbesserungspotenziale heben und nutzen können.

Wenig skandalträchtig

Auch wenn ein „Sprecher“ der von den jeweiligen Bundesländern eingesetzten „Patientenanwälte“ – von den Patienten gewählt sind sie nicht – immer wieder meint, „Skandale“ zu riechen, die sind ausgesprochen gering. Jedenfalls, so die ÖQMed: „19 Ärzte wurden beim Durchgang von 2006 beim Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer von der ÖQMed angezeigt. Gründe für eine solche Maßnahme waren und sind entweder die Verweigerung der Selbstevaluierung, die Verweigerung der Behebung eines Mangels oder die Verweigerung des Überprüfungsbesuches. Werde von der standesinternen Qualitätsevaluierung vermutet, dass „bei einer Ordination Gefahr in Verzug vorliegt, wird dies ebenfalls dem Disziplinaranwalt angezeigt“, so der Qualitätsbericht.

„Flurbereinigung“

Natürlich gab es im Rahmen des Prozesses auch – anfänglich – eine Art „Flurbereinigung“. Nicht alle Ärzte wollten sich, zum Teil in Nähe zur Pension, dem Prozess noch unterziehen. Für andere war die Ordination nicht entsprechend Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit, um den Aufwand zu gewährleisten.

Fazit: 1.809 Ordinationen wurden der ÖQMed von den Ärzte-Landeskammern als zur Evaluierung anstehend gemeldet, jedoch von den Betreibern geschlossen, bevor die Evaluierung beendet wurde. Niemand ist als Freiberufler jedenfalls verpflichtet, den Grund für die von sich aus beschlossene Stilllegung einer Ordination zu nennen. Das waren rund 1.500. 220 Ordinationen verlegten ihren Standort, 55 Ärzte waren in Pension gegangen, 25 Ärzte verstarben.

Ordinationseinrichtung, Ausstattung

Nimmt man sich die reine Statistik her, dann standen die medizinische Ausstattung und die Ordinationseinrichtung, dann die Kennzeichnung der Ordination, Patientenversorgung, Räumlichkeiten und Erreichbarkeit im Vordergrund der berichteten Mängel. Hygiene, medizinisches Verbrauchsmaterial und ärztliche Qualifikation/Fortbildungsaktivitäten fanden sich ganz unten in der zahlenmäßigen Liste. Das geht auch durch alle Fachbereiche – in der Allgemeinmedizin nicht anders als in der Internen Medizin etc.
Wenn Kritiker meinen, die österreichische Ärzteschaft „kontrolliert sich via Fragebogen selbst“, so stimmt das keinesfalls. Insgesamt wurden 1.234 Ordinationen direkt von Evaluatoren besucht. Das sollte ja auch die Möglichkeit bieten, bei vermuteten Mängeln zu Verbesserungsvorschlägen zu kommen bzw. über das randomisierte Strichprobensystem einfach zu sehen, ob denn das aus der Selbstevaluierung stammende Bild der Realität entspricht. Fazit: Man fand kaum „Ausreißer“.

„Das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“

Was die ÖQMed-Proponenten mittlerweile besonders beeindruckt: Die Informationstätigkeit über die nächste und derzeit schon laufende Evalutionswelle (2012–2016) führte bereits zu von den Ärzten vorweg getätigten Verbesserungen. Mittlerweile führen nicht behobene Mängel automatisch auch zu einer Meldung an die Sozialversicherung.
Aber „man darf das Augenmaß nicht verlieren“, heißt es bei der Österreichischen Ärztekammer. Immerhin hat man es als Arzt ja mit einem starren System aus Leistungspositionen, Verpflichtung zur Erbringung bestimmter Leistungen und strengstens geregelter Honorierung inklusive Deckelungen zu tun. Ein Überwälzen von Kosten durch vermehrte Auflagen auf den „Kunden“ geht nicht. Wie heißt es doch bei der sozialen Krankenversicherung: Die Versorgung (auf Kassenkosten) darf „das Maß des Notwendigen nicht übersteigen“. Das „Maß“ der Kosten verursachenden Auflagen aber auch nicht …

 

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