Rehabilitation und Kur – einmal ist nicht genug

„Mich stört die Diskussion überhaupt nicht, im Gegenteil. Der Punkt ist, dass wir anhaltend etwas im Leben unserer Patienten bewegen sollten“, sagte Prim. Dr. Claudia Francesconi, seit Kurzem Ärztliche Leiterin des Rehabilitationszentrums Alland der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) im Gespräch mit der Ärzte Krone.

Die aktuelle Entwicklung

Vor einigen Wochen brachte Mag. Peter McDonald, Vorsitzender des Verbandsvorstandes im Hauptverband, die von der Sozialversicherung bezahlten Kuraufenthalte in die Diskussion. Da müsse man sich etwas Neues überlegen.
„Wir wollen das Konzept Kur wegbringen vom subventionierten Quasi-Urlaub. Wir wollen weg vom alten Kurgedanken der Adelszeit und hin zu stärkerer Gesundheitsvorsorge. Die Kur ist noch sehr stark ausgerichtet auf die Zeit der 1950er- und 1960er-Jahre. Dieses Konzept der alten Kur ist sicher nicht mehr zeitgemäß“, meinte McDonald in einem Interview mit dem profil. Solche Aufenthalte müssten – ein Aufenthalt koste immerhin durchschnittlich rund 1.900 Euro –sich als „Investition für die Versichertengemeinschaft“ lohnen.
Für Kuren gibt die Sozialversicherung derzeit im Jahr rund 244 Millionen Euro aus. Es handelt sich um rund 130.000 solcher Fälle. Die Ausgaben fallen unter die Rubrik Prävention bei der Sozialversicherung. „Wir geben pro Jahr mehr als zwei Milliarden Euro für die Prävention aus“, stellte Dr. Thomas Neumann, SVA-Direktor, bei einer Pressekonferenz in Wien fest.
Die oberflächlich scharf klingende Ansage zu den Kuren durch McDonald verliert freilich ihre Aufreger-Qualitäten, wenn man sich die modernen Konzepte in diesem Bereich ansieht. Das betonte auch Francesconi, deren Einrichtung in Alland in Niederösterreich auf die Betreuung von Diabetes-Patienten spezialisiert ist. Die Diabetologin ist auch in führender Position in der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) tätig.
Worum es prinzipiell geht: „Die Patienten werden in unseren stationären Einrichtungen sehr gut und nach den modernsten und optimalen Kriterien rehabilitiert. Wir entlassen sie sehr motiviert. Wenn wir es aber nicht schaffen, eine dauerhafte Veränderung in ihrem Lebensstil herbeizuführen, greifen wir zu kurz.“

Diabetes als Paradebeispiel

Der Typ-2-Diabetes ist hier natürlich ein Paradebeispiel. Die Behandlung von Diabetes ist eine etablierte Angelegenheit, die Kosten für die Therapie der Krankheit sind nicht das große Thema. Francesconi: „Diese Personen werden sprichwörtlich erst dann teuer, wenn die typischen Komorbiditäten hinzukommen. Das sind dann unabsehbare Folgekosten, bis hin zur Erwerbsunfähigkeit. Und wir haben in Österreich 500.000–600.000 Diabetiker, einige davon wissen noch nicht einmal, dass sie erkrankt sind.“
Da geht es um die Langzeitwirkung jeder rehabilitativen Maßnahme in der stationären Rehabilitation in den eigenen Einrichtungen der Sozialversicherung genauso wie um einen anhaltenden Effekt von Kuraufenthalten in den Vertragshäusern. Die Diabetologin: „Der Gedanke der Nachhaltigkeit beschäftigt derzeit das gesamte System. So gut können wir in drei Wochen niemanden behandeln, dass das allein schon nachhaltig ist. Aber wenn wir es schaffen, Schnittstellen in den ambulanten Bereich zu etablieren, um diese nachhaltige Wirkung herzustellen, haben wir gewonnen.“
Natürlich gibt es Probleme. Francesconi sieht durchaus, dass der Sektor der Rehabilitationszentren mit dem „Kurwesen“ nicht immer unbedingt etwas anzufangen wisse. Fakt ist, dass einige Patienten mit der falschen Erwartungshaltung eine Kur beantragen und auch manche Zuweiser für ungeeignete Zielgruppen Kuranträge stellen.
Im Grunde aber handle es sich um das gleiche Betätigungsfeld, da auch Vertragspartner vorgegebene Ziele erfüllen müssen. „Es macht überhaupt keinen Sinn, unseren Patienten bloß ein paar Wochen eine schöne Zeit zu machen. Wir wollen ein nachhaltiges Ziel erreichen. Und bei unseren Diabetikern ist das primär eine Änderung ihres Lebensstils, die auch in ihrem Alltag gelebt werden kann und sich langfristig auf den weiteren Krankheitsverlauf auswirkt. Aber genauso wichtig ist die Optimierung der Diabeteseinstellung, denn für viele Patienten ist ein Rehabilitationsaufenthalt der erste Kontakt mit Spezialisten auf dem Gebiet des Diabetes, und die zuweisenden Kollegen erwarten zurecht eine nachhaltige Therapiestrategie für die Zeit nach der Entlassung“. Dies gelte aber auch für viele andere Krankheitsbilder ebenso.
Die größte Herausforderung für Rehabilitation und Kur gleichermaßen, wie die Diabetologin betonte: „Die gewünschte und erforderliche Nachhaltigkeit ist oft im Umfeld des Patienten dann nicht mehr gegeben. Und das ist eine klassische Schnittstellenproblematik.“
Ein Gegenmittel: Bereits vor bzw. während eines Rehab- und/oder Kuraufenthaltes wird versucht, die Weichen für die Zukunft zu stellen. „Wir bemühen uns, in Gesprächen mit den Patienten auszuloten, wie er nach der Zeit bei uns im täglichen Leben seinen Lebensstil ändern kann. Oft gab es da in der Vergangenheit keine geeignete Andockstelle für die Patienten.“

 

 

Bewegungsprogramm „Jackpot“ motiviert zu Training

Zumindest in der Steiermark gibt es hier ein entsprechendes Programm. Gemeinsam mit den Sportverbänden ASKÖ, ASVÖ und Sportunion wurde ein „Jackpot“-Bewegungsprogramm gestartet. Dabei wird versucht, Rehab-Patienten dazu zu bringen, nach der stationären Behandlung möglichst sofort in das entsprechende Programm des Sportvereins überzuwechseln. Die drei Organisationen gewährleisten ein flächendeckendes Angebot mit extra dafür ausgebildeten Trainern. Die ersten zwölf Einheiten sind gratis. Das Programm soll in Zukunft möglichst auf ganz Österreich ausgedehnt werden.
„Wie auch immer eine österreichweite Lösung aussieht – Projekte wie ‚Jackpot‘ sind ein guter Ansatz, um die Motivation des Patienten und seine erlernten motorischen Fähigkeiten in oder nahe seinem Wohnort weiter zu fördern. Dazu braucht es nicht zwingend medizinische Kontrolle, sondern vor allem die Gelegenheit und Ansprechpartner, die bei der Umsetzung behilflich sind“, meint Francesconi. Auch die ambulante Rehabilitation geht diesen Weg, ist aber derzeit nicht in der Lage, den Bedarf, vor allem im ländlichen Bereich, zu decken.
In einem Forschungsprojekt zu „Jackpot“ bekamen Patienten unmittelbar nach Genehmigung ihres Reha-Antrages Messgeräte, mit denen sie ihre tägliche körperliche Aktivität messen sollten. Darauf wurden dann ihr Training und die Empfehlungen für die weitere Zukunft – Ziel: 150 Minuten körperliche Fitness-Betätigung pro Woche – abgestimmt. Es zeigte sich immerhin, dass man 50% der Patienten zu einem weiteren Training nach der Entlassung aus der stationären Betreuung motivieren konnte.
Auch eine wissenschaftliche Veröffentlichung zu diesen Projekten gibt es bereits. Im Rahmen einer Studie wurde untersucht, inwieweit sich eine Diabetesambulanz für die Information von zielgruppenspezifischen Bewegungsangeboten eignet. In der Diabetesambulanz des Allgemeinen Krankenhauses in Wien wurden 104 Personen (44 Frauen, 60 Männer; Alter: 62,38 ± 13,69 Jahre) bezüglich ihres Interesses an einem Bewegungsprogramm befragt. Zusätzlich wurde erfasst, wie viele auch tatsächlich daran teilnahmen. Die Bewegungsangebote setzten sich aus einem Herz-Kreislauf-Training, der Kräftigung der Muskulatur und der Förderung der Flexibilität zusammen.
Das Ergebnis: Knapp die Hälfte der befragten Personen (43%) hatte Interesse. 23% nahmen wirklich an dem Bewegungsprogramm teil. Mit einem Anteil von 30% als Teilnehmer waren die Frauen im Vergleich zu den Männern (10%) übrigens deutlich engagierter.