Ums Einsparen geht es nicht!

Der Hintergrund: Gesundheitsökonomie hat bei vielen Ärzten – wie auch sonst bei im Gesundheitswesen Tätigen – oft einen schlechten Ruf. Da ist von „Ökonomisierung“, vom „Einsparen“, auch vom „Kaputtsparen“, die Rede. Und oft lauern die Zahler von Studien, die Kostenträger, im Hintergrund. So sehen dann auch die Ergebnisse mancher Gesundheitsökonomie-Studien aus.

„Gesundheitsökonomie ist nicht Gesundheitspolitik“

Die MedUni Wien hat mit der Berufung von Univ.-Prof. Dr. Judit Simon auf die erste Professur für Gesundheitsökonomie am Zentrum für Public Health der MedUni Wien ein Zeichen gesetzt. „Gesundheitsökonomie ist nicht Gesundheitspolitik. Sie ist auch nicht Versorgungsmanagement im Gesundheitswesen. Sie ist eine Wissenschaft“, sagte Simon.
Die Professorin an der MedUni Wien hat einen Vorsprung gegenüber vielen anderen: Die gebürtige Ungarin wurde im Jahr 2000 an der Universität Szeged summa cum laude als Medizinerin und als Ökonomin promoviert. Die aus einer Arztfamilie stammende Neo-Professorin fokussierte ihre Karriere auf die Gesundheitsökonomie – zuletzt am Health Economics Research Centre an der Abteilung für Public Health der Universität in Oxford.
„Meine Haupt-Arbeitsgebiete waren dort Studien zur psychischen Gesundheit, Perinatologie, Diabetes und Outcome-Forschung“, erzählte die Ungarin, die auch britische Staatsbürgerin ist und mittlerweile mit ihren Kindern nach Wien übersiedelt ist. Für das nationale britische Zentrum für Gesundheit und Versorgungsqualität (National Institute for Health and Care Excellence – NICE) arbeitete Simon in der Entwicklung von Behandlungsleitlinien. Gerade die MedUni Wien biete eine gute Basis für die Entwicklung der Gesundheitsökonomie in Österreich, meint die Expertin. „Diese Abteilung ist in der MedUni Wien angesiedelt. Sie garantiert unabhängige Forschung, auch in Zusammenarbeit mit vielen anderen Kooperationspartnern“, sagte Simon.
Freilich – Österreich hat gerade auf diesem Gebiet viel aufzuholen. „Großbritannien hat hier mehrere Vorteile. Zunächst gibt es eine viel längere Tradition der Gesundheitsökonomie. Dann ist das britische Gesundheitswesen gänzlich anders strukturiert als das österreichische. Es ist völlig zentralisiert und zum größten Teil staatlich. Das erleichtert natürlich auch die Transparenz bei den Daten, die wir für Analysen brauchen. Das scheint in Österreich auch das aktuell größte Problem zu sein.“ Es gebe Daten, doch die seien verstreut und oft nicht zugänglich.

Bringt Telemedizin etwas bei bipolaren Störungen?

Simon führt eines ihrer Projekte in Großbritannien als Beispiel für adäquate gesundheitsökonomische Forschung an: „Wir haben die Auswirkungen eines Telemedizin-Systems für Menschen mit bipolaren Störungen untersucht. Sie übermittelten jeweils einmal pro Woche Angaben zu ihrer seelischen und körperlichen Verfassung. Damit wurden die Patienten aktiv an das Management ihrer Erkrankung beteiligt, bei auftauchenden Problemen konnte schneller reagiert werden, mehr Patienten erhielten Zugang zum Psychiater.“
Was sich herausstellte: Die Arzneimittelkosten stiegen wegen der offenbar besseren Kontrolle und Therapie-Adhärenz etwas. Die Behandlungskosten der Psychiater änderten sich nicht, die Aufwendungen für die Betreuung im Rahmen der Primärversorgung, Notfälle und in Ambulanzen wurden reduziert. Ähnlich war die Tendenz bei den Kosten für soziale Dienste. Die Frage, ob das auch die teuren Spitalsaufnahmen wegen Rückfällen reduziert, ist noch nicht geklärt. Dafür benötigt man einen längeren Beobachtungszeitraum.

Lebensqualität entscheidend

Aber, so die Expertin: „Kosteneffizienz bedeutet ja nicht, dass alles billiger werden muss. Wir wollen helfen, zusätzlichen Nutzen zu erzeugen, ohne dass die medizinische Versorgung für die Gesellschaft nicht mehr leistbar wird.“ Immer mehr entscheidend im Gesundheitswesen werde aber die Lebensqualität der Betroffenen. Das gelte bis hin zu Entscheidungen, die am Ende des Lebens zu treffen seien. „Es geht nicht nur um den ‚Preis‘, wir brauchen eine breitere Perspektive“, betonte Simon.
Eine Idee, wohl ein zukünftiges Projekt, dass es wert wäre, in Österreich angegangen zu werden: „Ich möchte versuchen, objektive Unit-Kosten für medizinische Leistungen in der niedergelassenen Praxis, in Ambulanzen und im Spital zu berechnen. Das könnte zu mehr Transparenz führen.“