Unbekannter Weichteiltumor – harmlos oder doch Sarkom?

Weichteilsarkome sind höchst seltene, mesenchymale Tumoren des Binde- und Stützgewebes im menschlichen Körper. Weniger als 1% aller bösartigen Tumorerkrankungen im Erwachsenenalter entfallen auf Weichteilsarkome. Dieses seltene Auftreten erklärt, warum in der weiteren medizinischen Abklärung von unbekannten Raumforderungen im Bewegungsapparat selten von der Möglichkeit eines Weichteilsarkoms ausgegangen wird.

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Weichteilsarkome können prinzipiell überall im Körper auftreten. Häufigste Lokalisationen sind die Oberschenkel, das Becken oder die Oberarme. Tief gelegene Tumoren können dabei unglücklicherweise sehr lange unentdeckt bleiben, bevor sie Beschwerden auslösen. Die Ätiologie der Weichteilsarkome bleibt oft unbekannt, nur selten sind genetische Faktoren oder äußere Schäden, wie beispielsweise ein Strahlenschaden, für ihre Entstehung verantwortlich. Gutartige Tumoren der Weichteile treten etwa 100 Mal häufiger auf. Wesentliche Merkmale der bösartigen Tumoren aber, wie beispielsweise eine Größenausdehnung von mehr als 5 cm, eine subfasziale Lage, Druckschmerzen, eine vermehrte Durchblutungsneigung und vor allem eine rasche Größenzunahme innerhalb kurzer Zeit sollten die Aufmerksamkeit dringend auf die Möglichkeit eines Sarkoms lenken. In der erfolgreichen Behandlung spielt die Zeitspanne bis zur korrekten Therapie eine besondere Rolle in der Prognose. Grundlegend sollte daher jede Raumforderung, die ohne klar erkennbaren Zusammenhang, wie beispielsweise einem Trauma oder einer Überbelastung auftritt, solange diagnostisch abgeklärt werden, bis das Vorliegen eines Sarkoms ausgeschlossen werden kann!

Diagnose von Weichteilsarkomen

Entscheidend für die weitere Abklärung von Weichteiltumoren ist die korrekte Bildgebung. Dabei stellt die Sonographie ein sehr schnell und nahezu überall verfügbares Instrument zum ersten Screening dar. Die Magnetresonanztomographie (MRT) bietet in Folge das Goldstandardverfahren in der Beurteilung von Weichteilformationen. In seltenen Fällen können auch angiographische Verfahren oder nuklearmedizinische Untersuchungen Zusatzinformationen liefern. Wesentlich ist die radiologische und nuklearmedizinische Abklärung der betroffenen Patienten nicht nur in Hinblick auf die Planung der lokalen Therapien, wie z.B. Operation oder Bestrahlung, sondern auch zur Identifikation von Metastasen. Dabei steht als primäres Zielorgan vor allem die Lunge im Zentrum der Untersuchungen. Neben der bildgebenden Abklärung ist vor allem die Biopsie unerlässlich in der sicheren Diagnostik. Hierzu stehen verschiedene Verfahren zur Wahl, deren grundlegende Aufgabe die Gewinnung eines repräsentativen Biopsates ist. Während bei offenen Biopsien im Rahmen kleiner Operationen ein Stück aus dem Tumor chirurgisch entfernt wird, können bei Stanzbiopsien Nadelkanülen mit Hilfe von Ultraschall oder MRT-Untersuchungen so im Tumor platziert werden, dass die Entnahme nekrotischen und nicht repräsentativen Gewebes verhindert werden kann. Lediglich bei sehr kleinen Tumoren unter 2 cm ist die sofortige und vollständige Entfernung des Tumors möglich (siehe Abb.).

 

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Therapie von Weichteilsarkomen

Die Therapie von Weichteilsarkomen ist grundlegend abhängig von Histologie und Stadium der Tumorerkrankung. Das heißt, dass Krankheitsfaktoren wie Tumorlage oder Tumorgröße, die Möglichkeit der chirurgischen Entfernung oder das Vorliegen von Metastasen großen Einfluss auf die Therapieentscheidungen haben können. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Therapie von Weichteilsarkomen immer im Rahmen eines interdisziplinären Tumorboards festgelegt werden sollte und so die Expertise verschiedenster Fachdisziplinen wie orthopädischer Chirurgie, Strahlentherapie, Onkologie, Radiologie, Pathologie und anderer Fächer in die Erstellung des multimodalen Therapiekonzeptes einfließen muss.
Der wesentliche Grundpfeiler in der adäquaten Behandlung von Weichteilsarkomen ist ihre ausreichende chirurgische Entfernung. Dies bedeutet, dass derartige Tumoren nicht nur entlang der Tumorkapsel aus dem umliegenden Gewebe ausgeschält werden dürfen, sondern ihre Entfernung in einem Mantel gesunden Gewebes durchgeführt werden sollte, um zu verhindern, dass kleinste Tumorreste zurückbleiben. Zur vollständigen Behandlung von Weichteilsarkomen gehört aber nicht nur ihre chirurgische Entfernung, sondern eine adjuvante Therapie, die in den meisten Fällen einerseits aus der lokalen Bestrahlung nach der Operation besteht und andererseits häufig auch eine Chemotherapie erfordert. In speziellen Fällen oder komplexen anatomischen Situationen können adaptierte Bestrahlungstechniken wie die Brachytherapie einen deutlichen Behandlungsvorteilt darstellen. Zudem muss in Abhängigkeit von Wundheilung und anderen Parametern die Abfolge der adjuvanten Therapiemethoden gelegentlich geändert und an die Bedürfnisse des Patienten und seine Erkrankung angepasst werden.
Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte in der interdisziplinären Behandlung von Weichteilsarkomen in Österreich haben gezeigt, dass es seit den 1980er-Jahren zu einem deutlichen Behandlungsfortschritt gekommen ist und mittlerweile die Mehrheit der Patienten mit Weichteilsarkomen bei entsprechend korrekter, multimodaler Behandlung ein erkrankungsfreies Überleben von über zehn Jahren haben. Der Wermutstropfen in der Therapie liegt allerdings auch in Österreich nach wie vor darin, dass nicht alle derartigen Tumore rechtzeitig als Weichteilsarkome erkannt und behandelt werden: Die Rate an unzureichend vorbehandelten Tumoren ist auch hierzulande relativ hoch. Aufgrund ihres höchst seltenen Auftretens wird häufig nicht an die Möglichkeit eines bösartigen Weichteiltumors gedacht und eine operative Entfernung mitunter ohne Durchführung einer ausreichenden Diagnostik indiziert. Die dabei resultierenden Operationsergebnisse zeigen, dass der Tumor dann oft nicht ausreichend entfernt wurde und eine Nachresektion der tumortragenden Region an einem spezialisierten Tumorzentrum unumgänglich wird. Es ist dabei hervorzuheben, dass selbst bei unzureichender Vorbehandlung durch eine rasche Therapieübernahme an ein Tumorzentrum mit Planung der notwendigen Behandlungsschritte die Langzeitergebnisse für die betroffenen Patienten nicht schlechter sein müssen als im Falle einer korrekten Erstbehandlung. Auch hier spielt allerdings der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle: Die Therapieübernahme sollte jedenfalls innerhalb der ersten zwölf Wochen nach unzureichender Erstbehandlung erfolgen.
Um jedoch mehrfache Operationen und das Risiko einer Metastasierung sowie die physische und psychische Belastung derartiger Behandlungsfehler für Patienten zu vermeiden, müssen in der Abklärung unbekannter Weichteiltumore vor jedem therapeutischen Schritt eine entsprechende Bilddiagnostik und im Zweifelsfall auch eine Biopsie gefordert werden.
Weichteilsarkome sind äußerst selten und oft spät erkannt

Die Medizinische Universität Wien und das von ihr betriebene Comprehensive Cancer Center Vienna haben seit 2012 eine eigene Unit für Muskuloskelettale Tumore. In dieser Einheit kooperieren alle an Therapie und Diagnose von Patienten mit Sarkomen beteiligten Fachdisziplinen. In wöchentlichen Tumorboards werden alle Patienten mit Weichteilsarkomen deren Therapie an der Medizinischen Universität Wien erfolgen soll, diskutiert.
Zuweiser oder Patienten wenden sich bitte an die Ambulanz für Tumororthopädie der Universitätsklinik für Orthopädie Wien oder an die Sarkomambulanz der Universitätsklinik für Innere Medizin I, Abteilung für Onkologie (beide am AKH Wien, Währinger Gürtel 18-20, 1090 Wien).