Wertschätzung ist wichtiger als Geld!

Würde man sagen, dass das Klima zwischen Krankenversicherungen, Gesundheitsministerium, den Ländern als Spitalsbetreiber auf der einen Seite und den Ärzten auf der anderen schon besser war, wäre das wohl eine Untertreibung. Beinahe hat man das Gefühl, Ärzte-Bashing hat das oft gehörte Pharma-Bashing abgelöst. Lobende Worte für die ärztliche Arbeit hört man von Zahlern im Gesundheitswesen derzeit wenig. Auf den Punkt brachte es zuletzt Mag. Alexander Herzog, Vizeobmann der SVA der gewerblichen Wirtschaft, der auf die Frage nach der fehlenden Wertschätzung bei einem Kongress in Niederösterreich formulierte, dass die Kassen die Anerkennung den Ärzten gegenüber ja regelmäßig finanziell ausdrücken. Verhandle man mit der Ärztekammer, ende man umgekehrt sehr rasch an dem Punkt, dass die Ärzte mehr Geld wollten.
Eine neue Umfrage der Ärzte Krone zeigt nun, dass das so in der Praxis allerdings gar nicht stimmt. Zustimmung der Ärzte wäre zu manchen Reformen offenbar weit leichter zu bekommen: Ein Danke für die geleistete Arbeit würde schon Wunder wirken. Während sich über 90% der befragten Ärzte von Patienten und Kollegen sehr oder zumindest ausreichend wertgeschätzt fühlen, ist es bei Politik und Krankenversicherung beinahe umgekehrt: 80% fühlen ihre Arbeit von den Kassen wenig oder gar nicht gewürdigt, und sogar 90% vermissen Anerkennung von der Politik. Dabei fällt das Urteil bei niedergelassenen Ärzten noch schlechter aus als bei angestellten Ärzten (siehe Grafik).

 

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Interessant dabei und im Widerspruch zur Wahrnehmung der Kassen ist, woran Ärzte Wertschätzung für sich und ihre Arbeit messen: Die Honorierung kommt hier nämlich erst an vierter Stelle. Viel wichtiger sind positives Feedback und respektvoller Umgang (jeweils mehr als 80%) sowie der Dank für die Arbeit (mehr als 50%). Bei genauerer Betrachtung zeigt sich sogar, dass weniger als 20% der Ärzte angeben, dass ihnen die Honorierung am wichtigsten ist.
„Ohne Anerkennung und Wertschätzung kann man dauerhaft nicht in einem emotional fordernden Beruf arbeiten. Diese Wertschätzung durch Patienten ist jene Form der Anerkennung, die wir Ärzte am meisten brauchen – und Gott sei Dank, auch sehr oft bekommen“, bringt es Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching auf den Punkt. Und er warnt: „Wird diese den Ärzten in unseren öffentlichen Gesundheitssystemen von allen anderen so genannten Stakeholdern verweigert, werden sich engagierte Ärztinnen und Ärzte kurz- und mittelfristig andere Betätigungsfelder suchen.“ Fasching ist aber überzeugt, dass gerade die persönliche Arzt-Patienten-Beziehung eine starke Basis ist. „Sie wird getragen vom positiven emotionalen Austausch im Sinne der Tradition der Heiler und Schamanen und ist durch die negativen Einflüsse des Systems weder beeinfluss- noch zerstörbar.“ Daher bilde sie aber auch die Quelle für Neid und Missgunst.
Ähnlich sieht das ao. Univ.-Prof. Dr. Gerit Holger Schernthaner, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Internistische Angiologie: „Um Lob, Anerkennung und Geld braucht man sich als Arzt nie zu kümmern, denn wenn man ein wirklich guter Arzt ist, kommt das später ganz von allein“, zitiert er seinen Großvater. Allerdings seien die Rahmenbedingungen, gerade für junge Ärzte nicht einfach. „Der Prozess vom jungen, gerade vom Studium kommenden Arzt zum etablierten Facharzt ist heute sicher nicht einfach. Hat man aber erst einmal die Facharztausbildung absolviert und ist in seiner Karriere halbwegs glücklich, so kann, glaube ich, niemand bestreiten, dass man für seine Arbeit und Leistung geschätzt wird – von anderen Kollegen, Mitarbeitern und vor allem von den Patienten.“ Es gebe auch eine neue Generation von Primarärzten, Professoren und Fachärzten, die sich den jungen Kollegen gegenüber deutlich besser verhalten, als das vielleicht früher manchmal der Fall war. Was – vor allem auch für viele junge Ärzte – nicht passe, sei die Wertschätzung seitens der Politik, des Arbeitgebers und der Öffentlichkeit. „In den Medien bleiben von der Diskussion mit Ärzten oft nur die Gehaltsgeschichten übrig. Die Spitalserhalter gehen zu wenig auf die Bedürfnisse junger Ärzte ein, so ist etwa für junge Ärztinnen die Vereinbarkeit von Karriere und eigenen Kindern im jetzigen System fast unmöglich.“ Ungünstig vonseiten der Politik sei das Gegeneinanderausspielen und Aufhetzen der verschiedenen Berufsgruppen im Gesundheitssystem, warnt Schernthaner.

 

Forderungen der Ärzte

  • adäquate Honorierung meiner Leistung
  • mehr Akzeptanz durch die Politik
  • Anerkennung der Allgemeinmedizin als tragende Säule der sozialen Gesundheitsversorgung
  • Anerkennung unter den Facharztkollegen
  • Anerkennung der Leistung. Wir sind Leistungserbringer, KEINE Kostenverursacher.
  • gerechte Entlohnung für Zeitaufwand und Verantwortung
  • bessere Arbeitsbedingungen in den Spitälern
  • Bürokratieabbau
  • Aufwertung (statt Ausrottung) der Allgemeinmedizin
  • ausreichend honorierte Zeit für ein umfassendes Patientengespräch

 

Zum Thema Wertschätzung meint der Palliativmediziner Univ.-Prof. Dr. Herbert Watzke: „Gerade in der Betreuung schwerkranker und sterbender Menschen, die oft das Gefühl haben, dass sie ‚wertlos‘ sind, ist die Wertschätzung auch ein direktes Heilmittel. Ausreichend dosiert wirkt sie Wunder und wird im Übermaß an jene zurückgegeben, die sie ‚verordnet‘ haben.“
Dass die Anerkennung zunehmend verloren geht, ortet Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Vogel darin, dass die Medizin heute „von patienten- und arztfernen Apparatschiks“ geprägt wird, „die vornehmlich der Politik, sich selbst und pseudowirtschaftlichen, weil unvalidierten Konzepten verpflichtet sind“, sagt der Gastroenterologe. Diesem System fehle die Kompetenz und damit die Voraussetzung für Anerkennung, was zu einer zunehmenden Entkoppelung des Arztes vom System und letztlich auch vom Patienten geführt habe. Sein Eindruck: „Der ärztliche Beruf ist heute zum Job heruntergewirtschaftet worden.“
Ao. Univ.-Prof. Dr. Marianne Brodmann warnt allerdings die Stakeholder, die so denken: „Es herrscht hier offensichtlich die Meinung vor, dass es genug Ärzte gibt und man uns nicht braucht. Das wird sich in der nächsten Zeit aber sicher ändern.“
Nicht wenige der von der Ärzte Krone befragten Ärzte warnen aber auch davor, in diesem sich wandelnden Umfeld zu sehr nach Anerkennung zu streben. „Als Arzt beobachte ich, wie eine mangelnde Wertschätzung und Anerkennung Menschen krankmacht“, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Rainer Schöfl, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie. Als Abteilungsleiter falle ihm auf, dass viele Mitarbeiter danach süchtig seien, vor allem in sozialen Berufen. „Wem es nicht gelingt, Anerkennung auf Dauer in Selbstbewusstsein zu übersetzen, der läuft Gefahr, zu erschöpfen. Anerkennung muss ernst gemeint sein, es muss also auch Kritik geben können.“
Das sieht auch der Schmerzspezialist Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar, MSc. so: „Anerkennung und Wertschätzung durch die Patienten sollten jedem Arzt positive Energie und Motivation geben und ihm zeigen, dass er auf dem richtigen Weg ist. Wesentlich ist dabei, dass man Anerkennung zwar wahrnimmt, damit aber reflektiert umgeht und nicht die Bodenhaftung verliert.“ Die Umfrage der Ärzte Krone zeigt allerdings auch andere Folgen der schwindenden Wertschätzung im System: Mehr als 60% der niedergelassenen Ärzte sehen die berufliche Zukunft negativ (siehe Grafik). 22% geben überhaupt an, dass sie ihren Beruf nicht mehr wählen würden – Tendenz steigend.
Die Folge: Etwa 20% der Ärzte möchten ihre Arbeitsstunden reduzieren, etwa 18% überlegen sogar, den Kassenvertrag zurückzulegen, und 19% möchten vorzeitig in Pension gehen.

 

„Klarer Auftrag an Politik und Sozialversicherungen“

Die aktuellen Umfrageergebnisse sind nicht nur eine eindrucksvolle Bestätigung des sehr hohen Engagements der österreichischen Ärztinnen und Ärzte, sondern auch ein sehr klarer Auftrag an Politik und Sozialversicherungen. Diese werden ihren Umgang – das ist sehr klar aus den Ergebnissen herauszulesen – mit der Ärzteschaft optimieren müssen, wenn sie sicherstellen wollen, dass der Arztberuf auch in Zukunft attraktiv sein soll. Österreichs Ärzte, das zeigt die Untersuchung sehr eindeutig, mögen ihren Beruf und würden ihn in großer Mehrheit wieder ergreifen. Sie fühlen sich zu 95% von ihren Patienten „sehr“ oder „ausreichend“ wertgeschätzt. Die Wertschätzung durch und die Beziehung zu Patienten ist ihnen laut Umfrage auch das Wichtigste. Maßstab für die Wertschätzung ist, deutlich vor allen anderen Parametern, respektvoller Umgang und positives Feedback. Dass wir das alles von unseren Patienten bekommen, ist eine schöne Ermutigung.Ein völlig anderes Bild ergeben allerdings die Antworten auf die Frage, wie sich die Kolleginnen und Kollegen von der Politik und den Krankenkassen behandelt fühlen. Hier bewegt sich der Eindruck, sehr wertgeschätzt zu werden, am unteren Ende des einstelligen Prozentbereichs. Das ist ein verheerender Befund, den ich auch immer wieder in persönlichen Gesprächen bestätigt finde – ein dazu passendes aktuelles Stichwort ist „Mystery Shopping“. Entsprechend sind immer weniger Ärzte bereit, einen Kassenvertrag abzuschließen, weil sie das nicht ausreichend attraktiv finden. Und dass derzeit allen Ernstes erwogen wird, den Wahlarztbereich einzuschränken oder überhaupt abzuschaffen, erleben viele Ärzte zu Recht als völlig verantwortungslos und als Affront durch Politik und Sozialversicherungen.

Insgesamt zeichnet sich in der Gesundheitspolitik die Haltung ab, lieber auf die Mitwirkung der Ärzteschaft bei Entscheidungen zu verzichten und stattdessen obrigkeitlich Fakten zu schaffen. Ein Vorgehen, das sich zwar bisher noch jedes Mal gerächt hat, und jedenfalls kein Indiz für besondere Wertschätzung gegenüber einem Partner ist. Man versteht, dass die Kollegen das satt-haben.

Hier muss gegengesteuert werden, und dafür setze ich mich mit allem Engagement ein.

Dr. Johannes Steinhart, ÖÄK-VP

 

 

„Ärzte werden oft nur als Kostenverursacher wahrgenommen“

Wertschätzung ist ein wichtiger Faktor für alle Menschen, Wertschätzung schützt in gewissem Ausmaß vor Burn-out, motiviert und spornt die Menschen an, sich zu entwickeln und ihr Bestes zu geben.
Für uns Ärzte ist es Belohnung, ein gutes Gefühl und ein Feedback, das unsere Arbeit wichtig ist und geschätzt wird. Ohne entsprechende Wertschätzung kommt es bald zu Frustration, Sarkasmus und letztendlich zur vollkommenen Demotivation in unserem alltäglichen Handeln.
Die aktuelle Umfrage von MedMedia zeigt klar, dass wir nach wie vor eine hohe Wertschätzung von Seiten der Patienten haben und dass damit die Patienten mit unserer Arbeit zufrieden sind. Deshalb gibt es auch überwiegend eine positive Einstellung der Ärzte zu ihrem Beruf. Auch die gegenseitige Wertschätzung der Ärzte untereinander, auch wenn manchmal übereinander geschimpft wird, scheint hoch zu sein.
Auf der anderen Seite wird von den Ärzten wenig Wertschätzung von Seiten der Politik und der Sozialversicherung wahrgenommen. Von Seiten der Politik werden wir oft nur als reiner Kostenverursacher wahrgenommen, und unser hohes alltägliches Engagement für Gesundheit und Gesellschaft wird nicht gesehen. In den Krankenkassen gibt es Strömungen, die Ärzte pauschal als mögliche potenzielle Betrüger betrachten und nicht als Partner auf Augenhöhe, der sein Bestmögliches zur Versorgung des Patienten beiträgt. Solange es in diesen Bereichen nicht zu einem Umdenken kommt, wird sich daran nichts ändern. Es ist klar, dass es auch unter den Ärzten schwarze Schafe gibt, nur sollte der hohe Anteil an motivierten Kolleginnen und Kollegen, die ihre engagierte Arbeit tagtäglich mit hohem Einsatz leisten, nicht an denen gemessen werden.
Ich hoffe, dass diese Umfrage dazu beiträgt, Wertschätzung als wichtiges Element im Umgang miteinander wahrzunehmen. Es wäre schön, wenn bei einer eventuellen Wiederholung der Umfrage in wenigen Jahren der Trend, dass insgesamt die Wahrnehmung der Wertschätzung zurückgeht, sich umkehren würde.

Dr. Christoph Dachs, ÖGAM-Präsident