„Apotheker müssen ihre Kompetenz mehr einbringen“

Apotheker Krone: In wenigen Wochen wird in Österreich der Versandhandel mit Arzneimitteln erlaubt. Was sagen Sie als Patientenvertreter zu der Entwicklung? Hilfe und Ersparnis für chronisch Kranke oder Preisdumping und Risiko für Versorgungsstrukturen?

Gerald Bachinger: Den Versandhandel kann man nicht mehr wegdiskutieren und wegregulieren. Er ist Realität. Die EU versucht mit der Öffnung und gleichzeitigen Regulierung die Kriminalität in diesem Bereich in den Griff zu bekommen. Aber das wird nicht gelingen. Man muss allen Menschen klar sagen, dass es gefährlich ist, wenn man in diesem Bereich billige Lösungen und Produkte sucht und die Gefahr groß ist, dass man dann Mist bekommt. Im Gegensatz zu anderen Produkten, die man im Internet kauft, wie einen Pullover oder Schuhe, bei denen man beurteilen kann, ob es passt, geht das bei Medikamenten nicht. Man merkt es erst, wenn man sie einnimmt und dann kann es zu spät sein. Hier muss man sensibilisieren.

Künftig wird der Versandhandel genau geregelt und nur Apotheken erlaubt sein. Was halten Sie vom aktuell vorliegenden Verordnungsentwurf?

Bachinger: Die Verordnung ist sicherlich ein guter Ansatz. Und man muss ja auch sagen, dass es Patientenbedürfnisse gibt, im Internet einzukaufen. Es ist also sicher gut, hier seriöse Lösungen zu suchen. Man muss aber auch die Bevölkerung aufklären und informieren: „Wenn man Mist kauft und schluckt, kann einem niemand helfen.“ Die Frage wird sein, ob das Gütesiegel reicht. Ich fürchte, dass das genauso fälschbar sein wird. Man sollte also auch informieren, dass man nur bei Versandwebsites von österreichischen Apotheken auf der sicheren Seite ist.

Reichen die Aktivitäten der Behörden?

Bachinger: Es bringt sicherlich einen höheren Sicherheitsstandard, als wir ihn derzeit haben. Das ist gut. Aber letztendlich wird man nicht alle Gefahren ausmerzen können.

Wo sehen Sie mittelfristig die Zukunft der Apotheken? Was braucht es aus Patientensicht?

Bachinger: Ich sehe aktuell einigen Nachholbedarf beim Image. Ich denke, die Ärzte stehen in der Meinung der Patienten besser da, dabei sind für mich im Bereich Arzneimittel und Medikation nicht die Ärzte, sondern die Pharmazeuten führend. Ihre fachliche Kompetenz und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, werden aber weder im niedergelassenen noch in stationären Bereich bisher ausreichend wahrgenommen.

Wie kann das aussehen?

Bachinger: Nehmen wir einen Unfallchirurgen. Der ist doch mit der Medikation einer älteren Patientin, die zehn verschiedene Medikamente nimmt, völlig überfordert. Hier würde ich mir wünschen, dass künftig bei den täglichen Visiten in den Krankenhäusern gerade ältere, chronisch kranke und multimorbide Patienten besser betreut werden und Pharmazeuten dabei sind.

Und wo sehen Sie im niedergelassenen Bereich Möglichkeiten für Apotheker?

Bachinger: Hier ist es wichtig, sich auf den Kernbereich zu konzentrieren und das auszubauen. Aktuell steht im niedergelassenen Bereich mit dem geplanten Ausbau der Primärversorgung – Stichwort Primary Health Care – die Türe für die Apotheken weit offen. Hier sehe ich etwa das Potenzial, dass man das Medikationsmanagement nicht als Kür oder Fleißaufgabe einbringt, sondern als zentralen Prozessschritt. In der E-Medikation haben die Ärzte die Apotheker eher rausgedrängt und das zu sich gezogen, aber im Bereich PHC ergibt sich jetzt eine neue und viel größere Chance.

Was empfehlen Sie den Apotheken hier zu tun?

Bachinger: Im Bereich Image ist die Berufsgruppe für sich selbst zuständig. Die Ärzte leben vor, wie man das stärkt. Aber beim Medikationsmanagement ist hier eine Ressource und Kompetenz, die man einbringen kann und muss. Es braucht im Gesundheitswesen einfach einen Coach, der die Menschen im Bereich Medikation unterstützt und sagt, wie man Arzneien einnimmt, worauf mach achten muss und so weiter.

Die Krankenkassen sehen das ebenfalls als Kernaufgabe der Apotheken. Genau deshalb haben sie aber gesagt, dass sie das nicht extra honorieren wollen. Wie sehen Sie das: Kernleistung oder extra zu honorieren?

Bachinger: Das ist zweifelsohne zu honorieren. Natürlich braucht es dafür eine Finanzierung. Man sollte aber im Gesundheitswesen von Diskussionen über Einzelleistungen und jede einzelne Arbeit einzeln zu bezahlen wegkommen. Wir brauchen hier sinnvolle Pauschalvergütungen. Irgendwann bekommt dann ein Apotheker eben einen Gesamtbetrag für die Betreuung und Versorgung eines Patienten. Aber die Apotheker sollen das Medikationsmanagement sicherlich nicht gratis machen. Das ist eine fachlich gute, gesundheitspolitisch sinnvolle und hochwertige Leistung.

Kommen wir noch zum Thema ärztliche Hausapotheken …

Bachinger: (lacht): … darauf habe ich schon gewartet.

Welche Entwicklung wünschen Sie sich hier aus Sicht der Patienten?

Bachinger: Grundsätzlich halte ich nichts davon, das die Seite der Ärzte das als Existenzsicherungsmittel für Landärzte hochstilisiert und argumentiert, dass ohne Hausapotheke die Ärzte am Land nicht überleben können. Die ärztliche Hausapotheke ist nicht dazu da, den Ärzten ein Zusatzeinkommen zu liefern, sondern schließt eine Versorgungslücke. Damit ist sie eine Notlösung, wenn die Versorgung nicht anders – eben durch Apotheken – gedeckt werden kann. Wenn die Ärzte das zum Überleben brauchen, dann stimmt etwas mit ihrer Honorierung nicht. Dann müssen wir das Honorierungssystem ändern. Mir fehlt generell bei den Hausapotheken auch die Qualitätssicherung eben durch die Pharmazeuten und auch die Möglichkeit für ein Medikationsmanagement.

Und wie kann da eine Lösung aussehen?

Bachinger: Für die Ärzte gehört wie gesagt das Honorierungssystem geändert. Für die Arzneimittelversorgung wünsche ich mir in Regionen, wo keine Apotheke ist, einen Zustelldienst für jene Patienten, die keine langen Wege machen können.