„Arzneimittelsicherheit auf hohem Niveau weiterentwickeln“

Apotheker Krone: Die Pharmabranche hat einen neuen Verband gegründet, der Arzneimittelfälschungen verhindern soll. Was steckt dahinter?

Jan Oliver Huber: Laut einer EU-Verordnung muss es in allen Mitgliedsländern ab 2019 ein sogenanntes nationales Verifizierungssystem für rezeptpflichtige Arzneimittel geben. Das Ziel ist, dass Patienten in Zukunft in ihren Apotheken eine noch größere Garantie für die Echtheit ihres Medikamentes haben, und zwar dank neuer Sicherheitsmerkmale. Grundlage sind die sogenannte Fälschungsrichtlinie und eine entsprechende EU-Verordnung, mit der Maßnahmen gesetzt werden, um ein Eindringen gefälschter Arzneimittel in die legale Lieferkette zu verhindern. Konkret heißt das: Bevor ein Patient in einer Apotheke das Arzneimittel übernimmt, wird dieses aus einem Datensystem ausgelesen. Damit wird sichergestellt, dass es sich um ein reguläres Produkt und nicht um eine Fälschung handelt.

Wie funktioniert das genau?

Von den Herstellern wird jede Packung mit einer eigenen Nummer versehen und in ein System eingegeben. Statt Strichcodes gibt es künftig 2D-Barcodes, wo unter anderem die Seriennummer und auch das Verfallsdatum eingespeichert sind. Wird eine Packung dann in der Apotheke abgegeben, wird die Nummer ausgelesen und im System deaktiviert. Stimmt die Nummer auf der Packung mit den im System gespeicherten Daten nicht überein, schlägt das System Alarm. Der Hersteller gibt die Daten über einen ­EU-weiten Datenhub ein, und von dort wird es dann an die jeweiligen Mitgliedsländer verteilt.

Was bedeutet das für die bestehenden Systeme?

Pharmaunternehmen, Großhändler und Apotheken arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, dass dieses System in der Praxis auch funktioniert. Beispielsweise müssen Maschinen zur Verpackung von Arzneimitteln umgerüstet werden, Hersteller und Vertriebsunternehmen, der Großhandel und die Apotheken müssen neue IT-Prozesse und -Systeme einführen. Zur Abstimmung haben der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs Pharmig, der Österreichische Generikaverband OeGV, die Apothekerkammer sowie der Verband der Österreichischen Arzneimittelvollgroßhändler PHAGO jetzt den Österreichischen Verband für die Umsetzung der Verifizierung von Arzneimitteln AMVO (Austrian Medicines Verification Organisation) gegründet. Es liegt auch im Interesse der Politik und Behörden, die ­Arzneimittelversorgung und -sicherheit auf dem bereits ­hohen Niveau weiterzuentwickeln. Industrie, Großhandel und Apotheken treiben diese Entwicklung an und über­nehmen ein noch höheres Maß an Mitverantwortung.

Was kostet das tatsächlich, und was kommt dabei auf die Apotheken zu?

Schätzungen besagen, dass das System selbst europaweit rund 100 Millionen Euro kosten wird. Die wirklich großen Kosten werden aber bei den Unternehmen stattfinden. Dort gehen die Investitionen in die Milliardenhöhe, weil Produktions- und Verpackungsanlagen umgerüstet werden müssen. In Zahlen bedeutet es: In 32 Ländern muss dieses System etabliert werden, 2.500 Hersteller docken daran an, tausende Großhändler und Apotheken müssen aufgerüstet werden und 10,5 Milliarden Packungen pro Jahr EU-weit serialisiert – sprich: mit Sicherheitsmerkmalen ver­­sehen – werden. Die Apotheken selbst werden ihre Software updaten müssen, fallweise müssen alte Scanner ausgetauscht werden. Die Kosten werden hier aber verhältnismäßig gering sein.

Geht es hier wirklich um Fälschungssicherheit oder auch um eine bessere Kontrolle der Lieferkette – Stichwort: Parallelexporte?

Der Weg des Arzneimittels ist für die Hersteller nicht nachvollziehbar – das ist im neuen System nicht vorgesehen. Parallelimporteure sind zudem Teil des Systems. Sie werden ein Produkt ausbuchen und es mit einer neuen Nummer wieder einbuchen. Wir wollen alle verhindern, dass Fälschungen in die normale Wertschöpfungskette gelangen. Wesentlich ist letztlich, dass die Partner der Versorgungskette, von der Industrie über den Großhandel bis hin zu den Apotheken, durch ihre noch engere Zusammenarbeit für noch mehr Sicherheit bei Arzneimitteln sorgen – zum Wohle der Patienten. Lediglich die Behörden können im Notfall nachvollziehen, wo eine Fälschung ins System gekommen ist.

Was macht die neue Gesellschaft genau?

Die AMVO ist ein Verein und dafür verantwortlich, die genannten Prozesse zu planen und umzusetzen, wobei die Kosten zur Gänze von der Industrie zu tragen sind. Die Plattform steht allen anderen Partnern wie der Ärztekammer und Spitalsbetreibern mit ihren Krankenhausapotheken offen. Es ist auch erklärtes Ziel, dass diese an den Datenspeicher angehängt werden. Parallel wurde eine Betreibergesellschaft gegründet, die für die Errichtung und den Betrieb des Datenspeichers verantwortlich sein wird.

Welche Rolle spielt die öffentliche Hand?

In der Gesellschaft sind die Behörden eingeladen, in den Aufsichtsgremien teilzunehmen. Natürlich hätten wir als Industrie uns gewünscht, dass unsere Investitionen etwa über Preiserhöhungen honoriert werden. Bisher sind wir hier aber auf taube Ohren gestoßen.