Biotin

Der Mikronährstoff Biotin wurde erstmals in den 1930er-Jahren als Wachstumsfaktor aus Hefe und Eigelb nachgewiesen. Anfang der 1940er tauchte auch eine Bezeichnung auf, die sich später als Synonym etablierte: Vitamin H. Biotin ist die einzige Vitaminform, die enzymatisch aktiv ist. Eine weitere Bezeichnung ist Vitamin B7. Gute Lieferanten in der Nahrung sind Leber, Eigelb, Sojabohnen, Getreide, Hülsenfrüchte, Pilze und Nüsse.1 Die Aufnahme von Biotin wird durch Pantothensäure und Liponsäure kompetitiv gehemmt. Die Zubereitung mindert den Gehalt in Lebensmitteln – man geht dabei von Verlusten bis zu 20 % aus, wobei erst höhere Temperaturen zu signifikanten Verlusten führen. Empfindlichkeit besteht gegenüber dem Sonnenlicht, was bei der Lagerung zu berücksichtigen ist.2

Mit der EU-Verordnung 432/2012 wurden folgende gesundheitsbezogene Angaben zugelassen:3

  • trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei
  • trägt zu einer normalen Funktion des Nervensystems bei
  • trägt zu einem normalen Stoffwechsel von Makronährstoffen bei
  • trägt zur normalen psychischen Funktion bei
  • trägt zur Erhaltung normaler Haare bei
  • trägt zur Erhaltung normaler Schleimhäute bei
  • trägt zur Erhaltung normaler Haut bei.

Empfehlungen zur täglichen Aufnahme wurden von Ernährungsfachgesellschaften festgelegt. Es handelt sich dabei um Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr. Demnach sollen Menschen ab 15 Jahren 30–60 µg pro Tag zu sich nehmen. Dieser Wert gilt auch für Schwangere und Stillende.4 In der EU-Lebensmittelinformationsverordnung 1169/2011 wurde ein Nutritional Reference Value (NRV) von 50 µg festgelegt.5 Die EFSA wiederum hat einen Adequate Intake (AI) von 40 µg für Erwachsene vorgeschlagen. Dieser gilt auch für Schwangere. Stillende sollten noch zusätzlich 5 µg/Tag zu sich nehmen.6 Die Versorgungslage von Biotin ist bei der österreichischen Bevölkerung laut dem vergangenen Ernährungsbericht 2012 ausreichend. Beide Geschlechter in allen Altersgruppen erreichen im Schnitt die empfohlenen Schätzwerte. Bei Kindern zeigte sich eine aufsteigende Tendenz bei der Biotinaufnahme. Bei Männern und Frauen ist zu beobachten, dass es ab 50 zu einer reduzierten Aufnahme dieses Vitamins kommt. Bei Frauen besteht ein leichtes Ost-West-Gefälle hinsichtlich der Zufuhr (47 versus 36 µg pro Tag).7

Die über den Stuhl ausgeschiedene Biotinmenge ist interessanterweise größer als die mit der Nahrung zugeführte. Der Grund dafür sind biotinproduzierende Bakterien im Colon. Inwieweit die Syntheseleistung der Darmflora etwas zur verfügbaren Menge von Biotin beiträgt, ist aber nicht geklärt.8 Mangelzustände von Biotin äußern sich in der Frühphase durch unspezifische Symptome wie Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Schwächezustände. Spätere Symptome sind Haarausfall, Dermatitis, Depressionen und Störungen des Fettstoffwechsels.1 Ein Sonderfall ist der angeborene Biotinidase-Mangel. In Biocytin enthaltenes Vitamin H kann nicht freigesetzt und nicht absorbiert werden. Ohne rechtzeitige Diagnose und Therapie kann dieser Stoffwechseldefekt zum Tod führen. Die Häufigkeit beträgt 1/40.000 Neugeborenen. In Österreich ist die Untersuchung auf diesen Defekt Teil des Neugeborenen-Screenings. Durch eine Spezialdiät kann das Überleben gesichert werden.9 Toxikologische Daten zeigen, dass Biotin sehr sicher ist. Selbst bei oraler Applikation von 200 mg konnten keine Anzeichen von unerwünschten Wirkungen festgestellt werden.

Literatur:

1 Elmadfa I et al.

2 Hahn A et al., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2006

3 EU-Verordnung 432/2012 vom 16. Mai 2012

4 D-A-CH-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr

5 EU-Verordnung 1169/2011 vom 25. Oktober 2011

6 EFSA Journal 2014; 12(2):3580

7 Elmadfa I et al., Österreichischer Ernährungsbericht 2012

8 Hahn A et al., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2005

9 Medizinische Universität Wien: Neugeborenen-Screening