Ein Plädoyer für Kohlenhydrate – Das rät der Ernährungswissenschafter

Es gilt wissenschaftlich als gesichert, dass Neurotransmitter im Gehirn durch die Ernährung beeinflusst werden können. Dies geschieht, indem man über die Nahrung die Aminosäuren Tryptophan, Tyrosin und Phenylalanin aufnimmt. Sie fungieren als Vorstufen von Serotonin, Dopamin, Norepinephrin und Acetylcholin. Besonders das Tryptophan als Serotonin-Vorstufe gilt als Schlüsselsubstanz. Ein niedriger Tryptophanspiegel im Blut kann die Funktion eines wichtigen Frontalhirnbereichs (orbitofrontaler Cortex) verringern. Dieser Bereich wird mit Depressionen in Verbindung gebracht.1 Die Konzentration des Tryptophans im Gehirn wird durch proteinreiche Mahlzeiten gesenkt, weil Tryptophan mit anderen Aminosäuren (Valin, Isoleucin, Phenylalanin, Tyrosin, Methionin) um ein Transportmolekül konkurriert. Durch kohlenhydratreiche Mahlzeiten erhöht sich der Tryptophanspiegel, weil es zu einer erhöhten Insulinausschüttung kommt. Grund dafür: Insulin fördert die Aufnahme der konkurrierenden Aminosäuren in die quergestreifte Muskulatur. Tryptophan wird dann an Albumin gebunden und ist folglich direkt für den Transport ins Gehirn nutzbar.2 Gute Quellen für Tryptophan sind Haferflocken, Weizenkleie und Hirse. Auch in Roggen und im vielgeschmähten Weizen finden sich relevante Mengen. Weiters sind Hülsenfrüchte wie Sojabohnen, Erbsen und Erdnüsse reich an dieser Aminosäure.

Natürlich kann man damit alleine noch keine gute Stimmung erzeugen, aber es zeigt sich auch, dass Low-Carb-Diäten für das Gehirn keinerlei Sinn machen. Eine amerikanische Forscherin meinte dazu treffend: Wenn man dem Gehirn die Kohlenhydrate streicht, sei es so, als würde man einem Wanderer in der Wüste das Wasser wegnehmen. Interessanterweise gibt es auch Untersuchungen, in denen man bei Personen in Stresssituationen ermittelt hat, dass kohlenhydratreiche Kost den Anstieg des Cortisolspiegels bremst, während dieser bei eiweißreicher Nahrung weiter steigt. All diese Aspekte sind natürlich keine Einladung, viel Süßes und Weißbrot zu essen. Die Auswahl der kohlenhydratreichen Lebensmittel bleibt dennoch wichtig, und Vollkorn sollte immer der Vorzug gegeben werden. Das gilt auch für Reisvarianten – Wildreis schlägt weißen Reis. Übrigens wirkt sich auch Ausdauersport positiv aus, denn dadurch gelangen die konkurrierenden Aminosäuren in die Muskulatur und L-Tryptophan kann leichter ins Gehirn gelangen. Epidemiologische Studien zeigen Zusammenhänge zwischen einer sinkenden Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren und Major Depressionen. Ungesättigte Fettsäuren sind allerdings auch Angriffspunkte für die Fettoxidation. Da psychischer Stress prooxidativ wirkt, ist es günstig, Vitamin E zum Schutz der Fettsäuren zuzuführen, um einer erhöhten Lipidperoxidation entgegenzuwirken. Keine gute Idee zur Verbesserung der Stimmung ist Alkohol. Dieser führt zu einem Absinken des Serotoninspiegels und setzt die Fähigkeit des Hypothalamus herab, das Corticotropin-releasing Hormone (CRH) freizusetzen. CRH spielt bei der Stressaktivierung eine Schlüsselrolle, und vor allem depressive Menschen haben niedrige Spiegel dieses Hormons. Auch der Spiegel von GABA sinkt bei Alkoholzufuhr.3

Literatur:

1 Zald DH et al., Oxford University Press 2006

2 Donner S, UGB-FORUM 2005

3 Silva SM et al., Brain Res 2002