Empfehlungen zur Chondroprotektion und Arthrosetherapie

Die gute Nachricht vorweg: Sport ist gut für die Gelenke – auch im hohen Alter und für Patienten mit künstlichen Knie- und Hüftgelenken, denn eine gut entwickelte Muskulatur stützt und entlastet die Gelenke und fördert die Koordination. Umgekehrt führt mangelnde Bewegung zu einer Verkümmerung der stützenden Muskeln, im schlimmsten Fall bis zur Sarkopenie, und begünstigt indirekt damit auch die Entwicklung von Osteoporose. „Starke Muskeln schützen auch bis einem gewissen Grad vor Arthrose“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Norbert Bachl, Zentrum für Sportwissenschaft, Universität Wien. Sport ist aber nur solange gesund, wie Gelenke dabei nicht beschädigt werden oder keine Vorerkrankungen vorweisen.

Arthrose vermeiden, Warnzeichen beachten

„Ursachen für Arthrosen sind übermäßige Belastung bei Sport und Arbeit, frühere Verletzungen (etwa Meniskus!), angeborene oder erworbene Gelenkfehlstellungen (etwa X- oder O-Beine), Fehlanlagen (Hüftdysplasie), Knochenerkrankungen (z. B. Osteoporose), Spätfolgen von Arthritis und genetische Veranlagung“, erklärt Bachl. Beispielsweise ist das Risiko einer Arthrose nach einem Meniskusschaden um das 20-Fache erhöht. Die Folge sind Schmerzen, eingeschränkte Beweglichkeit und instabile Gelenke, was wiederum das Risiko für Stürze und Frakturen erhöht.
Arthrose ist nach wie vor nicht heilbar, daher sind Präventionsmaßnahmen unerlässlich, um ein Fortschreiten und die Notwendigkeit eines künstlichen Gelenksersatzes zu verhindern. „Auf Alarmzeichen wie Morgensteifigkeit der Gelenke, Kraftlosigkeit (das Kaffeehäferl fällt aus der Hand), Begrüßungsschmerz (ein kräftiger Händedruck tut weh), Bewegungseinschränkung und natürlich Schwellung sowie Rötung muss so schnell wie möglich mit einem Arztbesuch reagiert werden“, macht Dr. Thomas Schwingenschlögl, Rheumatologe aus Wiener Neudorf, aufmerksam.

Wichtige Lifestylemaßnahmen

Die wichtigste vorbeugende Maßnahme gegen Arthrose ist die Vermeidung von Sportverletzungen. Eine ausgewogene Ernährung sowie im Bedarfsfall die Zufuhr von Mikronährstoffen können Knochen und Knorpel unterstützen. Am wichtigsten ist die Zufuhr von Vitamin C, das gemäß der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) zu einer normalen Kollagenbildung und für die normale Funktion von Knorpel und Knochen essenziell ist. Vitamin D und K sowie die Mineralstoffe Kalzium, Magnesium, Mangan, Phosphor und Zink sind ebenfalls für den Erhalt normaler Knochen zu empfehlen.
Auch bei diagnostizierter Arthrose ist die Lifestyleoptimierung, insbesondere der Abbau von Übergewicht und die richtige Ernährung, das Um und Auf. „Ich empfehle neben Verzicht auf Süßigkeiten, fettes Fleisch (Innereien!) und fette Milchprodukten (über Arachidonsäure werden Entzündungsprozesse gefördert) besonders pflanzliche Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Salat, Nüsse und Soja. Diese enthalten nämlich entzündungshemmende Vitamine. Günstig auf die Gelenke wirken sich auch Pflanzenöle, Fisch und Fischöle aus. Zusätzlich führt eine Kombination aus Vitamin-B- und -C-Komplex zur raschen Unterdrückung von Entzündung und damit der Beschwerden“, rät Schwingenschlögl.
Aber auch ein Umdenken bei der sportlichen Betätigung ist anzeigt. „Regelmäßige, maßvolle körperliche Aktivität, ohne ‚Stop and Go‘-Belastungen, verbessert Stabilität, Beweglichkeit, Koordination und Kraft der Gelenke. Der geschädigte Knorpel wird besser mit Nährstoffen versorgt. Der Stoffwechsel am Gelenk wird angekurbelt“, so Bachl. Sport sei demnach bei Arthrose durchaus empfehlenswert! Folgende Grundregeln gelten allerdings: Sportarten ohne große Impulsbelastung wählen (Tennis, Fußball, Basketball etc. sind schlecht) und Extrembewegungen vermeiden. „Günstig sind Sportarten mit gleichmäßigen, rhythmischen Bewegungen, wie Walken, Schwimmen und Radfahren“, empfiehlt Bachl.

Wertvolle pflanzliche Hilfe

Die meisten pflanzlichen Präparate fallen in den Bereich der Nahrungsergänzungsmittel, die wissenschaftliche Studienlage zu einzelnen Pflanzen hinsichtlich des Eingreifens in das Entzündungsgeschehen ist aber sehr gut, sodass diese in der Apotheke gezielt empfohlen werden können.
Extrakte aus der Weidenrinde (Salix cortex) wirken analgetisch, antipyretisch und antiphlogistisch. Verantwortlich dafür sind Phenolglykoside, wie Salicylate (Salicortin, Salicin und Tremulacin), die Weidenrinde enthält aber auch Phenolcarbonsäuren und oligomere Proanthocyanidine. Zudem wurde eine antioxidative und knorpelprotektive Wirkung belegt. Die therapeutische Wirksamkeit wurde dabei in placebokontrollierten, randomisierten Doppelblindstudien sowohl bei Patienten mit Rückenschmerzen als auch mit Osteoarthritis untersucht (u. a. Lardos A et al., Z Phytother 2004).

Extrakte aus indischen Weihrauchbäumen (Boswellia serrata) zeigen eine antiinflammatorische Wirkung. Dafür verantwortlich sind penta- und tetrazyklische Triterpene, unter den pentazyklischen besonders einige Boswelliasäuren. Diese inhibieren in vitro COX-1 sowie 5- und 12-Lipoxygenase, CYP450-Enzyme, Elastase und die Bildung von TNFα und anderen Zytokinen (Ammon HP, Planta Med 2006). In vivo wird die mikrosomale Prostaglandin-E2-Synthase-1 gehemmt, mit folglich antiinflammatorischem Effekt (Siemoneit U et al., Br J Pharmacol 2011). Die Wurzel der afrikanischen Teufelskralle (Harpagophyti radix) ist als Rheuma- und Arthritismittel sehr beliebt. Die wichtigsten Wirkstoffe sind Iridoidglykoside, vorwiegend Harpagosid sowie Harpagid, Procumbid und ihre Zimt- oder Fumarsäureester. Klinische Studien belegen einen deutlichen Nutzen bei Rheuma und Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. Das Extrakt supprimiert die Prostaglandin- und Leukotriensynthese durch Hemmung der COX und reduziert die Freisetzung von IL und TNFα (Fiebich B et al., Phytotherapie Research 2012). Die European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP) empfiehlt Teufelskrallenextrakte zur symptomatischen Behandlung schmerzhafter Osteoarthrosen und zur Linderung von Rückenschmerzen im Lendenbereich.

Samen und Schale der Hagebuttenfrüchte (Rosae pseudofructus) können bestimmte Funktionen der Leukozyten, die bei Arthrose zu Entzündungen und Gewebeschädigungen führen, normalisieren. Wirkbestimmend ist ein Galaktolipid, das in vitro die Migration polymorphkerniger Leukozyten hemmt (Larsen E et al., J Nat Prod 2003) und in vivo die Serumkonzentrationen von C-reaktivem Protein senkt (JAMA Onlinepublikation vom 12. September 2006); Letzteres bereits nach zehn Tagen um 39 % (Kharazmi A, Winther K, Inflammopharmacology 7, 1999).

Die Katzenkralle (Uncaria tomentosa) enthält mehrere Monoterpen-Indolalkaloide und Triterpensaponine. Da die enthaltenen Alkaloide sehr unterschiedliche Wirkungen haben, sollte man bei der Katzenkralle immer auf seriöse Produkte aus der Apotheke achten. In-vitro-Untersuchungen deuten u. a. auf eine immunmodulierende und entzündungshemmende Wirkung hin. Klinische Studien zeigen positive Effekte des Pflanzenextraktes bei rheumatischen Erkrankungen (u. a. Mur E et al., Journal of Rheumatology 2002).

Bambus, Cayennepfeffer und Chili: Für Bambus ist der hohe Gehalt an Kieselsäure gesichert, der einen positiven, unterstützenden Effekt bei Rückenschmerzen, Bandscheibenschäden oder Arthritis durchaus nachvollziehbar scheinen lässt. Capsaicin aus dem Cayennepfeffer und der Chili erwiesen sich in vielen klinische Studien in der topischen Anwendung als wirksam.

Für die Wirksamkeit unverseifbarer Soja- und Avocadoöle liegt eine hohe Evidenz vor (Cameron M et al., Phytother Res 2009). Bei mehrwöchiger Einnahme kam es zu einer Erleichterung osteoarthritischer Schmerzen und der Analgetikabedarf konnte signifikant reduziert werden.

Therapeutische Optionen bei Arthrose

„Die medizinische Behandlung umfasst die medikamentöse Basistherapie mit Schmerztherapeutika (NSAR und Analgetika) sowie knorpelaufbauenden Substanzen (siehe unten) und physikalische Anwendungen (elektrische Zellbäder, Ultraschall, Wärmelampen, Moorpackungen, Heublumen- bzw. Kräuterbäder etc.) über die Kryotherapie bis zur Heilgymnastik“, erklärt Schwingenschlögl. Komplementärmedizinisch bewähren sich Akupunktur, Homöopathie, Magnetfeld- und Neuraltherapie. „Entscheidend für die erfolgreiche Therapie ist der rasche Beginn derselben. Die moderne Behandlungsmethoden haben die Chancen für Arthrosepatienten beträchtlich erhöht“, so Schwingenschlögl. Weiters versucht werden können:

Chondroitinsulfat (CS) wird mehrfach aus Rindertracheen oder Haifischknorpel gewonnen. Die Resorptionsfähigkeit im GI-Trakt ist unterschiedlich und bei Rindertracheaprodukten höher. „Ursprünglich wurden CS auch krankheitsmodifizierende Wirkungen im Sinne eines verlangsamten Abbaus von Knorpel nachgesagt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es allerdings keinen schlüssigen Beweis dafür, nicht zuletzt auch deshalb, weil die vielen Studien, die die Knorpeldicke anhand von posttherapeutischen Nativröntgen feststellten, methodische Fehler hatten“, erklärt Doz. Dr. Ronald Dorotka, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Orthopädiezentrum Wien Innere Stadt. Nichtsdestotrotz wurden präklinisch antiphlogistische Wirkungen festgestellt. Eine endgültige Aussage über die Wirksamkeit dieses Wirkstoffes kann noch nicht getätigt werden. „Die fehlenden Nebenwirkungen lassen aber den Einsatz von CS aus Rindertracheen bei Knorpelschäden bedingt sinnvoll erscheinen, insbesondere auch, wenn man an die hohen Raten von fatalen Komplikationen bei NSAR denkt“, so Dorotka.

Glucosamin ist eine körpereigene Substanz, die zum Aufbau von Knorpelbestandteilen benötigt wird. Ähnlich wie bei Chondroitinsulfat werden auch Glucosamin struktur- und symptommodifizierende Effekte nachgesagt. Die wissenschaftliche Datenlage ist recht gut, und mittlerweile wurden auch Langzeiteffekte untersucht (Reginster JY et al., Lancet 2001). In vitro konnte zudem eine Hemmung der Superoxid-Radikalen-Bildung und lysosomaler Enzyme, jedoch keine COX-Hemmung nachgewiesen werden. D-Glucosaminsulfat dürfte daher auch antiphlogistisch wirken, ohne aber die Prostaglandinsynthese zu beeinflussen.

Diacerein führte in präklinischen Studien zu einer Kollagenase- und IL-1-Hemmung. Als abführendes Pflanzenprodukt kann es aber auch unangenehme Durchfälle verursachen. Die leicht schmerzstillende Wirkung von Diacerein ist bei Arthrosen klinisch gut dokumentiert, es verfügt auch über einen Cross-over-Effekt, das heißt, seine Wirkung hält auch noch bis drei Monate nach Absetzen an (u. a. Rintelen B et al., Arch Intern Med 2006).

Grünlippmuschelextrakte führen dem Körper unter anderem Glykosaminoglykane, Lipide, Kohlenhydrate (Glykogenkomplex), Mineralstoffe, Vitamine, Aminosäuren und – wichtig – Omega-3-Fettsäuren zu. Die Eicosapentaensäure (EPA) gilt wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit Arachidonsäure als kompetitiver Inhibitor für die Ent­zündungsreaktion. Den Arzneimitteln mit Grünlippmuschelextrakt werden aufbauende, schmerzlindernde, entzündungshemmende, gelenkschmierende und knorpelschützende Eigenschaften zugeschrieben.

Hyaluronsäure ist ein wesentlicher Bestandteil der extrazellulären Matrix. Der Synovialflüssigkeit verleiht das Polymer die typische Viskosität und die schmierenden Eigenschaften. Außerdem verhindert Hyaluronsäure in der Synovia durch ihre große netzartige Struktur die freie Passage von Entzündungsmolekülen und -zellen durch den Gelenkinnenraum. Entzündungsschmerzen werden daher nicht so leicht weitergeleitet.

Natives, nicht denaturiertes Kollagen dient den Gelenken als Aufbaustoff und unterdrückt im Rahmen von entzündlichen Gelenkerkrankungen die überschießende Immunreaktion, indem die Aktivierung von kollagenspezifischen Killer-T-Zellen effektiv deaktiviert wird (Bagchi D et al., Int J Clin Pharmacol Res 2002). In einer von Bagchi D et al. angeführten Pilotstudie an fünf Frauen mit starken Gelenkschmerzen konnte natives, denaturiertes Kollagen u. a. die Symptome Schmerzen und Morgensteifigkeit signifikant reduzieren. In einer doppelblinden, randomisierten Studie mit gesunden Probanden (n = 55) wurde eine signifikante Verbesserung der Extension der Kniegelenke festgestellt (Lugo JP et al., J Int Soc Sports Nutr 2013).

Orthopädische Optionen

„Wichtig ist bei Arthrosen auch die Bereitstellung von korrigierenden Orthesen bzw. Einlagen“, ergänzt Dorotka. Orthesen werden einerseits zur Gelenkführung und Stabilisierung, aber auch zur Beinachsenlenkung verwendet.
Weitere Optionen sind Kortisoninfiltrationen und die intraartikuläre Gabe von Hyaluronsäure (HA). „Kortisoninfiltrationen direkt ins Gelenk haben bei Arthrosen einen nachgewiesen stark schmerzstillenden und entzündungshemmenden Effekt. Die Wirkung hält bis zu drei Wochen an. Aufgrund der Nebenwirkungen ist eine Dauertherapie nicht zu empfehlen. Das Haupteinsatzgebiet der Kortisoninfiltrationen ist deshalb die akute, aktivierte Arthrose, bei der eine rasche Beendigung des Reizzustandes gewünscht wird“, so Dorotka. Intraartikuläre Hyaluronsäure (HA) war hinsichtlich ihrer klinischen Wirkung immer umstritten. 2006 wurde als bisher unabhängigste Stellungnahme eine 76 Studien umfassende Metaanalyse der Cochrane-Datenbank vorgestellt. Dabei wurde eine Wirksamkeit der HA-Therapie gegenüber Placebo festgestellt. „Prinzipiell sollte HA nur bei symptomatischen Arthrosen intraartikulär angewendet werden“, empfiehlt Dorotka.

Innovationen am Horizont

Dorotka fasst zusammen: „In der Arthrosetherapie sind einige viel versprechende Behandlungsoptionen in Diskussion, bspw. Strontiumranelat per os, oder platelet-rich plasma intraartikulär. Letzteres wird aus Patientenblut gewonnen und ist nach derzeitiger Studienlage für leichte Arthrosen bei erfolgloser konventioneller Therapie geeignet. Hingegen gibt es zum reinen Einsatz intraartikulärer Schmerztherapeutika, wie Botulinumtoxin, Morphine, Tanezumab und Tropisetron sowie zur körpereigenen Arthrose- und Rückentherapie mit Orthokin noch zu wenig Studien.“

Quellen:
  • idw/Pressekonferenz anlässlich der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU), 23. Oktober 2013, Berlin
  • Priv.-Doz. Dr. Ronald Dorotka: „Behandlung der Arthrose der großen Gelenke aus orthopädischer Sicht: Wenn Tabletten versagen …“, Fakten der Rheumatologie 01/2012
  • van Wyk B, Wink C und Wink M: „Handbuch der Arzneipflanzen“, 2. Auflage Oktober 2005; Wissenschaftliche Verlags-GmbH Stuttgart