Lieferengpässe: Apotheker tragen zur Lösung bei

Arzneimittel- bzw. Lieferengpässe sind zu einem weltweiten Problem geworden und werden laut einer Prognose des europäischen Apothekerverbands PGEU weiter zunehmen. Betroffen sind alle Klassen von Arzneimitteln, von Chemotherapeutika und Anästhetika bis hin zu Antidiabetika, Antihypertensiva und Antiasthmatika, ja sogar Basistherapeutika wie Acetylsalicylsäure.

Die Situation in Österreich

Derzeit sind in Österreich circa 50 Präparate nicht lieferbar. Bei den meisten Arzneispezialitäten haben Apotheker eine Lösung parat, die dem Patienten – in Absprache mit dem Arzt – zur Verfügung gestellt werden kann. Hier sind bspw. Generika, aber auch magistrale Zubereitungen anzuführen. Oft hilft auch ein Anruf direkt beim Hersteller oder in einer Krankenhausapotheke, um das Medikament im Notfall zu beschaffen. „In Österreich jammern wir Gott sei Dank auf hohem Niveau. Es gibt die einen oder anderen Lieferengpässe, aber keine Versorgungsschwierigkeiten“, meint Wiener Kammerpräsidentin Mag. pharm. Andrea Vlasek. Dem pflichtet Pharmig-Generalsekretär Dr. Jan-Oliver Huber bei: „Die Industrie hat eine Lieferverlässlichkeit von 99 %, bei 15.000 Produkten in der Zulassung.“ Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Vierfachimpfstoff gegen Diphtherie, Tetanus, Polio und Keuchhusten, der seit Monaten nicht lieferbar ist. Hier kann auf die Dreifachimpfung ausgewichen und die Polio-Impfung separat durchgeführt werden. „Ärgerlich für den Patienten, aber noch kein Beinbruch“, kommentiert Vlasek.

Heterogene Ursachen

Die Ursachen für Lieferengpässe sind vielfältig. Haupttreiber ist laut der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) die zunehmende Globalisierung des Arzneimittelhandels.

Weitere Faktoren sind:
Weltweite Nachfrage steigt: Nicht nur europäische, sondern auch andere Märkte – v. a. in den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) – wachsen stetig. „Dort verbessert sich die Lebenssituation der Bevölkerungen, womit mehr Gesundheitsleistungen nachgefragt werden. Auch Obamacare hat großen Einfluss auf den Arzneimittelbedarf. Die Industrie kommt der Verpflichtung zur Arzneimittelversorgung in allen Ländern nach“, versichert Huber.

Produktion und Konzentration: Auf Grund des hohen Preisdrucks finden ein Outsourcing der Rohstoffproduktion in Billiglohnländer sowie eine Reduktion der Produktionsstätten statt. Zudem wird die Lagerhaltung auf ein Minimum reduziert. „Die Zentralisierung auf wenige Standorte kann zu Produktionsproblemen führen – bspw. wenn die Zulassungsbehörden einen Mangel feststellen. Zudem importiert die Industrie viele Rohstoffe aus Asien, die alle seit Juli 2013 nach den GMP-Richtlinien produziert werden müssen. Die Umstellung aller Lieferanten auf die hohen Qualitätsanforderungen ist nicht immer ganz einfach und kann zu Lieferproblemen führen“, veranschaulicht Huber. Vlasek anerkennt die Probleme und Entwicklungen, wirft aber ein: „Die Industrie muss bedenken, dass sie mit ethischer Ware handelt. Dringend benötigte Arzneimittel sollten innerhalb von 1–2 Tagen lieferbar sein. Befinden sich die betroffenen Medikamente im Erstattungskodex, ist auch die Politik gefordert, Druck auszuüben.“

Österreich als unattraktiver Markt? Eine immer wieder geäußerte Kritik ist, dass die Versorgung für große Pharmakonzerne keine Priorität habe, da Österreich nur Kleinabnehmer sei. Dazu meint Huber: „Man muss sich von dieser Vorstellung lösen. Ist ein Produkt im Erstattungsmarkt für längere Zeit nicht lieferfähig, wird es aus dem Erstattungskodex fliegen. Das ist nicht im Interesse der Firmen.“

Österreich als Exportland: Bezüglich der Arzneimittelkosten ist Österreich ein Niedrigpreisland. „Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger handelt sehr gute Medikamentenpreise aus, damit das Sozialsystem finanzierbar bleibt. Dies führt bei Firmen zu Überlegungen ob der Wirtschaftlichkeit. Dennoch sind einige Lieferengpässen meines Erachtens unverständlich, da die betreffenden Arzneimittel weder besonders teuer noch billig sind“, so Vlasek. Huber ortet das Problem im Export und den damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen. „Der Verkehr mit Medikamenten ist frei. Teile der Wertschöpfungskette – vor allem Großhandel und auch Apotheken – machen sich die niedrigen Preise zu Nutze, um mittels Exporten wirtschaftliche Erfolge zu erreichen. Diese Medikamente könnten dann im Inland fehlen.“

Sparen beim Einkauf: Auch Vorgaben der Politik können zu Lieferengpässen führen. Huber führt hier beispielhaft die Ausschreibungspraxis bei Impfstoffen an. „Diese muss sich im Sinne der Versorgungssicherheit grundlegend ändern. Statt nur einer Firma den Zuschlag zu geben und das Risiko eines Engpasses zu riskieren, sollten mehrere Impfstoffhersteller partizipieren können. Hier fehlt mir das Verständnis und die strategische Ausrichtung in der Beschaffung durch die öffentliche Hand.“ Parallelimporte wiederum können inländische Hersteller schwächen und führen zu einer Umverteilung der Ressourcen von Niedrigpreis- in Hochpreisländer.

Plan gegen Engpässe in Arbeit

Die Internationale Gesellschaft für Pharmatechnik (ISPE) wird gemeinsam mit allen Stakeholdern einen Präventionsplan für Arzneimittelengpässe entwickeln. Dieser soll eine Leitlinie für die Industrie sein, um eine zuverlässige, widerstandsfähige und belastbare Lieferkette zu schaffen. Governance- und Kommunikationspraktiken, Risikomanagement sowie Herstellungs- und Qualitätssysteme sollen optimiert werden. Dazu Huber: „Die Kommunikation in der Wertschöpfungskette kann verbessert werden. Derzeit läuft ein Pilotprojekt, dass es der Industrie ermöglicht, Lieferengpässe und die Wiederverfügbarkeit direkt in das Warensystem der Apotheken einzuspielen.“ Der Start für alle Apotheken soll spätestens im 3. Quartal 2014 erfolgen.

Quelle: Presseaussendung der ISPE am 28. 04. 2014