„Mit Medikamenten spielt man nicht “

Apotheker Krone: Die Krankenkassen scheinen saniert und melden Überschüsse, da taucht der Ruf nach neuen Reformen und wieder einmal Zusammenlegungen auf. Was sagen Sie als neuer Kassenchef dazu?

Peter McDonald: Mein Reformansatz ist einer, der über eine Türschilddebatte hinausgeht. Ich möchte das gesamte Gesundheitswesen weiter verbessern, und wir müssen auch stärker bewusstmachen, was die Sozialversicherung leistet. Das ist kein Institut, Sozialversicherung sind wir alle. Wir haben ein hervorragendes und geniales System. Wenn es das nicht gäbe, müsste man es erfinden. 98 Prozent der Ausgaben gehen in Leistungen, nur zwei Prozent in die Verwaltung. Das ist ein Spitzenwert.

Also bleibt alles beim Alten?

McDonald: Nein, wir müssen ständig daran arbeiten, das System zu verbessern. Dazu möchte ich das Gesundheitswesen wieder stärker an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten – der Versicherten und der Menschen, die im System arbeiten. Man muss aber auch klarstellen, was das Gesundheitswesen eigentlich leistet. Es wird hier vieles als selbstverständlich betrachtet, was es nicht ist. Das beginnt damit, dass ich jederzeit in ein Spital gehen kann oder zum Arzt und nur meine E-Card herzeigen muss – und nicht wie in anderen Ländern die Kreditkarte. Die Sozialversicherung garantiert für nahezu hundertprozentig der Bevölkerung eine Absicherung im Krankheitsfall und finanziert das solidarisch. In Kombination mit den Leistungen aller im System Beschäftigten – von den Apothekern über die Ärzte bis zu den Pflegekräften und vielen anderen – ist das großartig. Darauf können wir stolz sein.

Sie sagen, dass Sie das System weiterentwickeln wollen – wohin?

McDonald: Das Ziel der Gesundheitsreform ist, die Steuerung des Systems besser zu vernetzen. Bund, Länder und Sozialversicherung, die bisher für unterschiedliche Bereiche zuständig waren, sprechen nun eine gemeinsame Sprache. Wir haben die Grundlage für eine Gesundheitsreform geschaffen, jetzt müssen wir sie so umsetzen, dass die Menschen die Vorteile spüren. Und das geht wiederum nur, wenn wir mit jenen Menschen, die nah an den Patienten dran sind, wie Apotheker und Ärzte, zusammenarbeiten.

Das klingt noch recht abstrakt. Was sollen die Menschen genau spüren?

McDonald: Die Menschen haben das Bedürfnis, dass Ärzte für sie da sind, wenn man sie braucht, und sie mit dem Arzt ein wertschätzendes Gespräch führen können. Sie wünschen sich eine bessere Vernetzung der Akteure und aller Gesundheitsberufe, und sie wollen im Krankheitsfall nicht fünf Mal die Krankengeschichte schildern und aufzählen, welche Medikamente sie nehmen. Wenn es am Wochenende ein Problem gibt, wollen sie eine kompetente Anlaufstelle. Hier müssen wir in der Primärversorgung konkrete Lösungen finden. Wir betreten dabei Neuland. Deshalb entwickeln und starten wir jetzt Pilotprojekte. Wir müssen gemeinsam neue Wege beschreiten, etwas ausprobieren, dadurch gescheiter werden und dann gute Lösungen finden.

Welche Rolle sollen dabei die Apotheken spielen?

McDonald: In der Arzneimittelversorgung haben wir ein gutes und sicheres System mit den Apotheken. Sie halten über ganz Österreich in den verschiedensten Regionen alle Medikamente vor, die nötig sind, und stellen sicher, dass die Menschen diese auch bekommen. Man muss einmal sagen, dass ohne Apotheken das österreichische Gesundheitswesen, wie wir es kennen, nicht funktionieren würde. Hier spreche ich allen in den Apotheken Tätigen meine persönliche Wertschätzung für ihre wichtige, tägliche Arbeit aus.

Das System scheint aber zu bröckeln – Stichwort Versandhandel, der im kommenden Jahr erlaubt wird.

McDonald: In vergangenen Jahren wurde vom Gesetzgeber auf europäischer und nationaler Ebene die Möglichkeit der Abgabe von Medikamenten im Versandhandel geschaffen. Dies jedoch unter strengen Voraussetzungen, sodass heimische Apotheken dieses Service für die Patienten anbieten können, aber mit der Einschränkung auf nichtrezeptpflichtige Medikamente. Aus meiner Sicht muss bei der Ausgestaltung der vorgesehenen Umsetzungsverordnungen weiterhin besonderes Augenmerk auf die Fälschungs- und Arzneimittelsicherheit und den Datenschutz gelegt werden.

Schon jetzt hat die Möglichkeit, Medikamente via Internet zu bestellen, dazu geführt, dass Fälschungen auftauchen. Wie kann man das unterbinden?

McDonald: Für mich ist es wichtig, dass unsere Versicherten sichere Medikamente bekommen. Die Abgabe von Medikamenten in Apotheken ist in Österreich streng geregelt und unterliegt hohen Qualitätsanforderungen und behördlichen Kontrollen. Die Versicherten können aus Sicht der Sozialversicherung darauf vertrauen, dass sie bei Bezug über die legale Vertriebskette in den Apotheken auch sichere Medikamente bekommen. Mit Medikamenten spielt man nicht!

Viele Apotheken kämpfen derzeit allerdings mit sinkenden Umsätzen. Generika einerseits und hochpreisige Medikamente andererseits belasten die Spannen.

McDonald: Wir befinden uns generell in schwierigen Zeiten. Auf die Sozialversicherung kommen herausfordernde Zeiten zu: Die Prognosen zum Wirtschaftswachstum sind nicht berauschend, und das wirkt sich auf die Beitragseinnahmen aus. Andererseits stehen durch den medizinischen Fortschritt und neue Medikamente auch hohe Ausgaben an. Deshalb ist es auch gut, dass der Sanierungskurs der vergangenen Jahre gefahren wurde, so können wir uns dennoch den kommenden Herausforderungen stellen.

Ein Punkt, der laufend in Diskussion steht, ist das Dispensierrecht für Hausärzte über Hausapotheken. Die Ärztekammer will das sogar ausweiten und mit entsprechenden Zusatzeinnahmen den Nachwuchsmangel bei Allgemeinmedizinern bekämpfen. Soll es bei den Hausapotheken Änderungen geben?

McDonald: Ich sehe keinen Ärztemangel. Es gibt gesamtgesellschaftlich einen Trend zur Landflucht, und der macht auch vor akademisch hochgebildeten Gruppen nicht halt. Das sind Herausforderungen, für die es gesamtgesellschaftliche Lösungen braucht. Wir versuchen Jungärzten mit der Ausbildung und Lehrpraxen die Arbeit im niedergelassenen Bereich zu zeigen. Die Frage wird sein, wie man die Akteure im ländlichen Raum besser vernetzen kann. Dazu braucht es Kooperation und Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten. Bei der Frage der Hausapotheken gilt das ebenso. Hier sind beide Standesvertretungen gefordert. Wir müssen gemeinsam im System versuchen, dass wir im Sinne der Patienten weiterkommen. Das braucht Aufgeschlossenheit und Dialogbereitschaft.