Neue Erkenntnisse zu rheumatischen Erkrankungen

Wie jedes Jahr bot der europäische Rheumatologie-Kongress der European League Against Rheumatism (EULAR) in Rom ein breites Themenspektrum, von der Grundlagen- und translationalen Forschung bis hin zu klinischen Innovationen. Die Veranstaltung fand heuer bereits zum 16. Mal statt und war mit 14.000 Teilnehmern aus über 100 Ländern bestens besucht.

Die vorgestellten neuen Empfehlungen zur Behandlung der Psoriasis-Arthritis (PsA) verbreitern das Therapiespektrum für diese Erkrankung. Zahlreiche neue Präparate sind enthalten, traditionelle DMARD und TNF-α-Blocker dominieren aber klar. Die Leiterin der EULAR Task Force PsA, Prof. Dr. Laure Gossec, Frankreich, betonte: „Wir haben versucht, die richtige Balance zwischen Effektivität, Sicherheit und Kosten zu finden.“ Die schon bisher gültigen übergreifenden Therapieprinzipien bleiben weitgehend unverändert. Behandlungsziele sind die Verbesserung der Lebensqualität sowie Verhinderung struktureller Schäden an den Gelenken durch die Kontrolle der Entzündung. Das klinische Ziel heißt Remission und möglichst geringe Krankheitsaktivität. Ausdrücklich hingewiesen wird auf die Behandlungsnotwendigkeit von vaskulären Komplikationen, die bei PsA – ähnlich wie bei der rheumatoiden Arthritis (RA) – hoch sind.

Trotz großer Fortschritte bei der Entschlüsselung der Pathomechanismen der PsA sind viele Fragen zur Verbindung zwischen Haut- und Gelenksymptomen offen. „Es hat lange gedauert, bis Einigkeit darüber bestand, dass die bei Patienten mit PsA beobachteten Haut- und Gelenksymptome zusammengehören und eine Krankheitsentität bilden, denn die Phänotypen können sehr variabel sein“, berichtete Prof. Dr. Rik Lories, Belgien. Je nachdem, ob Haut- oder Gelenksymptome im Vordergrund stehen, unterscheidet sich die Wahrscheinlichkeit eines Angehörigen ersten Grades, ebenfalls an der jeweiligen Manifestation zu erkranken. Wenn die Psoriasis dominiert, ist das Risiko hierfür achtfach erhöht. Wenn die Gelenkbeschwerden im Vordergrund stehen, ist das Risiko für diese Manifestation 40-fach erhöht. Die Faktoren, die bei Psoriasis-Patienten zu einer Arthritis führen, sind komplex. Unter anderem erhöht eine Verletzung (Trauma), besonders bei Beteiligung der Knochen oder der Gelenke, bei Psoriasis-Patienten das Risiko, eine PsA zu entwickeln; dies fand man in einer großangelegten Studie mit über 15.000 Psoriasis-Patienten heraus.

Patientinnen mit Lupus und Antiphospholipid-Syndrom (APS) haben ein erhöhtes Risiko für reduzierte Fruchtbarkeit und Schwangerschaftskomplikationen. Die EULAR stellte deshalb Empfehlungen zur Reduktion dieser Risiken und zur Unterstützung einer gesunden Schwangerschaft vor. Eine HPV-Immunisierung wird jungen Frauen mit stabiler beziehungsweise nicht aktiver Erkrankung empfohlen. Patientinnen, die eine Schwangerschaft planen, sollten unter Berücksichtigung von Krankheitsaktivität, serologischem Profil, Bluthochdruck und Medikation beraten und behandelt werden.

Komorbiditäten als wichtiges Thema

Negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit junger Frauen zeigen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAID), die häufig zur Behandlung von Schmerz, Inflammation und Fieber eingesetzt werden. Unter NSAID hatten nur 6,3 % (Diclofenac), 25 % (Naproxen) und 27,3 % (Etoricoxib) der Frauen einen Eisprung, verglichen mit 100 % in der Kontrollgruppe.

Ein wichtiges Thema sind auch Komorbiditäten. Die EULAR gibt Hilfestellung im Rahmen einer Initiative zum Management von Komorbiditäten bei rheumatischen Erkrankungen. Zu den wichtigsten Begleiterkrankungen zählen maligne Erkrankungen, Infektionen, Osteoporose, Depressionen und kardiovaskuläre Erkrankungen. Diese Erkrankungen kommen bei Rheumapatienten nicht nur häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung, sie werden auch schlechter behandelt. Gleichzeitig beeinflussen die Komorbiditäten den Therapieerfolg und die Verträglichkeit von Rheumamedikamenten. Bezüglich der wichtigsten Komorbidität, der Atherosklerose, sollte festgestellt werden, ob jemals eine ischämische Herzerkrankung, ein Schlaganfall, eine Herzinsuffizienz oder eine PAVK der unteren Extremitäten diagnostiziert wurde. Im zweiten Schritt sind die Risikofaktoren für Athero­sklerose wie Rauchen, Übergewicht, Hypertonie und Hypercholesterinämie zu erfragen sowie ob und welche Medikamente dagegen eingenommen werden.

Obwohl praktisch alle Impfungen bei Patienten mit RA sicher und effektiv und RA-Patienten eine Risikogruppe für Infektionen aller Art sind, ist nur jeder vierte Patient optimal geimpft. „Die COMORA-Studie zeigt, dass nur 25 % der Patienten im Jahr vor der Befragung eine Grippeimpfung erhalten hatten, und nur bei 17 % war in den fünf Jahren vor der Befragung eine Pneumokokkenimpfung erfolgt“, so Prof. Dr. Dimitros Vassilopoulos, Griechenland. Nur 10 % der Patienten hatten einen adäquaten Impfstatus hinsichtlich beider dieser Impfungen. Die Pneumokokkenimpfung gilt als Indikationsimpfung bei Vorliegen einer RA und sollte alle fünf Jahre aufgefrischt werden. Auch die Impfung gegen Herpes Zoster ist für RA-Patienten über 50 Jahren hoch relevant, denn ihr Zoster-Risiko ist fast zehnfach erhöht. Der Lebendimpfstoff sollte idealerweise vor Beginn der antirheumatischen Therapie verabreicht werden, aber auch unter DMARD-Therapie ist eine Immunisierung möglich. Nicht geimpft werden sollte unter laufender Biologikatherapie. Hinsichtlich der Effektivität der Zosterimpfung gab es keinen Unterschied zwischen Gesunden und RA-Patienten. Anders bei der Hepatitis-B-Impfung, die nur 11 % der RA-Patienten vor Hepatitis B schützt, im Vergleich zu 83 % der Menschen ohne RA. Diese Daten implizieren, dass RA-Patienten trotz Impfung ein erhöhtes Risiko für Hepatitis B haben. Ärzte und Patienten sollten sich dessen bewusst sein und versuchen, das Risiko für eine Infektion zu minimieren. Eine deutsche Studie zeigte, dass die Impfung gegen Varizellen bei Kindern mit rheumatischen Erkrankungen trotz vorangegangener immunsuppressiver Behandlung effektiv und sicher durchgeführt werden kann. Die Verwendung einer Checkliste mit immunologischen Kriterien erlaubte es den Wissenschaftlern, vorab verschiedene Patientengruppen zu identifizieren, die sicher und effektiv geimpft und so vor einer (bei immunsupprimierten Patienten) potenziell lebensbedrohlichen Infektion geschützt werden können.

Literatur:
Auf der Website von MedMedia finden Interessierte den Kongressreporter zum EULAR-Kongress 2015 mit Details zu ausgewählten Studien: http://www.medmedia.at/kongress/eular-2015/

 

Das lesen Ihre Kunden in der „Krone GESUND & Familie” am 19. 9. 2015

Je früher die Diagnose „rheumatoide Arthritis“ gestellt wird, desto besser sind die Therapiechancen. Die Therapie beginnt idealerweise innerhalb von drei Monaten nach dem Auftreten der ersten Symptome. Prim. Univ.-Prof. Dr. Ludwig Erlacher vom SMZ Süd in Wien erklärt, dass Biosimilars in ihrer Wirksamkeit und bezüglich der Nebenwirkungen den Originalpräparaten gleichwertig sind und in Zukunft Therapiekosten sparen könnten. Lange dauernde und hoch dosierte Steroidbehandlungen würden kaum noch durchgeführt. Mag. pharm. Kornelia Baumgartner rät zusätzlich zur vom Arzt verordneten Therapie zu Phytopharmaka mit Weidenrinden-, Zitterpappel-, Brennnessel-, Hagebutten- und Goldrutenkrautextrakt sowie Weihrauch.