„Pharmabranche kann nicht für fehlende Strukurreform zu Kasse gebeten werden“

Apotheker Krone: Die Verhandlungen zwischen dem Hauptverband und der Pharmabranche um einen neuen Rahmen-Pharmavertrag sind wohl endgültig gescheitert. Das Gesundheitsministerium hat nun einen Begutachtungsentwurf für eine gesetzliche Regelung vorgelegt. Wie beurteilen Sie diese Vorgangsweise?

Robin Rumler: Wir haben uns immer für eine vertragliche Lösung eingesetzt und tun dies weiterhin, denn der Rahmen-Pharmavertrag hat sich seit seinem Bestehen 2008 für beide Vertragspartner bestens bewährt. Dass es nun eine gesetzliche Vorlage gibt, mit der ein Zwangsrabatt eingeführt werden soll, sehen wir höchst kritisch, und die Pläne sind sicher nicht im Sinne einer partnerschaftlichen Verantwortung für unser Gesundheitswesen.

Das Ministerium und die Krankenkassen fordern nun 125 Millionen Euro pro Jahr. Die Wirtschaftskammer spricht bereits von einem Eingriff in Eigentums- und Grundrechte.

Rumler: Die pharmazeutische Industrie unterstützt seit Jahren die Kassen mit einem freiwilligen Solidarbeitrag von jährlich 18 Millionen Euro und finanziert daraus auch noch 36 Projekte für Kinder- und Jugendgesundheit – ein wunderbarer Beweis für eine gute Zusammenarbeit. Gesetze dagegen regeln selten gute Partnerschaften. Die nun geforderte Summe von 125 Millionen Euro irritiert die Branche empfindlich – sie ist wirtschaftlich absolut nicht vertretbar und bedeutet völliges Unverständnis bei den in den Standort Österreich investierenden Unternehmen.

Woran spießten sich die Gespräche im Detail?

Rumler: Es geht um die zentrale Frage, wie stark die Arzneimittelausgaben wachsen werden. Der Hauptverband geht für heuer von sieben bis acht Prozent aus, die Wiener Gebietskrankenkasse sogar von zehn Prozent. Wir hingegen – und das ist auch mit Mitgliederbefragungen und durch die Zahlen von IMS abgesichert – rechnen mit vier bis fünf Prozent. Das ist aber schon die Oberkante der internationalen Erwartungen. Tatsächlich wird aber das Wachstum derzeit pro Quartal sogar schwächer. Tatsächlich kommen drei Viertel der Unternehmen gar nicht auf drei bis vier Prozent Wachstum, sondern viel weniger. Als Branche müssen wir also auch eine Lösung finden, um den Solidarbeitrag gemeinsam zu schultern.

Die Kassen argumentierten damit, dass neue, innovative Medikamente zu teuer auf den Markt kommen und verweisen auf das Beispiel der neuen Hepatitis-C-Medikamente.

Rumler: Innovative Arzneimittel erhöhen die Lebenserwartung und Lebensqualität österreichischer Patienten und können gleichzeitig indirekte Kosten im Gesundheitswesen vermeiden helfen. Es kann nicht sein, dass Strukturreformen unterbleiben und das Minus der Krankenkassen im Gesamten von der Pharmabranche getragen werden muss. Wenn die Zwangsrabatte wirklich kommen, leidet nicht nur das Gesprächsklima, es ist auch gefährdend für die Arbeitsplätze in der Branche und für die klinische Forschung. Man darf nicht vergessen, dass wir mit 18.000 Beschäftigten eine ständig wachsende Zahl an Mitarbeitern in Österreich haben – und mit 14,4 Prozent des Umsatzes hat die Pharmawirtschaft die höchste Forschungsquote aller Branchen. Medizinischer Fortschritt ist ohne Forschung unmöglich, nur so können weiterhin innovative Arzneimittel für die Menschen entwickelt werden.

Sie sprechen von Strukturreformen. Welche Forderungen haben Sie hier?

Rumler: Derzeit profitieren die Kassen nicht davon, wenn Medikamente teure Operationen und Spitalsaufenthalte verhindern. Denn dieser Bereich wird vorwiegend von den Ländern finanziert. Wenn etwa neue Hepatitis-C-Medikamente teure Lebertransplantationen verhindern, nehmen die Spitäler weniger ein. Sie sind also kaum zu bewegen, den Kassen zusätzlich noch die Einsparungen weiterzugeben. Hier braucht es eine gesamthafte Betrachtung. Es liegen dafür alle Lösungen im Rahmen der Gesundheitsreform am Tisch. Wir erhalten aber krampfhaft alte und teure Strukturen. Hier braucht es mehr Reformwillen der Politik.

Wie sieht das Angebot der Pharmawirtschaft aus?

Rumler: Wir haben einen Solidarrabatt von 100 Millionen Euro für 2016 angeboten. Das entspricht einem Wachstum von 3,5 bis 4 Prozent. Und das ist wahrscheinlich schon mehr, als wir insgesamt in den kommenden drei Jahren schaffen werden. Deshalb bieten wir die Folgejahre jeweils 30 Millionen – wenn das Wachstum höher ist, zahlen wir höhere Beiträge. Mehr geht wirtschaftlich nicht. Und das gilt für uns nur, wenn wir auch einen Vertrag über drei Jahre erhalten. Was uns aber vor allem wichtig ist, ist dass wir die Produkte rasch auf den Markt bringen können und dass es ein klares Ja zu Innovationen und dem Standort gibt.

Prof. Dr. Robin Rumler ist Präsident des Verbandes der Pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) und Geschäftsführer von Pfizer Austria. Die Pharmig ist die freiwillige Interessenvertretung der österreichischen Pharmaindustrie. Derzeit hat der Verband 120 Mitglieder, die den Medikamenten-Markt zu gut 95 Prozent abdecken.