Preissenkungen per Gesetz

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. War die vom Gesundheitsministerium geplante Gesetzesnovelle zur Neuregelung des Erstattungskodex zuerst noch am Widerstand der ÖVP gescheitert, ging es nun sehr rasch: SPÖ und ÖVP nutzten eine rein technische Änderung im ASVG dazu, das Vorhaben mittels Abänderungsantrag im Schnellverfahren durch das Hohe Haus zu bringen. Künftig wird es in Österreich auch für Medikamente, die nicht im Erstattungskodex gelistet sind, eine Preisobergrenze geben. Neue teure Medikamente dürfen in Österreich grundsätzlich nicht mehr als im EU-Schnitt kosten. Zudem werden die Preisregelungen für Generika adaptiert und ähnliche Regelungen für Biosimilars fixiert.

„Wir sehen die nunmehr getroffene Einigung zwischen SPÖ und ÖVP zur ASVG-Novell äußerst kritisch. Eine derart wichtige Gesetzesmaterie ohne fundierte Diskussion durchzupeitschen ist ein Tiefpunkt des österreichischen Parlamentarismus“, kommentiert Dipl.-Kfm. Manuel Reiberg, Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI), die Beschlussfassung im Nationalrat. „Das könnte eine Preisspirale nach unten in Gang setzen, die langfristig die Versorgungssicherheit und den Zugang zu innovativen Arzneimitteln gefährdet.“
Ähnlich argumentiert Dr. Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig: „Die Kassen leben in einer Welt der alternativen Fakten, und leider finden sie mit ihren überzogenen Forderungen immer wieder Gehör bei der Politik.“ Derart massive Eingriffe in das bestehende Erstattungswesen seien keineswegs erforderlich: Für 2016 rechne der Hauptverband mit einem Gebarungsüberschuss von 81 Millionen Euro – großteils ermöglicht durch Solidarbeiträge der Pharmawirtschaft aus dem Rahmen-Pharmavertrag. „Die Arzneimittelausgaben sind 2016 gerade einmal um 2,9 Prozent gestiegen und liegen damit im politisch akkordierten Korridor von drei bis vier Prozent.“

Dr. Josef Probst, Generaldirektor im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, weist die Kritik zurück. Er sieht die Lösung als „vernünftigen Kompromiss“. Der EKO habe seit 2005 gut gedient, in der Zwischenzeit hätten sich aber die Dinge verändert, und man habe im Rahmen-Pharmavertrag vereinbart, die Erstattung bis Mitte 2016 neu zu regeln. Die Frist sei verstrichen. Probst: „Es gibt Studien, dass wir zwischen sechs und 16 Prozent über dem europäischen Listenpreis bezahlen. Es ist unsere Pflicht gegenüber den Versicherten, dass wir mit den Geldern sorgsam umgehen.“

Falsches Sparen bei Arzneimitteln sei ungesund, argumentiert hingegen die Industrie. Huber: „Derzeit ist Österreich ein Land, in dem die Patienten die bestmögliche Versorgung zur Verfügung haben. Das beste Beispiel dafür ist die Onkologie, bei der wir bei den Krebs-Überlebensraten europaweit auf dem hervorragenden vierten Platz liegen – eben weil innovative Therapien rasch bei den Betroffenen ankommen.“ Das unausgewogene Gesetz gefährde diese sehr gute Versorgung.

Betroffen sind von der Gesetzesnovelle übrigens alle Medikamente, nicht nur ausgewählte und hochpreisige Produkte. Gerade bei günstigeren Arzneimitteln und bei Generika könnte die neue Regelung dazu führen, dass Patienten gar nicht mehr mit den benötigten Medikamenten versorgt werden können, fürchtet Huber.

Protest kommt auch von der PHAGO, dem Verband der österreichischen Arzneimittel-Vollgroßhändler: „Die Neuregelung bedeutet in der Realität, dass ein derzeit gut funktionierendes Versorgungsnetz auf Kosten der Patienten gefährdet wird“, sagt PHAGO-Präsident Dr. Andreas Windischbauer. Der Arzneimittel-Vollgroßhandel könne seinen gesetzlich auferlegten Versorgungsauftrag nicht mehr erfüllen, wenn seine Spannen noch weiter sinken.124