Spannende Aspekte vom heimischen Impfkongress

Der von der Akademie der Ärzte veranstaltete Kongress mit dem Titel „Impfen: Vom Wissen zum Handeln“ erfreute sich mit rund 600 Besuchern regen Interesses und war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Dr. Karin Weißer vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) aus Deutschland widmete sich einem zuletzt sehr öffentlichkeitsstarken Thema, den aluminiumhaltigen Impfstoffen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und die EU haben mit 1,25 mg pro Dosis Maximalwerte für den Aluminiumgehalt in Impfstoffen für den Menschen festgelegt. Die in Europa zugelassenen Impfstoffe liegen unter diesem Grenzwert. Zur Sicherheit der Impfstoffe wurde eine Reihe von Untersuchungen durchgeführt. Dabei stellte man nur vereinzelt Nebenwirkungen fest:

  • Granulome: Es handelt sich um eine vorübergehende Reaktion, die auf Aluminiumhydroxid zurückzuführen ist. Diese Nebenwirkung ist vorübergehend und sehr selten persistierend.
  • Makrophagische Myofasciitis: Diese Reaktion ist weltweit sehr selten. Ein Zusammenhang mit Aluminium wird nur vermutet, da man die Substanz in den Einschlüssen von Makrophagen fand. Es sind auch Fälle beschrieben, die ohne vorangegangene Impfung auftraten. Vermutlich spielen genetische Dispositionen eine Rolle.
  • Kontaktallergien: werden in der Literatur beschrieben, treten aber nur selten auf.

Der Großteil des aufgenommenen Aluminiums (rund 95 %) wird aus dem Plasma schnell renal eliminiert. Nur bei längerer parenteraler Zufuhr und eingeschränkter Nierenfunktion kann es daher zu toxischen Aluminiumkonzentrationen kommen. Betroffen sind beispielsweise langjährige Hämodialyse-Patienten. Die Folgen können Anämien, Knochenerweichungen und Enzephalopathien sein. Die Mechanismen der toxischen Wirkung sind noch nicht aufgeklärt. Die EFSA hat im Jahr 2008 einen „tolerable weekly intake“ (TWI) von 1 mg Aluminium/kg KG festgelegt. Dieser Wert basiert auf dem NOAEL („no observed adversed effect level“), der nochmals durch den Faktor 100 geteilt wurde. Die WHO legte 2012 2 mg/kg KG/Woche fest. Der TWI gilt lebenslang für die perorale unbeabsichtigte Zufuhr löslicher Aluminiumsalze. Für die Exposition nach einer Impfung ist der Wert daher nicht gut geeignet. Kumulative Dosen aus Impfungen, die in den ersten beiden Lebensjahren verabreicht werden, liegen bei 2,2–4,0 mg und damit bei Herunterrechnen auf wöchentliche Dosen somit deutlich unterhalb des WHO-Werts. Datenvergleiche bei Frühgeborenen vor und nach Impfungen zeigen außerdem, dass die Aluminiumspiegel nicht relevant ansteigen. Eine punktuelle Überschreitung des TWI wäre nicht toxisch, weil die Sicherheitsfaktoren ausreichend sind.

Neuerungen im heimischen Impfplan

Priv.-Doz. Dr. Pamela Rendi-Wagner, Leiterin der Sektion III für Öffentliche Gesundheit und medizinische Angelegenheiten des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit, stellte Aktualisierungen im Impfplan vor, der seit dem 19. Jänner auf der Homepage des Ministeriums abrufbar ist.
Das jüngste Impfprogramm zur kostenlosen HPV-Impfung für drei Jahrgänge wird fortgesetzt und weiterhin in Schulen und öffentlichen Impfstellen angeboten. Rendi-Wagner hob hervor, dass Österreich das erste Land mit einem zweiteiligen Impfschema und einer geschlechtsneutralen Impfung war. Angaben und Erläuterungen wurden für die Influenzaimpfung, die Meningokokken-B-Empfehlung und die Impfung gegen Pneumokokken präzisiert und erweitert. Im Kapitel der Rötelnimpfung kam es zu einer Präzisierung der Interpretation der Antikörperbefunde laut Mutter-Kind-Pass. Die Angabe des HHT-Titers wurde durch den Nachweis von Röteln-spezifischen IgG-Antikörpern (≥ 10–15 IU/ml) ersetzt. Außerdem findet sich ein neues Kapitel zum Thema Aluminium sowie eine neue Tabelle zu postexpositionellen Prophylaxemöglichkeiten von impfpräventablen Erkrankungen. Hinsichtlich Pertussis wird eine Impfung für nicht immune Schwangere ab der 27. Schwangerschaftswoche empfohlen. Rendi-Wagner präsentierte die Daten aus einer GfK-Umfrage, laut der sich mehr als drei Viertel der Österreicher nicht gut über Impfungen informiert fühlen. Es gibt rund 4 % ultrakritische Impfgegner. Diese zu überzeugen sei nicht möglich. Bedenklich macht die Tatsache, dass nur noch etwas mehr als ein Viertel der Befragten die Masern als echte Bedrohung einstuft. Anders verhält es sich bei FSME: Rund 75 % der Befragten sehen die Erkrankung als ernsthaftes Risiko.

Pro und Contra Meningokokkenimpfung

Zwei interessante Beiträge betrafen das Für und Wider zur Impfung von Säuglingen gegen Meningokokken. Das Publikum im Saal wurde miteinbezogen und durfte vor den beiden Beiträgen abstimmen, ob es dafür oder dagegen sei. 94,2 % sprachen sich zu Beginn für die Impfung aus. Prof. Dr. Ulrich Heininger, Facharzt für Pädiatrie und Infektiologie am Universitätskinderspital Basel nahm den Pro-Standpunkt ein. Priv.-Doz. Dr. Hans Jürgen Dornbusch, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, brachte Argumente dagegen vor. Die stärksten Argumente gegen die Impfung sind Nebenwirkungen, die marginale Kosteneffizienz und die fragliche Umsetzbarkeit von In-vitro-Studienergebnissen – die klinische Wirksamkeit ist noch nicht erwiesen. Zahlreiche Fakten sprechen allerdings für die Impfung. Pro Jahr treten in Österreich 50–100 invasive Meningokokkenerkrankungen auf. Die Mehrzahl davon wäre impfpräventabel. Die Krankheitslast liegt vor allem im Säuglings- und Kleinkindalter mit einem Gipfel im ersten Lebensjahr. Nach den beiden Vorträgen sank der Anteil der Befürworter im Auditorium auf 84,3 %.

Hindernisse für die Masernimpfung

Die meisten Vorbehalte gegen die Masern-Mumps-Röteln-Impfung gibt es im Segment der Menschen mit höherer Bildung. 67 % der Impfgegner haben als höchste abgeschlossene Ausbildung die Matura oder ein Studium. Univ.-Prof. Dr. Heidemarie Holzmann, Leiterin der Abteilung für angewandte medizinische Virologie am Department für Virologie der MedUni Wien, erläuterte die vielfältigen Argumente gegen die Impfung. In manchen Fällen liegt zum Zeitpunkt der Impfung ein leichter Infekt Kind beim Kind vor, die Impfung wird dann verschoben. Viele Menschen empfinden die Impfung als nicht wichtig genug, haben Bedenken wegen der Nebenwirkungen oder verlassen sich auf die Herdenimmunität. In manchen Fällen hat der Arzt abgeraten (!). Sorgen macht, dass auch medizinisches Personal nicht durchgehend gegen Masern geimpft ist.

Streitpunkt Influenzaimpfung

Die Grippeimpfung wird von weiten Teilen der Bevölkerung immer noch kritisch gesehen. Mit einer Durchimpfungsrate von < 8 % rangiert Österreich weltweit gesehen weit hinten, wie Univ.-Prof. Dr. Ursula Kunze vom Institut für Sozialmedizin, Zentrum für Public Health der MedUni Wien, ausführte. Selbst beim Gesundheitspersonal sieht die Lage nicht deutlich besser aus: Nur 17 % sind geimpft. Wie bereits bei der Meningokokkenimpfung gab es auch zum Thema Influenza einen Pro-und-Contra-Vortrag. Vor Beginn dieses Themenblocks waren 80,56 % der im Hörsaal anwesenden für die jährliche Grippeimfpung. Durch die beiden Vorträge von Univ.-Prof. Dr. Michael Kundi (Pro), Leiter des Instituts für Umwelthygiene an der MedUni Wien, und Prof. Kunze (Contra), gab es kaum Verschiebungen. Argumente gegen die Influenzaimpfung beziehen sich in wissenschaftlichen Kreisen auf ein Cochrane Review (2010), aus dem eine limitierte Gesamteffektivität des Impfstoffes hervorging. Die Publikation ist allerdings nicht unumstritten und führte 2013 zu einer Entgegnung mit dem Titel „Cochrane re-arranged: support for policies to vaccinate elderly people against influenza“1.
Immer wieder wird von Impfgegnern der Antigenshift als Argument herangezogen. Dabei kommt es zum Auftreten von Influenzaviren, deren Subtyp nicht mit denjenigen übereinstimmt, die bislang in der Bevölkerung zirkulierten. Die genetische Zusammensetzung unterscheidet sich deutlich.2 Laut Prof. Kundi finden solche genetischen Ereignisse jedoch nur zirka alle 11 Jahre statt.

Univ.-Prof. Dr. Herwig Kollaritsch , Leiter der Epidemiologie und Reisemedizin am Institut für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin/MedUni Wien, widmete sich in seinem Vortrag dem Impfen im Alter. Ab 40 Jahren finden messbare und ab 50 Jahren klinisch relevante Alterungsprozesse statt, die zu einem schlechteren Ansprechen auf Impfungen führen. Es zeigen sich allerdings Unterschiede zwischen einer Re-Vakzination und einer Primovakzination. Wurde man schon in früheren Jahren geimpft, dann ist die Immunitätsdauer im Alter nicht wesentlich oder gar nicht beeinträchtigt. Das Impfen im Alter sollte daher idealerweise eine Fortführung der Immunisierungen sein.

Literatur

1 Beyer WE et al., Vaccine 2013, DOI: 10.1016/j.vaccine.2013.09.063

2 Robert-Koch-Institut: Influenza (Saisonale Influenza, Influenza A(H1N1) 2009, Aviäre Influenza), Stand 20. 12. 2013