Chirurgen zeigenLeadership

Prof. Dr. Dietmar Öfner-Velano, Präsident des 57. Österreichischen Chirurgenkongresses, will Lösungen aufzeigen, um Änderungen zum Wohl der Patienten vorantreiben zu können.

Der Chirurgenkongress hat diesmal neben wissenschaft­lichen auch organisatorisch brisante Themen am Programm. Wie kam es dazu?

Die Österreichische Gesellschaft für Chirurgie (ÖGC) ist eine Vereinigung, die sich vorrangig mit wissenschaftlichen Aufgaben und der Ausbildung beschäftigt. Wenn sich die Rahmenbedingungen in der Medizin so wie jetzt massiv ändern, dann ist es auch Aufgabe der ÖGC, diese Probleme anzusprechen und Lösungen zu finden. Daher haben wir uns für das Thema „Leadership – Verantwortung – Qualität am Patienten“ entschieden. Leadership hat viele Facetten und eignet sich daher besonders in Zeiten wie diesen als übergeordnetes Kongressthema.

Was sind die evidenten und noch wachsenden substanziellen Herausforderungen?

Leadership heißt auch, Verantwortung zu übernehmen. Wir sehen uns als Advokat des Patienten und müssen Verantwortung für die Zukunft und in der täglichen Routine am Krankenbett, also am Patienten, übernehmen, defensive Entscheidungen meiden und eine positive Fehlerkultur im Qualitätsmanagement vorantreiben. Ein Treiber der neuen Rahmenbedingungen ist die Demografie, aber auch der Kostendruck, die Ausbildungsordnung und die Arbeitszeitregelung verschärfen die ­Situation. Weitere Rahmenbedingungen, mit denen wir umzugehen lernen müssen, sind die zunehmende Selbstbestimmung der Patienten, aber auch Veränderungen im Versicherungssystem. Und nicht zuletzt wird die Chirurgie weiblich, das heißt, der Nachwuchs sind immer mehr Frauen, die andere Ansprüche an das Arbeitsumfeld stellen als männliche Kollegen.

Ist Leadership ein Ausweg aus der Krise?

Auch wenn Leadership bereits gelebt wird, es geht darum, mehr Breitenwirkung zu erzielen. Defensive Medizin sollte grundsätzlich zum Wohl der Patienten vermieden und nicht aus Angst vor möglichen Konsequenzen und Vorwürfen eingesetzt werden. Es ist wissenschaftlich belegt, dass wir viele Untersuchungen nur machen, um uns nicht der Gefahr auszusetzen, angreifbar zu werden. Manches davon ist auch nicht zum Vorteil der Patienten, wenn man etwa an die Strahlendosis beim Röntgen denkt.

Wie kommen wir zu einer positiven Fehlerkultur?

Ich beobachte, dass Fehler selten aus Unwissen oder mangelnder Fachkompetenz passieren. Meist sind es Fehler an Schnittstellen oder in der strategischen Planung. Dagegen kommt man mit Transparenz an. Je mehr wir über die Fehler wissen, desto besser können Maßnahmen zur Vermeidung abgeleitet werden.

Wie bleibt der Arztberuf attraktiv und der Nachwuchs gesichert?

Wir brauchen klare Ausbildungspläne und -ziele. Jeder Mitarbeiter hat seine Talente, da gilt es anzusetzen. Viele junge Kolleginnen und Kollegen zieht es aufgrund der Work-Life-Balance eher in die großen Städte. Das Angebot an den dortigen Kliniken ist größer, die Ausbildung umfangreicher, die Karrierechancen höher. Das wird die Zentralisierung vorantreiben und hier sind attraktive Austauschprogramme notwendig. Zudem ist die Chirurgie physisch und psychisch eine fordernde Disziplin. Ein Chirurg braucht jahrelanges Training und Übung, um die Chirurgie zu beherrschen. ­Daher werden das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) und mentales Training ein Thema beim Kongress sein.

Wann war der Kongress ein Erfolg für Sie?

Wenn er nachhaltig ist! Ich möchte, dass das Thema weiter diskutiert wird.