Kongressbericht: Neurochirurgische Therapie im Wandel der Zeit

OP-Simulator im Test

Die Abteilungen für Neurochirurgie und für Radiologie der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg Linz, das zentrale Radiologie-Institut des AKH Linz, der Klip- und Zangenhersteller Aesculap AG und die RISC Software GmbH führten im Zeitraum von 2013 bis 2015 das FFG BRIDGE Forschungsprojekt „Virtual Aneurysm“ durch. Ziel des Forscherteams war die Kopplung eines virtuellen Gefäßmodells mit haptischen Eingabegeräten und die Erstellung von geeigneten Trainingsszenarien zur Ergänzung der Ausbildung von Neurochirurgen.
Dazu wurden Algorithmen entwickelt, die modernste Grafikprozessoren nutzen, um in Echtzeit die Verformung und die Kraftrückkopplung der Gefäßwände zu berechnen. Eine haptische Rückkopplung sorgt für eine realistische Wahrnehmung von Berührungen. Die Simulation in der aktuellen Version umfasst das Betrachten des 3-D-Angiogramms, die Lagerung des Kopfes, die Kraniotomie, das Absetzen und Wiederaufnehmen von Klips, die aus einer Menge von unterschiedlichen Klip-Geometrien ausgewählt werden können. Mit der zweiten Hand kann nun ein zusätzliches Instrument verwendet werden. Postoperativ wird das Training anhand verschiedener Kriterien wie etwa Kraniotomie, Dauer, Ruptur, verwendete Klips, verbleibender Blutfluss ins Aneurysma bewertet.
Ein Prototyp des Simulators wurde zu einer klinisch einsetzbaren Produktstudie weiterentwickelt. Diese Version enthält eine umfangreiche Klip-Bibliothek, vorgefertigte Trainingsszenarien für Media-Aneurysmen sowie die Möglichkeit der stereo­skopischen 3-D-Darstellung während des Eingriffs. Eine Anlegezange wurde mittels Winkelmesssensor an die haptischen Geräte gekoppelt und kann zur Durchführung des Trainings realitätsgetreu verwendet werden. Die Rückschlüsse aus den ersten Testläufen in Linz und Wien wurden eingearbeitet und viele Verbesserungen im Ablauf und in der Bewertung der Ergebnisse vorgenommen. Die neue Version wurde im Juni 2016 in Linz einem weiteren Testlauf unterzogen.
Aufgrund der Verwendung aktueller Consumer-Technologie soll ein sehr günstiger Anschaffungspreis erreicht werden. Zur Kommerzialisierung wurde eine Kooperation mit dem kanadischen Simulatorhersteller OSSIM Technologies eingegangen, die erste Produktversion soll Mitte 2017 auf den Markt kommen.

Neurochirurgische Wachoperationen

Zerebrale Läsionen in eloquenten Hirnarealen werden häufig mittels einer Wachoperation reseziert. In einem multidisziplinären Operationsumfeld erfolgt bei kontinuierlicher neurologischer Überwachung die größtmögliche Tumorresektion. Ziel einer Studie von Aygül Wurzer, Stefan Wolfsberger, Thomas Czech und Engelbert Knosp von der Universitätsklinik für Neurochirurgie an der Medizinischen Universität Wien ist eine Darstellung der Erfahrungen, Indikationen und klinischen Ergebnisse von Wachoperationen.
Retrospektiv wurden die klinischen Daten aller Wachoperationen der letzten zehn Jahre erhoben: Art und Ablauf des Eingriffs, präoperative Neurologie, Lokalisation und angrenzendes eloquentes Areal, Bildgebung und Navigation, Histologie und klinisches Ergebnis. Als eloquente Hirnareale wurden das Broca- und Wernicke-Areal, die Insel der dominanten Hemisphäre sowie der sensomotorische Kortex beidseits definiert.
Resultate:
Im Zeitraum zwischen 2007 und 2016 wurden 63 Wachoperationen an 55 Patienten durchgeführt. Bei 43 Fällen erfolgte die Resektion einer Raumforderung, bei zwölf Fällen eines epileptischen Fokus. Die Erstsymptome waren: epileptischer Anfall (69 %), Sprachstörung (14 %), Hemihypästhesie (3 %), Hemiparese (2 %), Kopfschmerzen (5 %). Bei 7 % handelte es sich um einen Zufallsbefund. Die Indikation zur Wachoperation war die Nahebeziehung zum Wernicke-Areal (30 %), Broca-Areal (21 %), Übergang Broca/präzentral (11 %), zur Insel links (21 %) und zum sensomotorischen Kortex beidseits (17 %). Eine multimodale Bildgebung wurde bei allen Patienten zur intraoperativen Navigation verwendet. Histologisch fanden sich 23 high-grade Gliome, 24 low-grade Gliome, drei Kavernome, ein Meningeom sowie Dysplasien/gliotische ­Veränderungen bei den zwölf Epilepsiepatienten. Postoperativ bestand bei 45 % der Patienten eine Sprachstörung (36 % temporär, 9 % permanent); bei zwei Patienten (4 %) trat eine Wortfindungsstörung postoperativ neu auf. Eine subtotale bis totale Tumorresektion konnte bei 72 % der Fälle erzielt werden, eine partielle Resektion bei 24 %, eine Biopsie erfolgte bei 4 %. Die Ergebnisse zeigen, dass Läsionen angrenzend an eloquente Hirnareale mittels einer Wachoperation sicher und mit einem guten neurologischen Outcome reseziert werden können.

 

 

Methoden der Faserbahndarstellung

Die weiße Substanz des Gehirns verbindet als ,,Informationsübermittler“ durch Projektionsfasern, Assoziationsfasern und Kommissurenfasern den Cortex, die einzelnen Kerngebiete und Rückenmarksganglien untereinander. Die Ursprünge der Faserbahndarstellung gehen auf den Anfang des letzten Jahrhunderts zurück, wie die makroskopische Dissektionstechnik nach Klingler und die klassischen neuroanatomischen Färbemethoden histologischer Schnittpräparate. Sie liefern ein zweidimensionales Bild. Den Schritt zur dreidimensionalen Bildgebung macht die konfokale Lasermikroskopie über die Multiphotonenmikroskopie bis hin zur STED-Mikroskopie. Schnittbildtechniken, die am lebenden Menschen angewendet werden können, sind das CT und das MRT, im Besonderen das funktionelle MRT sowie das DTI mit dem Fibertracking, das auf der Messung der Diffusionsbewegungen von Wassermolekülen im ZNS basiert. Die Annahme, dass die Richtung der schnellsten Diffusion der Richtung des Faserverlaufs entspricht, wird dazu genutzt, um die räumliche Orientierung der Nervenfaserbündel zu kartografieren.
Die Vorteile der Methodik liegen darin, dass kein Kontrastmittel und keine ionisierende Strahlung dafür benötigt werden. Sie erlaubt uns, funktionelle Verbindungen und pathologische Veränderungen in vivo darzustellen und zu erforschen.
Die Anwendungsgebiete reichen von der Schlaganfalldiagnostik über die Erforschung von neurodegenerativen Erkrankungen bis zum Einsatz in der intraoperativen Neuronavigation. Die diffusionsgewichtete MRT ist charakterisiert durch ein niedriges Signal-Rausch-Verhältnis, eine hohe Artefaktanfälligkeit und damit Benutzerabhängigkeit. Ein weiterer Nachteil liegt in der nur begrenzt möglichen Visualisierung von ,,kissing“ oder ,,crossing fibers“ und den sogenannten ,,U-fibers“. Es gibt bereits einige interessante Ansätze, um die Benutzerabhängigkeit der Methodik zu verringern und die Auflösung zu verbessern, wie die ,,proportional grid“ oder die TEND-Technik.

Quelle: Abstracts zur ÖGNC Jahrestagung 2016