Möglichkeiten und Grenzen der Gelenkerhaltung

Knorpelabnützung und Arthrose sind die häufigsten orthopädischen Erkrankungen und die häufigsten Ursachen für Schmerzen am Bewegungsapparat. Aufgrund der pandemischen Ausbreitung der Arthrose wurden die letzten zehn Jahre weltweit von der WHO auch als „joint decade“ bezeichnet, um die Relevanz der Arthrose für die Weltbevölkerung zu unterstreichen. Besonders beeinträchtigend für die Patienten ist die Arthrose der Kniegelenke, die am häufigsten von arthrotischen Veränderungen betroffen sind. Der Endpunkt der Arthrose, die vollständige Zerstörung des Gelenkknorpels, mündet nicht selten in einen Ersatz des eigenen Gelenkes durch eine Endoprothese.
Arthrose ist auch eine Alterserscheinung, die durch Verschleiß und Degeneration zum progredienten Abbau des Gelenkknorpels führt. Dieser Alterungsprozess ist nicht aufzuhalten, doch gelenkerhaltende Therapien – sowohl konservative als auch chirurgische Behandlungsformen – schaffen Behandlungsmöglichkeiten.

Konservative Therapieformen

Hyaluronsäure: Die am meisten verbreitete Therapieform der Arthrose ist die intraartikuläre Verabreichung sogenannter Viskosupplementiva. Dabei handelt es sich in erster Linie um Hyaluronsäure-Präparate, die über eine Modifikation der Zusammensetzung der Synovialflüssigkeit zu einer Schmerzreduktion führen sollen. In Studien ist die Wirksamkeit von Hyaluronsäure zur Behandlung von arthrosebedingten Kniegelenkschmerzen gesichert, wenngleich die Langzeitwirkung fraglich ist. Meist ist die Schmerzlinderung kurz andauernd und wiederholte Gaben sind notwendig. Der oft fälschlich verwendete Begriff „Knorpel­aufbau“ ist irreführend, da die Wirksamkeit auf einer geänderten Viskosität der Synovialflüssigkeit beruht, nicht jedoch auf einer Erneuerung des Knorpelvolumens.

Plättchenreiches Plasma (PRP): Bei diesem Therapiever­fahren werden dem Patienten etwa 10 ml Vollblut entnommen. Dieses wird zentrifugiert, sodass plättchenreiches Plasma gewonnen wird, das dann intraartikulär verabreicht wird. In ­mehreren Studien konnte bisher gezeigt werden, dass die Wirksamkeit vom PRP hinsichtlich der Dauer und Intensität der Schmerzreduktion jener der Hyaluronsäure überlegen sein dürfte. PRP wird in der Orthopädie und Unfallchirurgie auch bei akuten Sehnen- oder Muskelverletzungen oder auch bei Verletzungen des vorderen Kreuzbandes oder der Menisken eingesetzt. Die intraartikuläre Verabreichung nach arthros­kopischen Operationen, erscheint ebenfalls Erfolg ver­sprechend, wenngleich eindeutige klinische Daten dazu noch ausständig sind.

Extrakorporale Stoßwelle (ESWT): Stoßwellen-Behandlungen sind seit Jahrzehnten in der Orthopädie etabliert. Besonders wirksam ist die Behandlung mit Stoßwellen bei verkalkenden Erkrankungen – zum Beispiel Kalkschulter – und bei chronischen Überlastungen der Sehnen. In vielen Fällen kann bereits eine einzige Behandlung mit fokussierten Stoßwellen sinnvoll sein und Beschwerdelinderung bringen. Innovative Therapiestrategien berücksichtigen die Stoßwelle auch bei Abnützungen des Gelenkknorpels als additives Verfahren. In mehreren experimentellen Arbeiten konnte der positive Effekt der Stoßwelle auf das intraartikuläre Milieu und auf den Gelenkknorpel gezeigt werden. Klinische Studien, die diese experimentellen Arbeiten stützen, fehlen jedoch noch.

Arthroskopische Operationen

Meniskus: Gelenkerhaltende Operationen sind seit Langem eine Domäne der arthroskopischen Chirurgie. Nahezu alle Indikationen der Meniskus- und Kreuzbandchirurgie sind arthros­kopisch lösbar und sind dementsprechend zum Goldstandard gereift. Die minimalinvasiven Verfahren haben offene Operationen in diesem Zusammenhang zur Gänze abgelöst, zum Vorteil für die Patienten hinsichtlich verkürzter Spitals­liegedauer und perioperativen Infektraten. Bei meniskus­chirurgischen Eingriffen ist möglichst der Erhalt des Meniskusgewebes anzustreben. Unter Kenntnis der fortschreitenden Arthrose nach ausgedehnten Teilresektionen hat die Meniskusrefixation bei geeigneten Rissformen resezierende Verfahren abgelöst. Wichtig ist dabei auch die zeitliche Komponente, zumal der Erfolg der Meniskusnaht von der möglichst frühzeitigen Operation abhängt. Die Meniskustransplantation ist in Einzelfällen eine Möglichkeit, ausgedehnte Meniskusdefekte nach resezierenden Eingriffen zu kompensieren. Die Indika­tionen für die Transplantation sind jedoch sehr eng zu stellen, weshalb die Fallzahlen generell gering sind. Dementsprechend sollte die Durchführung wenigen Zentren vorbehalten bleiben, die entsprechende Expertise vorweisen können.

Bandchirurgie: In der Behandlung von Bänderverletzungen um das Kniegelenk hat die Kenntnis um die biologischen Abläufe der Bandheilung die Prozesse in den letzten Jahren verändert. Die Wiederherstellung der Anatomie sowohl bei Seitenband- als auch Kreuzbandverletzungen führte zu innovativen und logischen Therapiekonzepten. Dabei werden auch die biologischen Besonderheiten intra- und extraartikulärer Bänder berücksichtigt. So ist es heute durchaus Standard, ein gerissenes vorderes Kreuzband bei entsprechender sportlicher Aktivität auch in der Frühphase der Verletzung operativ zu versorgen. Spezielle minimalinvasive Operationsmethoden ermöglichen heute ein subtiles, arthroskopisches Vorgehen, um das verletzte Band an der Ausrissstelle wieder zu befestigen, um es somit zu erhalten.
Auch die Ersatzoperation des vorderen Kreuzbandes wurde durch die Kenntnis der Anatomie modifiziert. So sind extra-anatomische Rekonstruktionsverfahren (transtibiale Technik) heute zugunsten der anatomischen Rekonstruktion (anteromediale Technik) obsolet.
Auch die Versorgung von Seitenbandverletzungen, bislang eher eine Domäne der konservativen Therapie, erfolgt zunehmend häufiger chirurgisch. Durch „Internal Bracing“, also innere Schienung der gerissenen Bandstrukturen, können anatomische Ausheilungen ermöglicht werden. Somit kann die Rate an sekundär auftretenden Instabilitäten verringert werden.
Ergänzt werden diese chirurgischen Maßnahmen vielfach durch Augmentationen mit PRP. Auch die Stoßwelle kommt in der Nachbehandlung immer mehr zum Einsatz, da die positiven Effekte auf die Gewebearten auch in der postoperativen Phase bekannt sind.

Knorpelchirurgie: Regenerative Knorpeleingriffe sind heute State of the Art und ermöglichen eine Ausdehnung gelenkerhaltender Eingriffe auf Indikationen, die früher wenig Erfolg versprechend erschienen. Zum einen sind es knochenmarkstimulierende Verfahren, die eingesetzt werden. Diese werden heute in „Microfracture“-Technik durchgeführt und haben die klassische Pridie-Bohrung abgelöst. Im Rahmen der Microfracture-Operation werden bei geeigneter Knorpeldefektgröße und -form ­kleine Löcher in den subchondralen Knochen geschlagen. Es kommt sodann zum Austritt von Knochenmarkbestandteilen und Wachstumsfaktoren in einen Fibrin-Clot innerhalb des Knorpeldefektes. Über diesen kommt es zur Bildung eines Regeneratknorpels. Dieser ist histologisch nicht ident mit dem hyalinen Knorpel, jedoch kommt es in über 80 Prozent der Fälle zu einer signifikanten Beschwerdebesserung.
Eine Alternative sind knorpelersetzende Eingriffe. In diesen Fällen werden entweder Kochen-Knorpel-Zylinder entnommen und in den Defekt eingesetzt oder Knorpelzellen gezüchtet, um danach reimplantiert zu werden (Knorpelzelltransplantation).
Durch diese Eingriffe ist es möglich, echten hyalinen Knorpel in dem Defekt zu erzeugen. Diese Eingriffe eignen sich besonders bei jungen Patienten mit frischen, fokalen Knorpeldefekten.

Grenzen der Gelenkerhaltung

Die Grenzen sind immer dann gegeben, wenn es sich um vorwiegend degenerative Knorpelschäden im fortgeschrittenen Lebensalter handelt. Arthroskopische Eingriffe alleine, wie die früher populäre „Gelenktoilette“ oder „Knorpelglättungen“, haben keinerlei positive Effekte und sind nicht mehr zu empfehlen. In diesen Fällen können jedoch durchaus gelenkerhaltende Methoden, wie oben angeführt, in Kombination sinnvoll sein. Besonders hervorzuheben ist dabei auch die Relevanz der Beinachse. Osteotomien zur Korrektur der Beinachse können bei relativ jungen Patienten mit entsprechender Abweichung der Beinachse sehr sinnvoll sein. Dabei ist „relativ jung“ in erster Linie nach dem biologischen, weniger nach dem kalendarischen Alter der Patienten zu definieren. Auch Beinachsenkorrekturen können mit den erwähnten bandrekonstruktiven und knorpelregenerativen Eingriffen kombiniert werden.