Packen wir es an…

Vor wenigen Tagen, am 25. Mai 2017, sind die Europäischen Verordnungen für Medizinprodukte und für In-vitro-Dia­gnostika in Kraft getreten. Von der Idee bis zum Inkrafttreten war es ein langer Weg – mehr als acht Jahre hat der Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene in Anspruch genommen.
Die Medizinprodukte-Verordnung ist nach einer dreijährigen Übergangsfrist ab 26. Mai 2020 verpflichtend anzuwenden, jene über In-vitro-Diagnostika nach einer fünfjährigen ab 26. Mai 2022. Angesichts dieser langen Vorlaufzeit scheinen die Übergangsfristen nun doch sehr knapp bemessen, denn die umfangreichen neuen Anforderungen an die Benannten Stellen, an die klinische Bewertung von Medizinprodukten bzw. an die Leistungsbewertungen von In-vitro-Diagnostika, grundsätzliche regulatorische Anforderungen an die Wirtschaftsakteure oder die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit werden nicht von heute auf morgen zu implementieren sein.
Wir alle sind nun gefordert, rasch die Arbeit aufzunehmen und eine Umsetzung in die Gänge zu bekommen. Das betrifft nicht nur die Industrie, sondern auch Spitäler mit Inhouse-Produktionen. Die AUSTROMED steht als Interessensvertretung der Medizinprodukte-Branche mit ihrer Expertise als kompetenter Dialogpartner zur Verfügung. Wir wollen mit unserem Know-how sicherstellen, dass die Inhalte der Verordnungen mit Augenmaß und Hausverstand auf den Boden gebracht werden. Nach dem Vorbild der Schweiz und Deutschland hat nun auch Österreich eine Arbeitsgruppe etabliert, die sich der Umsetzung im Detail annimmt.

Der Umstand, dass Österreich derzeit über keine Benannte Stelle verfügt, die für die Zulassung von Medizinprodukten dringend benötigt wird, zeigt zudem auf, dass dringend Entscheidungen auch auf politischer Ebene erforderlich sind. Pro Jahr, so schätzt unser Dachverband, die Internationale Vereinigung der Medizinprodukte-Unternehmen MedTech Europe, werden nach den neuen Regelungen jährlich rund 100.000 Medizinprodukte den Zertifizierungs- bzw. Rezertifizierungsprozess durchlaufen müssen. Während bisher rund 20 % der ­In-vitro-Diagnostika ein Zulassungsverfahren mit Benannter Stelle benötigten, werden es durch die Neuklassifizierung künftig 80 % sein. Die Arbeitsmenge für Benannte Stellen steigt also um ein Vielfaches, ohne dass derzeit absehbar ist, dass auch die Infrastruktur dafür nachzieht.

Wir sehen die aktuelle Situation als Herausforderung, durch eine aktive Mitarbeit aller Beteiligter aber auch die Chance, aus den umfassenden Anforderungen ein praxisorientiertes Instrument zu schaffen. „Packen wir es an“, muss die Devise lauten, um die Vorgaben aus der EU-Gesetzgebung im Sinne des Patientenschutzes bestmöglich umzusetzen.

 

Ihr

Philipp Lindinger