Revolution statt Evolution

Während die Politik noch weiter um die besten Versorgungseinheiten zu leistbaren Konditionen sowie die Lenkung der Patientenströme diskutiert, haben es zwei Mediziner in die Hand genommen, ein fast revolutionäres Konzept umzusetzen: den Gesundheitspark Graz-Reininghaus. Bis 2021 soll dort auf einem rund 28.000 m2 großen Areal ein multidisziplinäres Di­agnose- und Therapiezentrum entstehen. „Der Mix aus Tagesklinik und -chirurgie sowie Ambulanzen, Arztpraxen und einem Med-Hotel wird den künftigen Bedarf im extramuralen Bereich optimal abdecken und Versorgungssicherheit, Patientenkomfort, aber auch ein Extraplus an hochmodernem Arbeitsumfeld für engagierte Ärzte bieten“, beschreiben die beiden Initiatoren, der Internist Prim. Dr. Hanns Manfred Winkler und Gynäkologe Dr. Pedram Afschar, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Tageschirurgie und Medizinischer Entwicklungsvorstand der ACG Tagesklinik Errichtungs GmbH, das Pionierprojekt.

Dass es sich bei dem Projekt nicht nur um die Vision zweier engagierter Ärzte handelt, belegt das Dialysezentrum Graz-West – der erste Schritt des künftigen Gesundheitsparks, das kürzlich bereits seiner Bestimmung übergeben wurde. Die Kapazitäten sind für rund 60 Patienten pro Tag an 16 Dialyseplätzen ausgelegt. Knapp 40 Mitarbeiter stehen von 6.00 Uhr früh bis 2.00 Uhr nachts an sechs Tagen pro Woche zur Verfügung und verbinden hier medizinische Spitzenqualität mit einem Extraplus an Wohlfühlatmosphäre. Dafür sorgt einerseits das Know-how der Initiatoren, aber auch das der am Bau und der Ausstattung beteiligten Unternehmen, wie etwa des Medizinprodukteexperten B. Braun, der die gesamte Ausstattung – von der Hightech-Dialysestation bis hin zum Desinfektionsmittelspender – geliefert hat. „Die Zusammenarbeit mit B. Braun war sowohl in der Planung als auch in der Beratung und Umsetzung extrem hilfreich und es gibt kein vergleichbares Unternehmen, das ein gesamtes Krankenhaus mit Produkten ausstatten kann. Für die Entwicklung einer Krankenanstalt haben wir dort unseren idealen Partner gefunden“, so Winkler.

 

 

Wo Medizin und Ökonomie verschmelzen

Genau genommen verdanken die beiden Mediziner den Erfolg ihrer Idee nicht zuletzt auch der Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie und ihrer eigenen Klinikerfahrung. „Ich bin seit vielen Jahren nicht nur Arzt, sondern Unternehmer und Chef von rund 40 Mitarbeitern. Da lernt man zwangsläufig, auch mit Firmen außerhalb der Medizin zu arbeiten, zu verhandeln und Ideen zu entwickeln“, gibt Winkler Einblick in die Vorgeschichte und erzählt weiter: „Im Lauf der Zeit reifen die Gedanken, etwas auf die Beine stellen zu wollen, das Patienten, Personal und auch die Kostenträger zufriedenstellt.“ Mit steigendem Kostendruck und knapper werdenden Ressourcen im öffentlichen Versorgungssystem reduzierte sich auch der Widerstand etablierter Player gegen das Projekt. „Wir sind kein Primary Healthcare Center, denn dort wird das Problem zwischen intra- und extramuraler Verteilung auch nicht gelöst werden. Die meisten Patienten werden wieder im Spital landen, somit kann es keine Kostenvorteile geben und erst recht keine Strukturveränderung“, sind die Mediziner überzeugt. Warum die Ideen der Regierung auch für Mediziner kaum attraktiv sind, erklärt Afschar: „Ärzte wollen sinnvolle Arbeitsbedingungen bei geringem Risiko. Eine Tagesklinik kann genau das bieten.“ Eine fixe Anstellung ohne Nachtdienste und maximale Zeit für die Patientenversorgung schafft dieses Umfeld. Im Dialysezentrum Graz-West sind Ärzte auf Basis eines Krankenanstaltenvertrages angestellt, die Behandlungskosten übernimmt die Kasse. Für den Gesundheitspark wird eine Kooperation mit der KAGES angestrebt, der einen Versorgungsauftrag beinhalten wird, sodass auch hier eine Krankenanstalt als Rechtsform vorliegen wird.

Patientenströme lenken, aber richtig!

In der Steiermark ist die höchste Dichte an Krankenhausbetten Österreichs. In den nächsten 20 Jahren soll sich die Zahl der Einwohner verdoppeln und bis 2021 würden 500 neue Ärzte gebraucht, um die Versorgung in der jetzigen Form aufrechtzuerhalten. „Wir haben weder den Nachwuchs noch die finanziellen Mittel, um das zu schaffen“, weiß Afschar. Daher werden Spitalskapazitäten reduziert, Mitarbeiter freigesetzt und Patienten sollen in den niedergelassenen Sektor wandern. „Auch das kann nicht funktionieren, weil es das erforderliche extramurale Angebot ja auch nicht gibt“, so der Experte weiter. Im Grazer Gesundheitspark wird die Versorgung durch alle Fachdisziplinen angeboten, die es derzeit auch im Spital gibt, jedoch ohne Bettenkapazität, aber mit allen tagesklinischen und tageschirurgischen Leistungen laut LKF. „Österreich hat derzeit einen Anteil von 5 % bei tageschirurgischen Leistungen, Skandinavien im Vergleich dazu 80 %“, so Afschar. Dieses Potenzial wollen und müssen die Mediziner ausschöpfen, denn nur so wird der Gesundheitspark auch ökonomisch rentabel funktionieren. „Damit bleibt die teure Leistung im Spital und der Rest kann wirklich ausgelagert werden und hier sowohl kostendeckend als auch wirklich versorgungswirksam zur Verfügung stehen“, sind die Mediziner überzeugt. Der Erfolg scheint vorprogrammiert und auch in der Vision der Unternehmer fix verankert: „Wenn Graz läuft, wollen wir das Konzept auch auf andere Bundesländer übertragen.“