Wissen gibt Sicherheit

Trotz vieler Initiativen zur Aufklärung ist Inkontinenz noch immer ein Tabuthema – warum?

Inkontinenz ist eine tabuisierte Volkskrankheit. Trotz massiver Beeinträchtigung der Lebensqualität sucht nur etwa die Hälfte der Betroffenen ärztliche Hilfe. Harn- und Stuhlinkontinenz können heute in vielen Fällen mit gutem Erfolg behandelt werden, nur wissen zu wenige Betroffene davon. Viele meinen, Inkontinenz sei eine Alterserscheinung. Zudem kommt die Tatsache, dass in unserem Gesundheitssystem für längere und oft heikle Gespräche wenig Zeit bleibt.

Was muss passieren, damit sich das ändert?

Patienten mit Inkontinenz oder Blasenentleerungsstörungen geraten oft sehr leicht in soziale Isolation. Wir wollen zeigen, dass eine optimale Versorgung mit entsprechenden Produkten auch außerhalb der eigenen vier Wände gut funktionieren kann. Patienten sollen über umfassende Aufklärung und Schulung die notwendige Sicherheit bekommen, damit sie sich auf jeder Toilette selbst katheterisieren können und so nicht Gefahr laufen, sozial isoliert zu werden.
Ich denke, dass man an der Strategie der Aufklärung dranbleiben muss. Wenn Inkontinenz immer wieder zum Thema gemacht und ausreichend Information verbreitet wird, dann höhlt steter Tropfen auch den Stein. Wir merken deutlich, dass nach Beratungsevents oder Tagungen plötzlich doch mehr Patienten mit ihrem Anliegen zu uns kommen.

Welche Schwerpunkte dürfen die Teilnehmer von der diesjährigen 26. MKÖ Jahrestagung erwarten?

Als Gynäkologin sind mir natürlich die geburtshilflichen Themen ein großes Anliegen. Zudem ist mit Prim. Univ.-Prof. Dr. Lothar C. Fuith erstmals auch ein Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Präsident der MKÖ. Das spiegelt sich natürlich im Programm wider.
In der Geburtshilfe heißt es oft, rasch zu reagieren, das gilt auch für Geburtsverletzungen. Wenn hier auf eine optimale Versorgung geachtet wird, dann können Folgeprobleme reduziert oder überhaupt vermieden werden. Das Personal im Kreissaal sollte entsprechend geschult werden, um höhergradige Dammrisse noch besser zu erkennen und fachgerecht zu versorgen. Ein zusätzlicher Aspekt ist, dass es Hinweise gibt, dass mit zunehmendem Alter der Mutter das Risiko für Beckenbodenschäden im Rahmen der Geburt steigt.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist für eine rfolgreiche Therapie wichtig. Wie sieht das in der „gelebten Praxis“ aus?

Kurze Kommunikationswege und ein regelmäßiger inter­disziplinärer Austausch tragen wesentlich zum Behandlungserfolg bei komplexen Fällen bei. Die MKÖ fördert diese ­Entwicklung, indem Zentren mit entsprechenden Organisationsstrukturen und fachlicher Expertise ein Zertifikat verliehen wird.

Neben Ihnen ist auch noch Physiotherapeutin Elisabeth Udier im Tagungsteam. Wie kam es dazu?

Die MKÖ hat sich die Förderung von Maßnahmen zur Prävention, Diagnostik, Behandlung und Versorgung der Harn- und Stuhlinkontinenz zum Ziel gesetzt. Dies kann nur durch eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen umgesetzt werden. In diesem Sinn hat sich die interdisziplinäre Kooperation bereits in den letzten Jahren im Tagungsteam bewährt und ich könnte mir für diese Aufgabe keine bessere Partnerin wünschen.