Zukunft der Krebstherapien

Die rasante Entwicklung der Analysetechnologie eröffnet der Krebsmedizin überragende Chancen und wird auch zu einem kompletten Paradigmenwechsel führen. Die Technik hat uns dia­gnostische Möglichkeiten in die Hand gegeben, die man nutzen, aber auch beherrschen muss. Hämatologie und Onkologie sind aufgrund der breiten diagnostischen Möglichkeiten und der guten Verfügbarkeit von Patienteninformationen optimal für den Schritt in Richtung personalisierte Krebsbehandlung aufgestellt. „Wir sind an der Schwelle der Erkenntnis, dass wir mit einer weit höheren Diversifizierung von Tumoren konfrontiert sind, als wir uns das jemals gedacht haben“, so der Sprecher des Comprehensive Cancer Centers (CCC) Graz, Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg. „Die Einteilung von Tumoren driftet in Richtung Molekularbiologie. Signalwege werden in Zukunft ausschlaggebender sein als das Gewebe, in dem sich der Tumor manifestiert; die genetische Sequenzierung spielt eine größere Rolle als die Tumorhistologie.“

 

 

Diagnostisches Spektrum erweitert

Bei der personalisierten Medizin wird versucht, betroffenen Personen eine maßgeschneiderte Therapie anzubieten, die im Fall einer Tumorerkrankung auf Charakteristika des Tumorgenoms basiert, da bestimmte Mutationen Auskunft über Therapieansprechen geben können. Dabei wird das Tumorgenom mit neuesten Sequenzierverfahren auf diese Mutationen hin untersucht, die aufgrund ihrer Aussagekraft zur Prognose oder Ansprechen auch Biomarker genannt werden. Somit werden zunehmend Therapien angeboten, die nicht nur auf klinischen und histopathologischen Parametern, sondern zusätzlich auch auf solchen Biomarkern beruhen. „Im Rahmen der am CCC Graz in Umsetzung begriffenen Verfahren wird bei ausgewählten Patienten die Analyse des Primärtumors bzw. von Metastasen mittlerweile durch Anwendung neuester Sequenziertechniken am Institut für Pathologie durchgeführt. So konnte das diagnostische Spektrum bereits erheblich erweitert werden“, erklärt Ao.Univ.-Prof. Dr. Gernot Brunner, Ärztlicher Direktor am LKH-Universitätsklinikum Graz.
Eine besondere Eigenschaft des Tumorgenoms ist aber, dass es instabil ist und sich somit während des Krankheitsverlaufs ändern kann. Dies trifft auch auf den Status der Biomarker im Tumorgenom zu, sodass die personalisierte Medizin bei der Behandlung von Krebserkrankungen von effizienten Verfahren zur Überwachung des Tumorgenoms abhängt. Traditionell wurde dies anhand von Gewebebiopsien durchgeführt, was für die jeweiligen Patienten einen invasiven und damit häufig auch sehr belastendenden Eingriff darstellt. Eine zukunftsweise Methode ist die „liquid biopsy“, die auch mit der Herausforderung von Resistenzen fertigwird: „Die frühzeitige Erkennung derartiger Resistenzen und deren Mechanismen sowie neue Verfahren zur Überwindung dieser sind Themen weltweiter Forschungsbemühungen“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Michael Speicher, Leiter des Instituts für Humangenetik, Med Uni Graz. Am Institut für Humangenetik wurde eine Methode entwickelt, über Blutabnahmen Veränderungen im Tumorgeschehen nachvollziehen zu können, noch ehe die Resistenzsituation klinisch manifest wird.

Vielversprechende Ergebnisse

Bei der „liquid biopsy“ wird im Verlauf der medikamentösen Behandlung zu definierten Zeitpunkten Blut abgenommen, das am Institut für Humangenetik so aufbereitet wird, dass wesentliche Eigenschaften des Tumorgenoms daraus rekonstruiert werden und der aktuelle Status der Biomarker regelmäßig überprüft werden können. Diese Ergebnisse werden mit denen aus dem Primärtumor oder anderen vorausgegangenen Blutuntersuchungen verglichen, sodass die Entwicklung des Tumorgenoms verfolgt werden kann.In laufenden Studien am CCC Graz wird zurzeit getestet, inwieweit dieser Ansatz der „liquid biopsy“ geeignet ist, durch kontinuierliche Überwachung von Biomarkern das Therapieansprechen zu verbessern. Erste Ergebnisse legen nahe, dass die Entwicklung einer Resistenz gegen eine verabreichte Therapie mit einer „liquid biopsy“ in manchen Fällen früher als mit traditionellen Untersuchungsverfahren erfasst werden kann.

www.ccc-graz.at, www.medunigraz.at