Adipositaschirurgie reduziert langfristig das Diabetesrisiko

N Engl J Med 2012 Aug 23;367:695-704
Bariatric Surgery and Prevention of Type 2 Diabetes in Swedish Obese Subjects
Carlsson LMS, Peltonen M, Ahlin S, Anveden Å, Bouchard C, Carlsson B, Jacobson P, Lönroth H, Maglio C, Näslund I, Pirazzi C, Romeo S, Sjöholm K, Sjöström E, Wedel H, Svensson P-A, Sjöström L

 

Die Langzeitdaten zur Swedish Obese Subjects (SOS) Study (NCT01479452) bestätigen ältere Ergebnisse der Studiengruppe (Sjöström et al., New Engl J Med 2004), wonach eine chirurgisch erreichte Gewichtsabnahme das Diabetesrisiko von adipösen Personen langfristig reduziert. Die Analyse umfasst 1.685 zu Studienbeginn nichtdiabetische Personen mit ausgeprägter Adipositas (ein mittlerer Body Mass Index [BMI] von ≥ 34 kg/m2 bei Männern bzw. ≥ 38 kg/m2 bei Frauen), die sich zwischen 1987 und 2001 einer chirurgischen Adipositastherapie (Magenband, Magenbypass oder vertikale bandverstärkte Gastroplastik) unterzogen, sowie 1.771 Kontrollpersonen mit „Usual care“-Behandlung. Im Beobachtungszeitraum von nunmehr 15 Jahren lagen die Diabetesinzidenzraten (ein präspezifizierter sekundärer Endpunkt der SOS-Studie) bei 6,6 Fällen (bariatrische Chirurgie) vs. 28,4 Fällen (Kontrollgruppe) pro 1.000 Patienten und Jahr, entsprechend einer relativen Risikoreduktion von 78 % (p = 0,001). Dem gegenüber stehen eine postoperative Mortalität von 0,2 % sowie eine komplikationsbedingte 90-Tage-Reoperationsrate von 2,8 %. Der diabetespräventive Effekt der chirurgischen Intervention war statistisch unabhängig vom BMI der Teilnehmer, korrelierte aber mit dem Ausmaß der Nüchternhyperglyk.mie und mit den Seruminsulinspiegeln zu Studienbeginn.

KOMMENTAR – OA Dr. Hans-Peter Kopp

Die Studie von Lena Carlsson zeigt eine dramatische Reduktion der Inzidenz für Typ-2-Diabetes nach bariatrischer Operation von –78 % über einen Beobachtungszeitraum von 15 Jahren. Diese Ergebnisse sind umso erstaunlicher, als bei Einschluss in die Studie die Personen in der Interventionsgruppe im Mittel um 6 kg schwerer und alle Risikofaktoren signifikant höher waren als in der nicht operierten Kontrollgruppe, und weil der Anteil der Patienten mit Magenbypass, welcher nach allen Studien (mit der biliopankreatischen Diversion) die besten Daten für eine Diabetesremission zeigt, nur 12 % betrug. Weiters zeigte sich am Ende der Studie bei Personen im Kontrollarm weder im Gewichtsverlauf noch in der Diabetesinzidenz ein Unterschied – unabhängig davon, ob sie unter professioneller Hilfe versucht hatten, abzunehmen (54 %) oder nicht (46 %).

Frühere Auswertungen der SOS-Daten zeigten, dass der BMI weder ein Prädiktor für die Gesamtmortalität noch für die Inzidenz von Tumoren, Myokardinfarkt oder Schlaganfall ist. Dies wird durch diese Studie, in welcher der präoperative BMI ebenfalls in keinem Zusammenhang mit der Inzidenz des Typ-2-Diabetes steht, bestätigt. Die stärksten Prädiktoren der Reduktion der Diabetesinzidenz waren Nüchternblutzucker, Nüchterninsulin und Insulinresistenz (dies gilt genauso für Daten bezüglich der Gesamtmortalität, der Tumorinzidenz und der Myokardinfarktrate).

Diese Daten, in Zusammenschau mit der Tatsache, dass eine lange Diabetesdauer vor einem bariatrischen Eingriff der stärkste Prädiktor für das Wiederauftreten des Typ-2-Diabetes ist, sprechen eher für eine frühzeitige Intervention bei morbid adipösen Patienten mit Typ-2-Diabetes. Außerdem sollten nach diesen Erkenntnissen die Operationsrichtlinien mehr Augenmerk auf insulinresistente Typ-2-Diabetiker legen und weniger auf den BMI.