Niereninsuffizienz und konventionelle DMARD-Therapie: Was tun?


In den letzten Jahrzehnten kommt es durch das moderne Therapiemanagement bei entzündlichen Gelenkerkrankungen zu einem frühzeitigen und aggressiven Einsatz der DMARD entsprechend den EULAR-Recommendations. Allen Patienten sollte eine optimale Therapie zuteil werden, unabhängig von Alter, Geschlecht und vorhandenen Komorbiditäten. Patienten mit entzündlichen Gelenkerkrankungen bedürfen aber bis zum vollen Wirkungseintritt der DMARD auch einer zusätzlichen Schmerztherapie.

 

 

Niereninsuffizienz

Die chronisch renale Insuffizienz ist definiert entweder als Nierenschaden (pathologisches Harnsediment, Mikroalbuminurie, bildgebende Pathologien) oder als mindestens 3 Monate bestehende GFR ≤ 60 ml/min/1,73m2.
Während im Stadium 1 und 2 der chronischen Nierenerkrankung die glomeruläre Filtrationsrate normal, erhöht (Stadium 1) oder gering eingeschränkt (Stadium 2) ist, zeigt sich ab einer GFR unter 60 ml/ min/1,73 m2 ein Verlust von mehr als der Hälfte der funktionstüchtigen Nephrone. Ab Stadium 3 zeigen sich neben Komplikationen im Bereich des Knochenstoffwechsels, Säure-Basen-Haushalts, der Blutbildung und der Blutdruckregulation auch Veränderungen in der Elimination harnpflichtiger Substanzen. Die Abschätzung der glomerulären Filtrationsfähigkeit ist zur sicheren Medikamentendosierung außerordentlich wichtig.
Der Goldstandard zur Messung der GFR ist die Inulin-Clearance, die im klinischen Alltag nicht angewendet werden kann.

Die Abschätzung der GFR durch Serumkreatininbestimmung unterliegt einer hohen Fehlerrate. Deshalb wurden Formeln, die neben Kreatinin auch Geschlecht und Alter berücksichtigen, zur Berechnung entwickelt. Die bekanntesten sind die Cockroft-Gault-Formel und die MDRD-Formel („modificaton of diet in renal disease“). Auch diese Formeln haben ihre Einschränkungen. 


Dosisanpassung

Medikamente werden zu unterschiedlichen Anteilen renal und extrarenal eliminiert. Reduziert sich die Nierenfunktion, so fällt die renale Clearance proportional zur Kreatinin-Clearance ab. Bei fehlender renaler Elimination wird die verbleibende Elimination als extrarenale Dosisfraktion Q0 bezeichnet. Die individuelle Eliminationsfraktion Q gibt an, wieweit die Elimination eines Medikaments im Vergleich zum Nierengesunden reduziert ist. Für die meisten Medikamente kann die Formel nach Dettli angewendet werden. Unterstützend sind hier Websites, die durch Eingabe von Grundparametern wie Serumkreatinin die Dosis berechnen
.
Die Anpassung des Dosierungsschemas eines Medikamentes ist nach 2 Regeln möglich:

  1. Einzeldosis wird reduziert, Dosisintervall bleibt gleich oder
  2. Dosisintervall wird verlängert, Einzeldosis bleibt unverändert.

Für alle Grade der Niereninsuffizienz gilt, dass die Ladungsdosis bei Patienten mit Niereninsuffizienz ident ist mit der von Nierengesunden.

Erkennen von Risikopatienten

Für den klinischen Alltag ist das Erkennen von Risikopatienten am wichtigsten. Neben einer genauen Anamnese mit Erhebung der Risikofaktoren für eine chronisch-renale Insuffizienz wie Hypertonie und Diabetes mellitus sollte die GFR mind. der letzten 3 Monate erhoben werden, um Patienten mit normalem Serumkreatinin, aber schon reduzierter GFR (oft ältere Frauen mit reduzierter Muskelmasse), zu erkennen. Zu achten ist auch auf die Komedikation. Besonders die in der Rheumatologie oft verwendeten NSAR haben durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese einen Einfluss auf die GFR.
Langandauernde Entzündungsprozesse können zu Nierenerkrankungen (IgA-Nephritis, Amyloidose) führen und vorbestehende Schädigungen aggravieren. Bei Auftreten von Ödemen, Mikrohämaturie und Proteinurie muss eine Abklärung erfolgen.

Konventionelle DMARD

Synthetische DMARD, allen voran Methotrexat, haben einen sehr kritischen Ruf, wenn es um den Einsatz bei Niereninsuffizienz geht. Beachtenswert ist eine Assoziation zwischen renaler Dysfunktion und kardiovaskulärer Erkrankung und weniger mit antirheumatischen Basistherapien, Entzündungsmarkern oder Dauer der Arthritis.

Methotrexat

Methotrexat (MTX) ist, wenn keine Kontraindikationen vorliegen, das First-Line-Medikament bei Beginn der Therapie einer rheumatoiden Arthritis (RA). MTX wurde ursprünglich in der Onkologie angewendet. Dass MTX per se zu einer Niereninsuffizienz führt, geht auf die hoch dosierte Behandlung von malignen Erkrankungen zurück. Für diese toxischen Schädigungen sind MTX-Dosen von 1–15 g/m2; erforderlich. Die dadurch entstehenden Plasmakonzentrationen werden bei MTX-Therapien, wie sie in der Rheumatologie eingesetzt werden, nie erreicht.
Richtig ist aber, dass bei bereits vorhandener Niereninsuffizienz, bei Vorhandensein von Komorbiditäten und auch bei älteren Patienten (> 60 Jahre) MTX in angepasster Dosis eingesetzt wird, um eine effiziente Krankheitskontrolle entsprechend dem Prinzip „treat to target“ zu erreichen, nicht zuletzt, um die Verwendung von NSAR zu minimieren.
Akutes Nierenversagen ist ein Risikofaktor für die Entwicklung einer Panzytopenie bei Patienten unter MTX-Therapie. Einer der relevantesten Risikofaktoren ist eine Hypoalbuminämie, da MTX an Albumin bindet und ein niedriges Serumalbumin das Auftreten einer Panzytopenie begünstigt.
Regelmäßige Kontrollen der Nierenfunktionsparameter ermöglichen einen sicheren Einsatz dieser Substanz.

Leflunomid

Leflunomid ist ähnlich effektiv wie Methotrexat, wurde aber erst in den 1980er-Jahren entwickelt. Leflunomid hemmt die De-novo-Produktion von Pyrimidin, erforderlich für die DNA-Synthese. Es wird täglich peroral eingenommen und nach der Aufnahme in seinen aktiven Metaboliten umgewandelt, welcher dann an Plasmaproteine bindet. Leflunomid unterliegt dem enterohepatischen Kreislauf und hat die längste Halbwertszeit unter den Basistherapien.
Arterielle Hypertonie als bekannteste Nebenwirkung von Leflunomid könnte bei bestehender Niereninsuffizienz die renale Funktion verschlechtern, daher ist besonders bei Patienten mit Risikoprofil auf diese Nebenwirkung zu achten. Regelmäßige Blutdruckkontrollen müssen bei Patienten unter Leflunomid Standard sein.

Sulfasalazin

Sulfasalazin war das erste speziell für die Behandlung der RA entwickelte Medikament. Die Effektivität ist mit Methotrexat und Leflunomid vergleichbar.
Sulfasalazin wird hauptsächlich über die Niere eliminiert, sodass eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz erforderlich ist.
Auch hier ist schon vor Beginn der Medikation auf mögliche Risikopatienten im Hinblick auf Entwicklung einer Niereninsuffizienz zu achten.

Anti-Malaria-Mittel

Resochin und Quensyl sind bei den entzündlichen Gelenkerkrankungen vor allem in der Kombinationstherapie von Bedeutung. Der alleinige Einsatz vermag bei RA die radiologische Progression nicht aufzuhalten.
Die gefürchtetste Nebenwirkung ist die Netzhautschädigung. In diesem Zusammenhang sind jährliche Augenuntersuchungen erforderlich. Der Augenarzt kann auch durch Komorbiditäten wie arterielle Hypertonie oder Diabetes mellitus entstandene Schädigungen am Auge erkennen. Das Feststellen von Veränderungen im Rahmen einer Hypertonie kann wiederum ein Hinweis auf eine auch bereits bestehende Niereninsuffizienz sein.
Chloroquin und Hydroxchloroquin werden nur teilweise über die Niere ausgeschieden und bedürfen bei schwerer Niereninsuffizienz ebenfalls einer Dosisreduktion.
Im Short-Cut zu Beginn der Darstellung über DMARD und Niereninsuffizienz finden Sie eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen.