Komorbiditäten bei Spondyloarthritiden

Definition Komorbidität

Als Komorbiditäten bezeichnet man ein oder mehrere zusätzlich zur Indexerkrankung vorliegende, diagnostisch abgrenzbare Krankheitsbilder, die ursächlich mit der Grunderkrankung zusammenhängen können, aber nicht müssen (Feinstein, 1967).
Dabei gilt prinzipiell zu differenzieren, welche Form der Komorbidität vorliegt (Tab.).

Tab.: Form der Komorbidität
Form Ursache Beispiel
A Nicht mit Grunderkrankung oder deren Therapie assoziiert Appendizitis
B Folge der Grunderkrankung Ankylosierende Spondylitis und kardiovaskuläre Erkrankung
C Folge der Therapie GI-Blutung bei NSAR

Komorbiditäten als Folge der Grunderkrankung

Kardiovaskuläre Erkrankungen

Wie auch bei der rheumatoiden Arthritis, spielen kardiovaskuläre Erkrankungen eine wesentliche Rolle bei Patienten mit seronegativen Spondylarthropathien, wobei die Datenlage im seronegativen Formenkreis wesentlich geringer ist und sich die vorhandene Literatur primär auf Patienten mit ankylosierender Spondylitis (AS) und Psoriasisarthritis (PsoA) beschränkt. Das Spektrum umfasst dabei ischämische Herzerkrankungen, Arteriosklerose sowie periphere und zerebrovaskuläre Erkrankungen. Als Ursache für die erhöhte Inzidenz von kardiovaskulären Erkrankungen bei Patienten mit seronegativen Spondylarthropathien werden kardiovaskuläre Risikofaktoren wie erhöhte Akute-Phase-Reaktion (C-reaktives Protein, Fibrinogen), Veränderungen im Fettstoffwechsel (ungünstiges Verhältnis zwischen “low densitiy lipoprotein” und “high densitiy lipoprotein” [LDLHDL-Quotient]), aber auch erhöhte Prävalenz von Bluthochdruck diskutiert (Peters, van der Horst-Bruinsma et al.7). Zusätzlich konnten aktuelle Studien zeigen, dass sowohl Patienten mit AS als auch PsoA eine verbreiterte Intima-media-Dicke gegenüber gesunden Kontrollen aufweisen (Peters, van Eijk et al.8; Tam, Tomlinson et al.10). Für Patienten mit AS und PsoA konnte des Weiteren, ähnlich wie bei der RA, eine erhöhte Prävalenz von Typ-II-Diabetes und arterieller Hypertonie gefunden werden (Bremander, Petersson et al.2; Han, Robinson et al.6). Weiters gibt es Studien, die eine erhöhte Prävalenz von Rauchern und adipösen Patienten in Patienten mit PsoA beschreiben.
Kardiovaskuläre Risikofaktoren wie der ungünstige, atherogene LDL-HDL-Quotient oder die durch Inflammation induzierte Akute-Phase-Reaktion können durch adäquate Therapie wie beispielsweise TNF-Blocker signifikant gesenkt werden (van Eijk, de Vries et al.11).
Neben den vorhin beschriebenen typisch kardiovaskulären Komorbiditäten wurde speziell bei Patienten mit AS eine erhöhte Inzidenz von Reizleitungsstörungen beschrieben, wobei hier das Vorhandensein von HLA B7 per se als Risikofaktor diskutiert wird (Bergfeldt1). Zusätzlich findet man ein gehäuftes Vorkommen von Klappenfehlern und Aorteninsuffizienz.

Osteoporose

Speziell Patienten mit PsoA haben ein erhöhtes Risiko, eine Osteoporose zu entwickeln. Ursächlich dafür sind – neben den allgemeinen Risikofaktoren wie Alter, Body Mass Index und Hormonstatus – Bewegungseinschränkung und schlechtere körperliche Funktionsfähigkeit (gemessen am Health Assessment Questionnaire). Bei Patienten mit AS wurde eine erhöhte Inzidenz von Frakturen der Wirbelsäule, überwiegend im Bereich der Halswirbelsäule, beobachtet. Diese Frakturen können bei minimalen Traumata auftreten und gehen oft mit neurologischen Defiziten einher. Ein vermehrtes Auftreten von nichtvertebralen Frakturen wurde hingegen nicht beschrieben (Vosse and de Vlam12). Durch Verbesserung der Krankheitsaktivität und somit der körperlichen Funktionalität dieser Patienten kann somit indirekt das Osteoporoserisiko gesenkt werden.

Malignome

Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis, wo ein erhöhtes Risiko von malignen Erkrankungen wie beispielsweise Lymphomen bekannt ist, konnte bei seronegativen Spondylarthropathien bis dato kein direkter Zusammenhang zwischen Grunderkrankung und Malignom gefunden werden. Die in der Vergangenheit bis zu 3-fach erhöhte Inzidenz von Leukämien bei Patienten mit AS konnte in direkten Zusammenhang mit der in früheren Zeiten angewandten strahlentherapeutischen Behandlung gebracht werden (Brown and Doll3). Da diese Therapieform aber seit den 1960er Jahren keine Anwendung mehr findet, sind die Leukämiefälle deutlich rückläufig.

Therapieassoziierte Komorbiditäten

NSAR

Wie auch in der Normalbevölkerung werden bei Patienten mit seronegativen Spondylarthropathien bei der Einnahme von NSAR leichte bis hin zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen beschrieben. Bis dato gibt es jedoch keinen Hinweis, dass das Nebenwirkungsprofil von NSAR bei Patienten mit SpA von jenem der Normalbevölkerung abweicht. In einer großen Umfrage mit mehr als 1.000 deutschen und österreichischen Patienten mit AS, die regelmäßig NSAR einnahmen, gaben bis zu 25% der Patienten “schwere” Nebenwirkungen wie gastrointestinale Blutungen, Ulzera, Bauchschmerzen und Übelkeit an, mehr als 50% der Patienten, die ihre NSAR-Therapie änderten, taten dies aufgrund von Nebenwirkungen (Zochling, Bohl-Buhler et al.13).
Für Patienten mit bereits bestehenden gastrointestinalen (GI) Beschwerden unter laufender Therapie mit NSAR erscheint eine Therapie mit selektiven COX-2-Inhibitoren sinnvoll. Dies geht zumindest aus den neuesten Daten der CONDOR-Studie hervor, die zeigen konnte, dass es bei Patienten mit stattgehabter GI-Blutung unter COX-2-Hemmern zu signifikant weniger GI-Komplikationen wie Ulkus und Blutung kam als unter Therapie mit nichtselektiven NSAR plus Protonenpumpeninhibitoren (Chan, Lanas et al.4). Da es sich bei der Studienkohorte aber um Patienten mit Osteoarthritis und rheumatoider Arthritis handelte, kann somit nur indirekt auf andere rheumatische Erkrankungen rückgeschlossen werden.

TNF-Blocker

Bei einem Vergleich von Patienten mit AS, die mit und ohne TNF-Blocker behandelt werden, konnte kein signifikant höheres Risiko für das Auftreten schwerwiegender Infektionen gefunden werden (Fouque-Aubert, Jette-Paulin et al.5). Ähnliches nimmt man für andere Erkrankungen des seronegativen Formenkreises an.
Bei Patienten mit PsoA und langjähriger TNF-Therapie konnte keine erhöhte Inzidenz von Malignomen verglichen mit der Normalbevölkerung festgestellt werden (Rohekar, Tom et al.9), für andere seronegative Erkrankungen gibt es bis dato keine Evidenz.

Resümee

Zusammenfassend kann man sagen, dass Patienten mit Spondyloarthritiden vor allem kardiovaskuläre Komorbiditäten aufweisen, welche, zusammen mit der Schwere der Grunderkrankung, zu erhöhter Morbidität und Mortalität der Patienten führen können. Durch sinnvolle Therapiekonzepte kann neben einer Abnahme der Krankheitsaktivität der entzündlich-rheumatischen Erkrankung auch das Risiko von Komorbiditäten wie kardiovaskulären Ereignissen verringert werden.

1 Bergfeldt L (1983), “HLA B27-associated rheumatic diseases with severe cardiac bradyarrhythmias. Clinical features and prevalence in 223 men with permanent pacemakers.” Am J Med 75(2):210-5.
2 Bremander A, Petersson IF et al., “Population-based estimates of common comorbidities and cardiovascular disease in ankylosing spondylitis.” Arthritis Care Res (Hoboken) 63(4):550-6.
3 Brown WM, Doll R (1965), “Mortality from cancer and other causes after radiotherapy for ankylosing spondylitis.” Br Med J 2(5474):1327-32.
4 Chan FK, Lanas A et al., “Celecoxib versus omeprazole and diclofenac in patients with osteoarthritis and rheumatoid arthritis (CONDOR): a randomised trial.” Lancet 376(9736):173-9.
5 Fouque-Aubert A, Jette-Paulin L et al., “Serious infections in patients with ankylosing spondylitis with and without TNF blockers: a systematic review and meta-analysis of randomised placebo-controlled trials.” Ann Rheum Dis 69(10):1756-61.
6 Han C, Robinson DW Jr. et al. (2006), “Cardiovascular disease and risk factors in patients with rheumatoid arthritis, psoriatic arthritis, and ankylosing spondylitis.” J Rheumatol 33(11):2167-72.
7 Peters MJ, van der Horst-Bruinsma IE et al. (2004), “Cardiovascular risk profile of patients with spondylarthropathies, particularly ankylosing spondylitis and psoriatic arthritis.” Semin Arthritis Rheum 34(3):585-92.
8 Peters MJ, van Eijk IC et al., “Signs of accelerated preclinical atherosclerosis in patients with ankylosing spondylitis.” J Rheumatol 37(1):161-6.
9 Rohekar S, Tom BD et al. (2008), “Prevalence of malignancy in psoriatic arthritis.” Arthritis Rheum 58(1):82-7.
10 Tam LS, Tomlinson B et al. (2008), “Cardiovascular risk profile of patients with psoriatic arthritis compared to controls – the role of inflammation.” Rheumatology (Oxford) 47(5):718-23.
11 van Eijk IC, de Vries MK et al. (2009), “Improvement of lipid profile is accompanied by atheroprotective alterations in high-density lipoprotein composition upon tumor necrosis factor blockade: a prospective cohort study in ankylosing spondylitis.” Arthritis Rheum 60(5):1324-30.
12 Vosse D, de Vlam K (2009), “Osteoporosis in rheumatoid arthritis and ankylosing spondylitis.” Clin Exp Rheumatol 27(4 Suppl 55): S62-7.
13 Zochling J, Bohl-Buhler MH et al. (2006), “Nonsteroidal anti-inflammatory drug use in ankylosing spondylitis – a population-based survey.” Clin Rheumatol 25(6):794-800.