Ärztliche Kunstfehler — Strafrechtsnovelle bringt Änderungen

Für das Medizinstrafrecht bringt die Novelle des Strafgesetzbuche (StGB), die mit 1. 1. 2016 in Kraft trat, einige Neuerungen.

  • Änderung des Strafrahmens bei ­„Fahrlässiger Tötung“ (§ 80 StGB)
  • Einführung eines neuen Straftat­bestandes „Grob fahrlässige Tötung“ (§ 81 StGB) und zugleich Wegfall der Strafnorm „Fahrlässige Tötung unter ­besonders gefährlichen Verhältnissen“ (ehem. § 81 StGB)
  • Einführung einer Definition von „grober Fahrlässigkeit“ (§ 6 Abs. 3 StGB)
  • Einführung einer Straffreiheit bei ­fahrlässiger Körperverletzung für ­Angehörige von gesetzlich geregelten Gesundheitsberufen (§ 88 Abs. 2 Z 3 StGB)

Neuformulierte Strafnormen:

  • Fahrlässige Tötung (§ 80 StGB): (1) Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 ­Tagessätzen zu bestrafen. (Bisher war ­lediglich eine Freiheitsstrafe vorgesehen, d. h. keine Möglichkeit der Verhängung einer Geldstrafe; selbst bei geringstem Verschulden.)
  • Grob fahrlässige Tötung (§ 81 StGB): (1) Wer grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3) den Tod eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu bestrafen. (Bisher hat der Gesetzgeber in diesem Kontext nicht zwischen den ­einzelnen Fahrlässigkeiten [leicht bzw. grob] unterschieden.)
  • Fahrlässige Körperverletzung (§ 88 StGB): (1) Wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen.

Neu – Privilegierung (§ 81 StGB Abs. 2/Z 3):
(2) Handelt der Täter nicht grob fahrlässig (§ 6 Abs. 3) und ist 3. der Täter ein Angehöriger eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes und die Körperverletzung in Ausübung seines Berufes zugefügt worden, so ist der Täter nach Abs. 1 nicht zu bestrafen.

Was sagen die parlamentarischen Materialien?
Im Zuge der Neugestaltung der §§ 80, 81 und 88 StGB erscheint es sinnvoll, auch eine Definition der groben Fahrlässigkeit in den Allgemeinen Teil des StGB (§ 6 StGB) aufzunehmen:
Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der vorgeschlagenen Definition vor, wenn jemand ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, wobei der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war. Demnach sind nur jene Fälle als grob fahrlässig einzustufen, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen.
Der alte Tatbestand der „Fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ (§ 81 StGB alt) war komplex strukturiert und bereitete in der Praxis immer wieder Schwierigkeiten. Der Ersatz der „Fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen“ durch die „Grob fahrlässige Tötung“ ermöglicht nunmehr die Erfassung aller Fälle, in denen jemand ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, und soll zugleich eine wesentliche Vereinfachung der Rechtslage mit sich bringen.
Die verantwortungsvolle Tätigkeit von Angehörigen der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe bringt es mit sich, dass schon alleine aufgrund ihrer Tätigkeit ein erhöhtes Risiko der Verwirklichung einer fahrlässigen Körperverletzung besteht. Um diesem Umstand im Strafrecht Rechnung zu tragen, wird eine eigene Privilegierung für Angehörige der gesetzlich geregelten Gesundheitsberufe aufgenommen.
Angehörige dieser Berufsgruppe sollen somit dann nicht bei fahrlässiger Körperverletzung strafbar sein, wenn die Körperverletzung in Ausübung des Berufes zugefügt wurde (und es sich also nicht um eine schwere Körperverletzung handelt).

ANMERKUNG: Nun es wird sich zeigen, ob in der Praxis der zivilrechtliche Begriff der groben Fahrlässigkeit auch im Strafrecht seinen Durchschlag finden wird. Fest steht jedenfalls, dass die Verletzung von Sorgfaltspflichten und das bewusste Eingehen eines Risikos strenger als bisher geahndet wird.

 

Quellen: – Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramts (RIS); – Parlamentarische Materialien zur StGB-Reform 2015; – Beitrag von „Der Standard“ zu „Ärztliche Kunstfehler sind kein Kavaliersdelikt mehr“ vom 18. 1. 2016