AGO-Tagung 2012: Geballtes Wissen aus zehn Jahren gynäkoonkologischer Forschung

Gyn-Aktiv: Herr Professor Zeimet, es dürfte sehr schwierig sein, so viel wissenschaftliche Prominenz auf dem Gebiet der gynäkologischen Onkologie an einem Ort zu treffen wie bei der diesjährigen AGOTagung, die von 18.–21. April in Salzburg stattfinden wird. Was können sich die Tagungsteilnehmer vom Aufgebot aller bisher mit dem Wertheim-Preis ausgezeichneten Spitzenforscher erwarten?

Prof. Dr. Alain Zeimet: Es freut mich sehr, dass das Who is who der gynäkologischen Onkologie der Einladung zu unserer heurige Jahrestagung folgen wird. Alle diese Forscher haben mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit viel zum Fortschritt der gynäkologischen Onkologie, inklusive der Senologie beigetragen. Ihre aktive Einbindung in das Programm gewährleistet eine thematische Palette, die das gesamte Gebiet der Gynäkoonkologie abdeckt.
Mit dem diesjährigen Preisträger, Prof. Harald zur Hausen, werden wir jenen Mann bei uns haben, der erstmals den Zusammenhang zwischen dem HPV-Virus und dem Zervixkarzinom herstellte. Er wurde im Jahr 2008 für seine Forschungen mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet und war maßgeblich an der Entwicklung der HPV-Impfung beteiligt. Durch sein wissenschaftliches Oeuvre wurde gewissermaßen die Notwendigkeit einer Wertheim’schen Operation überwunden. Somit werden wir in Zukunft diese Operationen viel weniger durchführen müssen. Erklärtes Ziel wäre auf diesen Eingriff überhaupt verzichten zu können. Voraussetzung ist, dass die Impfung breit eingesetzt und auf weitere Virustypen ausgedehnt wird.

Sind Sie mit der Akzeptanz der HPV-Impfung in Österreich zufrieden?

Nein, das können wir nicht sein. Das HPV-Impfverhalten in Österreich ist sehr schlecht – wir sind Europas Schlusslicht. Es ist bedauerlich, dass Österreich als sozial starkes Land das einzige Land Europas ist, in dem die Kosten der HPV-Impfung auch für junge Mädchen nicht übernommen werden. Von der Politik wird der Nutzen dieser Impfung völlig verkannt. HPViren verursachen nicht nur das Zervixkarzinom, sondern auch Tumoren im Kopf-Hals-Bereich und das Analkarzinom. Daher beschränkt sich der Nutzen der Impfung nicht alleine auf das Zervixkarzinom.
Ich erhoffe mir durch die Teilnahme von Prof. Harald zur Hausen auch einen Motivationsappell an die Adresse der Politik und aber auch der GynäkologInnen. Diese müssen wesentlich stärker zur Impfung motivieren. Nur so kann es zu einem Aufschwung bei den Zahlen der geimpften Mädchen und Frauen kommen.

Das Themenspektrum der heurigen Tagung ist wieder sehr breit. Wo erwarten Sie sich besonders spannende Diskussionen?

Bei allen Tumorentitäten gibt es Themen, die kontrovers diskutiert werden. Es wird zahlreiche Pro-und-Contra-Diskussionen geben und manche Referenten werden sich einem spannenden „Kreuzverhör“ stellen. In Diskussion stehen beispielsweise die Rolle der neoadjuvanten Chemotherapie beim Ovarialkarzinom und auch der Stellenwert der zusätzlichen Operation in der Rezidivsituation. Beim Vulvakarzinom gehen die Ansichten darüber auseinander, wie radikal operiert werden soll. Auch die Notwendigkeit der Lymphadenektomie und die Bedeutung des Sentinel-Lymphknotens ist ein strittiges Thema. Wir müssen uns generell die Frage stellen, wie es um die Evidenz für die Lymphadenektomie bestellt ist. Auf dem Gebiet des Mammakarzinoms werden die Neoadjuvante Chemotherapie sowie die Aromatasehemmer-Resistenz und die Bedeutung von mTOR-Inhibitoren interessante Themen sein. Hier wird auch der Innsbrucker Konsensusbericht des weiteren Vorgehens beim Befall des Sentinel-Knotens diskutiert werden.

Die AGO-Tagung erfreut sich immer größeren Interesses, wie man an den steigenden Teilnehmerzahlen sieht. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Hinter diesem Erfolg, der uns sehr freut, steht einerseits die Bemühung um ein hochwertiges, aktuelles Programm, an dem Jahr für Jahr gefeilt werden muss. Ich denke, dass auch unser Tagungsort im Kongresshaus Salzburg, an dem wir uns sehr wohlfühlen, dazu beiträgt. Der gleichbleibende Termin – die AGO-Tagung findet immer in der zweiten Woche nach Ostern statt – macht diese Tagung zu einem Fixpunkt im Kongresskalender.
Wir freuen uns sehr über die Unterstützung der Industrie, die die Qualität der AGO-Tagung ebenfalls schätzt. Heuer erwarten wir wieder deutlich mehr als 300 TeilnehmerInnen, eine für dieses verhältnismäßig kleine Fach beachtliche Zahl. Wir haben bereits zahlreiche Anmeldungen aus der Schweiz und aus Deutschland, die durch die wissenschaftliche Prominenz motiviert sein dürften. Dass unsere Tagung über die Grenzen hinaus attraktiv ist, bestätigt unser Engagement.

Die AGO Österreich bittet auch heuer das onkologische Pflegepersonal wieder zu einem hochinteressanten Fortbildungsseminar. Wie wichtig ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit und wie wichtig sind gemeinsame Fortbildungsveranstaltung wie die AGO-Tagung?

Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflege ist eine Grundvoraussetzung für eine gute Betreuung unserer Patientinnen, und das Fortbildungsseminar des onkologischen Pflegepersonals ist ein integraler Bestandteil der AGO-Tagung. Aus den anfangs 30 TeilnehmerInnen des Jahres 2002 sind mittlerweile 120 oder gar 140 Teilnehmer geworden.
DGuKS Annemarie Frank, die Stationsleiterin der Gynäkologie III der Universitätsfrauenklinik in Innsbruck, engagiert sich seit dem Jahr 2002 mit großem Erfolg für ein interessantes Programm. Ihr gelingt es jedes Mal, auch Referenten aus Deutschland und der Schweiz zu gewinnen.
Ich bin immer wieder mehr als begeistert von den breit gefächerten Themen, die von Seiten der Pflege auf hohem Niveau diskutiert werden. Manchmal fällt mir die Entscheidung schwer, ob ich mir einen ärztlichen oder einen pflegerischen Vortrag anhören soll. Die psychologischen und psycho- onkologischen Fragestellungen sind hochinteressant. Es werden nicht nur die Bedürfnisse der Patientinnen, sondern auch deren Umfeld einbezogen. Ich erinnere mich beispielsweise an einen Vortrag, der die unterschiedlichen Aspekte des Sterbens für Menschen verschiedener Religionszugehörigkeit beleuchtete. Ich möchte die prägnanten und hervorragenden Diskussionen des Pflegeseminars nicht missen. Sie tragen wesentlich zur Qualität der Veranstaltung bei, zu der ich alle Interessierten auch heuer herzlich einladen möchte.

Danke für das Gespräch.