Chirurgisches Management bei Urethraldivertikeln 


Das Urethraldivertikel (UD) wurde erstmals 1805 von Hey beschrieben. Die Inzidenz ist relativ unklar, wobei Prävalenzkurven in der Literatur zwischen 0,6 % und 4,7 % variieren. Das Urethraldivertikel ist häufig eine nicht erkannte Ursache für chronische urogenitale Beschwerden und urogenitale Infek­tionen.

Definition und Diagnose

Es handelt sich bei UDs um blind endende kongenitale oder erworbene sackförmige Gebilde, welche über einen dünnen Stiel mit der Harnröhre verbunden sind (Abb. 1). Die Größe schwankt zwischen 0,5 und 6 cm.

 

 

Die Ätiologie ist weitgehend unbekannt, wobei die entzündliche Dilatation der paraurethralen Drüsen ätiologisch bedeutsam sein dürfte. 

Es existieren kongenitale und erworbene Formen des UD, wobei bei den erworbenen Formen als prädisponierende Faktoren die Traumatisierung der Harnröhrenwand durch Geburt oder Operation, Urtehrastrikturen, Urethrasteine, Urethritis und Periurethritis, Kolpitis sowie Verletzung bei instrumentellen urologischen Untersuchungen genannt werden.

Die klinischen Symptome reichen von Dysurie, Harnträufeln nach der Miktion, Pollakisurie, Harninkontinenz (SUI), chronisch-rezidivierende Zystitis, Dyspareunie bis hin zu einem schmerzhaften palpablen Tumor. Da die meisten Symptome sehr unspezifisch sind, wird die korrekte Diagnose seines UD oft erst spät gestellt und ein Großteil der Patientinnen erhält oft lange Zeit die falsche Therapie (interstitielle Zystitis, Vulvodynie etc.). 


Zu den diagnostischen Abklärungsmöglichkeiten zählen neben der Anamnese und der physikalischen (gynäkologischen) Untersuchung folgende bildgebende Verfahren (vgl. Tab. 1):


  • transvaginaler oder transrektaler Ultraschall
  • Miktionszystourethrografie
  • Zystourethroskopie (0-Grad-Optik)
  • MRI
  • Urodynamik (bei zusätzlicher Inkontinenz)

 

 

Management und chirurgische Therapieoptionen

Asymptomatische Patientinnen benötigen keine Therapie, sondern lediglich klinische Verlaufskontrollen alle 6–12 Monate. Entwickelt die Patientin Symptome, ist eine chirurgische Sanierung indiziert. Patientinnen mit rezidivierenden HWI benötigen eine antibiotische Therapie, allerdings ist hier eine chirurgische Sanierung anzudenken. Die Langzeitprognose konservativ behandelter Patientinnen bleibt unklar aufgrund fehlender Guidelines und unzureichender Literatur.

Bei symptomatischen Patientinnen ist die operative Sanierung des UD Therapie der Wahl, wobei eine Vielzahl operativer Techniken bzw. Modifikationen in der Literatur beschrieben werden (kein einheitliches operatives Vorgehen). 

Lange Zeit existierten auch keine standardisierten, deskriptiven präoperativen Kriterien. 1982 wurde von Leach et al. ein präoperatives Klassifikationssystem eingeführt (LNSC3-System), mit dem Ziel einer exakten und effektiven präoperativen Beschreibung des UD sowie einer exakten präoperativen Beurteilung all jener Faktoren, die für die Erfolgsrate der chirurgischen Therapie bedeutend sind (Tab. 2).

 

 

Zu den häufigsten chirurgischen Therapie­optionen zählen die transvaginale Divertikelresektion – mit dem Ziel der kompletten Exzision des Divertikelsackes und Verschluss der Kommunikationsstelle mit dem Urtehrallumen, die Marsupialisation (transvaginal oder transurethral) sowie transurethrale endoskopische Operationstechniken. Das Risiko postoperativer Komplikationen variiert zwischen 5 % und 46 % in der Literatur, wobei die häufigsten Komplikationen die urethrovaginale Fistelbildung, Inkontinenz, Urethrastrikturen sowie Rezidive beinhalten.


Review zur Evidenz chirurgischer Maßnahmen

Da die Evidenz bezüglich chirurgischer Maßnahmen unklar erscheint sowie in der Literatur lediglich Fallberichte und retrospektive Fallserien existieren, wurde ein systematischer Review zu dieser Thematik durchgeführt. Ziel war es, das chirurgische Management bei Patientinnen mit UD zu evaluieren sowie die Erfolgs- und Komplikationsraten der einzelnen Operationstechniken. Es wurde eine Literaturrecherche aus den Datenbanken MEDLINE, EMBASE und CINAHL mit den Suchbegriffen „urethra* AND diverticul* AND (surg* OR operat* OR excis* OR marsup*)“ [MEDLINE] durchgeführt und von zwei unabhängigen Reviewern (Bodner-Adler, Hanzal) analysiert.
Zu den wesentlichen Outcome-Parametern zählten die komplette/partielle Symptomfreiheit postoperativ, das Auftreten einer De-novo-Stressharninkontinenz oder Urgesymptomatik, Strikturen, urethrovaginale Fistelbildungen, Wundinfektionen, neu aufgetretene Schmerzen, Dyspareunie, Rezidiv etc.

Inkludierte Studien: Insgesamt konnten 124 Studien mit 1.718 Patientinnen eingeschlossen werden. Alle inkludierten Publikationen waren entweder Fallberichte (n = 30) oder Fallserien (n = zwischen 2 und 140). Die transvaginale Divertikulektomie wurde bei 1.433/1.561 Patientinnen (92 %) durchgeführt, gefolgt von Marsupialisationen (n = 59; 3,8 %), „transurethral unroofing“ (n = 24; 1,5 %) und anderen OP-Arten (n = 45; 2,9 %). Ein beträchtlicher Anteil der Arbeiten (48 Studien [40 %]) gab keine detaillierte Beschreibung der OP-Techniken an. 

Reviewartikel, Studien mit männlichen Patienten, Neugeborenen und Kindern sowie Studien mit dem Fokus auf eine UD-Diagnostik wurden von der Analyse ausgeschlossen.

Das chirurgische Outcome konnte nur selektiv beschrieben werden, da kein einheitliches Outcome-Reporting existiert. Zusammenfassend kam es bei 29 Patientinnen zu einer postoperativen Fistelbildung, 9 Patientinnen hatten Strikturen, 65 Rezidive, 44 Patientinnen klagten über neu aufgetretene Schmerzen, 83 hatten eine De-novo SUI, 45 eine Urgesymptomatik und 32 Frauen entwickelten eine Wundinfektion. 

Das Follow-up war ebenfalls unterschiedlich und variierte zwischen einem Monat und 2 Jahren (keine Angabe in 41 %).

Als Konklusion dieser Arbeit ergibt sich, dass einerseits eine schlechte Studienqualität vorliegt, bestehend lediglich aus Fallberichten und kleinen Fallserien. Da Erfolgsraten und Komplikationen postoperativ nur selektiv beschrieben wurden, lässt die derzeitige Datenlage keine präzise Vorhersage bezüglich Erfolgs- und Komplikationsraten des chirurgischen Managements bei Patientinnen mit UD zu.

 

Literatur bei der Verfasserin