Empfehlungen zur Betreuung von Frauen mit familiärem Brust- und Eierstockkrebs

Bei einer BRCA-1- und BRCA-2-Keimbahnmutation führt die Tatsache, dass bereits eines der beiden Allele von Geburt an mutiert ist, im Laufe des Lebens mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer stochastischen Inaktivierung des zweiten Allels – die dann mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Auftreten von Brust- oder Eierstockkrebs führt. Aus diesem Grund erkranken Frauen mit einer BRCA-Mutation typischerweise in frühen Jahren und die beiden Malignome sind in betroffenen Familien auffallend häufig. Typische Tumorkonstellationen, die auf das Vorliegen einer BRCA-Mutation hindeuten und damit eine Indikation zur Durchführung einer molekulargenetischen Untersuchung darstellen, sind in der Tab. gelistet.
Wenn eine Mutationsanalyse dann das Vorliegen einer BRCA-Mutation ergibt, sollten betroffene Frauen über die Möglichkeit der Teilnahme an intensivierten Früherkennungsuntersuchungen aufgeklärt werden. Ebenso sollten die Möglichkeiten der Durchführung von prophylaktischen bilateralen Mastektomien zur Senkung des Brustkrebsrisikos sowie von prophylaktischen bilateralen Salpingoovarektomien (PBSO) zur Senkung sowohl des Eierstockkrebs- als auch Brustkrebsrisikos angesprochen werden.

 

 

Früherkennungsuntersuchungen: Die Magnetresonanz-Mammografie (MR-MG)/Brust-MRT, als sensitivste bildgebende Untersuchung für Hochrisikopatientinnen, hat eine Schlüsselrolle bei der Früherkennung von Brustkrebs bei Frauen mit familiärem Brustkrebs. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass Tumoren mit einer jährlichen MRMG in bis zu 81 %, mit der jährlichen Mammografie (MG) in nur 40 % und mit der regelmäßigen Ultraschalluntersuchung (US) in nur 43 % detektiert werden konnten. Damit wird die MR-MG als sensitivste Detektionsmethode, aber auch aufgrund der fehlenden Strahlenbelastung von europäischen Fachgesellschaften bereits ab dem 25. Lebensjahr empfohlen. Hingegen sollten Mammografien bei Mutationsträgerinnen bis zum 34. Lebensjahr aufgrund der erhöhten Strahlensensibilität des Brustgewebes nicht routinemäßig eingesetzt werden. Diese Einschränkung erscheint auch im Hinblick auf das typischerweise dichtere Drüsengewebes bei jüngeren Frauen sinnhaft. Daher wird die Mammografie bei Hochrisikopatientinnen international erst ab dem 35. Lebensjahr empfohlen. Die bislang häufig eingesetzte Ultraschalluntersuchung der Brust hat aufgrund der deutlich schlechteren Sensitivität in diesem Hochrisikokollektiv als Routineuntersuchung keinen Platz mehr gefunden und sollte lediglich ergänzend eingesetzt werden.

Prävention von Brust- und Eierstockkrebserkrankungen durch prophylaktische Operationen: Die prophylaktische bilaterale Mastektomie (PBM) und die prophylaktische bilaterale Salpingoovarektomie (PBSO) stellen interventionelle Maßnahmen dar, deren günstiger Effekt in Bezug auf das Brust- und Eierstockkrebsrisiko in einer Reihe von Studien gezeigt werden konnte. Die PBM kann prinzipiell im Sinne einer Primärprävention bei noch nicht an Brustkrebs erkrankten Frauen mit nachgewiesener BRCA-Mutation durchgeführt werden. Sie ist in dieser Population mit einer Reduktion des Mammakarzinomrisikos um etwa 95 % verbunden. Auch bei bereits an Brustkrebs erkrankten Frauen kann eine prophylaktische Entfernung des verbliebenen ipsi- bzw. kontralateralen Brustdrüsengewebes zur Risikoreduktion im Sinne einer Sekundärprävention durchgeführt werden. Eine Alternative kann die PBSO darstellen. Sie führt sowohl bei Frauen mit einer BRCA-1-als auch bei Frauen mit einer BRCA-2-Mutation zu einer deutlichen Reduktion des Mammakarzinomrisikos um etwa 50 %. Sie führt aber gleichzeitig auch zu einer Reduktion des Ovarialkarzinomrisikos um etwa 80 %. In einer großen Multicenterstudie konnte kürzlich gezeigt werden, dass die PBSO bei Frauen mit einer BRCA-Mutation nicht nur zu einer signifikanten Reduktion der eierstockkrebsspezifischen, sondern auch der brustkrebsspezifischen und der Gesamtmortalität führt.
Eine generelle Empfehlung zu einer prophylaktischen Operation darf allerdings nach österreichischer Rechtslage nicht erfolgen. Gerade aufgrund von individuellen Unterschieden in der Risikoperzeption, aber auch aufgrund der persönlichen Lebensplanung – besonders im Hinblick auf einen möglichen Kinderwunsch – dürfen PBM und PBSO einer betroffenen Frau nur nach ausführlicher Aufklärung über das alters- und mutationsabhängige Erkrankungs- und Sterberisiko sowie über den Effekt einer PBSO auf Fruchtbarkeit, Hormonhaushalt etc. non-direktiv angeboten werden.