Geleit 1/2012: Entfernung der minderwertigen Brustimplantate empfohlen – Zusammenfassung einer Stellungnahme deutscher Fachgesellschaften

Tatsachlich hat der franzosische Hersteller PIP uber Jahre hinweg Industriesilikon anstatt hochwertigen medizinischen Silikons zur Fullung der Brustimplantathullen verwendet. Weltweit fanden diese Brustimplantate bei etwa 300.000 Frauen Verwendung.
Seit der Implantat-Skandal aufflog, herrscht bei Frauen – die Implantate wurden bei den Osterreicherinnen in erster Linie in Ungarn in Tschechien eingesetzt – starke Verunsicherung. Fakt scheint jedenfalls, dass das minderwertige Silikon die Hulle der Implantate angreift, als Folge kann es zu Rissen kommen, das Gel lauft aus und fuhrt zu Abwehrreaktionen von Seiten des Korpers. Auch ein Todesfall wird mit dem Einsetzen eines PIP-Brustimplantats in Verbindung gebracht. Aus aktuellem Anlass wurde von der Deutschen Gesellschaft fur Gynakologie und Geburtshilfe (DGGG), der Arbeitsgemeinschaft fur asthetische, plastische und wiederherstellende Operationsverfahren in der Gynakologie (AWOgyn), der Deutschen Gesellschaft fur Senologie (DGS) und der Deutschen Gesellschaft fur Plastische und Wiederherstellungschirurgie (DGPW) eine gemeinsame Stellungnahme verfasst, die im Folgenden in Auszugen wiedergegeben werden soll:

Empfehlungen für Fachärzte zum Umgang mit Brustimplantaten der Firma PIP und der Firma Rofil: Silikon- Brustimplantate der Firma PIP (Poly Implant Prothese) wurden bereits am 29. Marz 2010 verboten, nachdem plastische Chirurgen in Frankreich auf eine erhohte Rupturrate hingewiesen hatten (uber 1.000 gemeldete Rupturen bei etwa 30.000 in Frankreich implantierten Prothesen). Anschliesende Untersuchungen der AFSSaP (Agence Francaise de Securite Sanitaire des Produits de Sante – franzosische Agentur fur die Sicherheit von Gesundheitsprodukten) hatten bei Inspektion des Unternehmens ergeben, dass eine bruchige ausere Silikonhulle sowie ein minderwertiges Industrie-Silikongel als Fullgel verwendet wurden. Die nachfolgend durchgefuhrten Laboruntersuchungen ergaben im Wesentlichen eine ausgesprochen heterogene Qualitat der Implantate, so einerseits ein unterschiedlich ausgepragter, aber insgesamt erhohter Bruchigkeitsgrad von 10 % und andererseits eine Frequenz von 11 % Silikongel- Bleeding eines oder beider Implantate. Das minderwertige Gel selbst fuhrt im Vergleich zu anderen Implantaten mit medizinischem Silikongel im Gewebe zu einer erhohten Reizwirkung. Allerdings ergaben In-vitro- und In-vivo-Tests (an Mausen) keine Genotoxizitat und damit auch keinen Anhalt fur eine krebsauslosende Wirkung.1
Weitergehende Untersuchungen unter verbesserten Labor- Testbedingungen sowie die retrospektive Befragung der PIPImplantattragerinnen in Frankreich bestatigten diese Ergebnisse.

Erste Expertenempfehlung in Frankreich – hochfrequentes Monitoring: Die AFSSaP veroffentlichte daraufhin am 14. April 2011 die Empfehlung, bei Frauen mit PIP-Implantaten alle 6 Monate eine Mamma-Sonographie und der axillaren Lymphknotenregion durchzufuhren und bei entzundlichen Veranderungen, Schmerzen und Verdacht auf Implantatruptur oder Silikongelbleeding einer oder beider Implantate in jedem Fall beide Implantate zu entfernen. Dabei sollte mit der Patientin immer das individuell gunstigste Vorgehen unter Berucksichtigung der jeweiligen Risiko-Nutzen-Abwagung eruiert werden. In Abhangigkeit vom Alter und vom Gesundheitszustand der Patientin, dem Alter der Implantate, den asthetischen Gegebenheiten sowie dem Wunsch der Patientin sollte im Einzelfall auch die Entscheidung zu einer „prophylaktischen“ Entfernung der Implantate getroffen werden.

Ausweitung zur – nicht dringlichen – Entfernung: Nachdem sich mehrere Frauen mit PIP-Implantaten mit neu aufgetretenen Malignomerkrankungen gemeldet hatten, darunter Adenokarzinome der Brust sowie ein anaplastisches groszelliges Lymphom, erarbeitete im Dezember 2011 eine franzosische Expertenkommission aus Radiologen, plastischen Chirurgen und Onkologen fur das Institut National du Cancer (INCa) ein Sachverstandigengutachten mit neuerlichen Empfehlungen.2
Zwar konnte tatsachlich kein Zusammenhang zwischen PIP-Implantaten und erhohter Malignominzidenz nachgewiesen werden, allerdings erkannte es die Expertengruppe als besonders problematisch an, dass es bei Ruptur zu einer falsch negativen Bildgebung kommen kann, womit die Ruptur nicht erkennbar ware; nach stattgehabter Ruptur sei auserdem der operative Eingriff deutlich komplizierter.
Im Ubrigen bestehe moglicherweise ein weiteres Problem in der „potenziellen, bis heute kaum bekannten Toxizitat des nicht konformen Gels der PIP-Prothesen“.1
Die Expertenkommission empfiehlt aus all diesen Grunden die prophylaktische, wenn auch nicht dringliche Entfernung aller PIP-Implantate. Die Kosten hierfur ubernimmt der franzosische Staat.

Auch Deutsche für prophylaktische Entfernung: Das deutsche Bundesinstitut fur Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM hat sich Anfang Januar 2012 ebenfalls entschieden, eine prophylaktische Entfernung aller PIP-Implantate zu empfehlen. Die Empfehlung wurde inzwischen auf baugleiche Brustimplantate der Fa. Rofil (M-Implants mit den Modellbezeichnungen IMGHC-TX, IMGHC-MX und IMGHC-LS) ausgeweitet.

 

1 Breast implants with silicone based gel filling from Poly Implant Prothese Company: Update of tests results. 14. 4. 2011, http://www.afssaps.fr/Afssaps-media/Publications

 2 Update of Recommendations for Women with Silicone filled Poly Implant Prosthesis (PIP) Breast Implants (Presseerklarung franzosisches Gesundheitsministerium; 23. 12. 2011, http://www.afssaps.fr/Afssaps-media/Publications)