Paradigmenwechsel in der Entstehung von Malignomen der weiblichen Brust – Das Konzept der Brustkrebsstammzelle

Leukämiezellen nehmen zwar lediglich einen kleinen Anteil der bösartigen Blutzellen ein, sind jedoch dadurch charakterisiert dass sie über die Fähigkeit verfügen, sich bei Zellteilungen im Sinne einer asynchronen Replikation immer wieder selbst zu erneuern: aus einer Stammzelle entsteht daher bei jedem Vervielfachungsschritt je eine weitere Stammzelle, aber auch eine differenziertere Zelle, welche die Fähigkeit der Selbstreplikation dann nicht mehr besitzt. Selbstreplizierende Zellen werden daher als Krebsstammzellen (Cancer Stem Cells, CSC) bezeichnet und konnten in der Zwischenzeit bei einer Reihe von anderen Tumoren ebenfalls nachgewiesen werden.

Brustkrebszellen vs. Brustkrebsstammzellen: Die Entwicklung der Brustdrüse als reproduktives Organ und der zyklischen Auf- und Abbau von Drüsenstrukturen während des Menstruationszyklus lässt es daher als wahrscheinlich erscheinen, dass auch in diesem Organ Stammzellen eine große funktionelle Bedeutung besitzen. Defekte in der Replikation von derartigen Zellen sollten daher zwangsläufig auch eine Bedeutung bei der Entstehung und Propagation von Brustkrebs besitzen. In der Tat sind Stammzellen in der Lage, das Einsprossen von Blutgefäßen zu fördern, eine besonders aggressives Tumorwachstum zu verursachen und letztlich auch für die Entwicklung von Metastasen mit verantwortlich zu sein.

Therapieren wir die “falschen” Zellen? Gerade die Anwesenheit von Zellen mit stammzellartigen Charakteristika im Knochenmark von Frauen mit frühem Mammakarzinom nach Chemotherapie könnte auf eine Bedeutung bei der Resistenzentwicklung mancher Karzinome hindeuten. Gerade hier zeigt sich die Problematik der unselektierten zytotoxischen Therapie in besonderer Weise: Auch wenn wir dank unseres immer größeren Armamentariums moderner zielgerichter Therapien selektiv in bestimmte Zellfunktionen von Krebszellen eingreifen können, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass wir damit in Wirklichkeit die “falschen” Tumorzellen therapieren. Erst ein Verständnis der Signaltransduktionsmechanismen in Brustkrebsstammzellen ermöglicht uns eine Entwicklung von Therapien, die in der Lage sind, Tumorstammzellen abzu – töten.

Grundlegend neues Konzept der Tumorigenese: Das Tumorstammzellkonzept hat inzwischen zu einem regelrechten Paradigmenwechsel geführt. Im Gegensatz zu dem bislang vor herrschenden Konzept der stochastischen Tumorentwicklung durch zufällige Mutationen, die irgendwann zu einer malignen Transformation und einer klonalen Selektion von entarteten Zellen mit metastatischem Potenzial führt, so geht man heute davon aus, dass Krebs durch eine gestörte Regulation der Selbstperpetuation von Stammzellen entsteht. Die Art der genetischen Alterationen, konsekutive epigenetische Veränderungen, aber auch das Differenzierungsstadium einer Progenitorzelle führen dann wahrscheinlich zu der zellulären Heterogenität, die typisch für maligne Brusttumoren ist.

Auf der Suche nach dem “universellen” Tumorzellmarker: Auch wenn die Bedeutung von Stammzellen der Brust von potenziell großer therapeutischer Implikation ist, so ist es bis dato noch nicht gelungen, diese in geeigneter Weise zu charakterisieren. Während die Fähigkeit zur Bildung von so genannten “Mammasphären” in vitro und die effektive Entwicklung von Mammatumoren durch eine sehr geringe (bereits weniger als 50 Stammzellen sind hierfür notwendig) Zellzahl im Tierexperiment eine Art “Goldstandard” für die Charakterisierung von Brustkrebsstammzellen darstellen, so sind diese Analysemethoden aufwändig und zeitintensiv. Die immunohistochemische Färbung bzw. Selektion von CD44+ und CD24-/low/Lin- oder von ALDH-1-(Aldehyddehydrogenase 1)-Zellmarkern sowie die ALDEFLUOR-Methode, eine fluoreszenzbasierte Nachweismethode, stellen inwischen mögliche Alternativen dar. Leider verfügen wir bis heute über keinen “universellen” Stammzellmarker, und erschwerend kommt dazu, dass auch normale Bruststammzellen durch die oben beschriebenen Assays erkannt werden, was die Unterscheidung von “guten” und “bösen” Stammzellen erschwert. Letztlich kann aber nur die exakte Identifikation von Brustkrebsstammzellen die wissenschaftliche Arbeit auf diesem so spannenden und zukunftsträchtigen Forschungsgebiet weiter vorantreiben.