Zervixkarzinom-Screening der Zukunft – HPV-Tests retten Leben, vermindern Leiden und sparen Kosten

Für die rationale Planung von Früherkennungsmaßnahmen beim Zervixkarzinom und den Zeitpunkt eines invasiven Vorgehens zur Entfernung von Vorstadien des Zervixkarzinom sind zwei Dinge zu beachten: zum einen die hinlänglich bekannte und erstmals in den 1980er-Jahren vom deutschen Medizinnobelpreisträgers Harald zur Hausen entdeckte 99,9%ige Assoziation einer HPV-Infektion mit einem Zervixkarzinom, und zwar fast ausschließlich mit Hochrisiko-Subtypen – allen voran HPV 16 und 18, die allein für ca. 70% der Karzinome verantwortlich gemacht werden. Zum zweiten sind auch die hohe Spontanheilungstendenz einer HPV-Infektion und die zeitliche Entwicklungsdynamik hin zum invasiven Zervixkarzinom einzukalkulieren. Univ.-Prof. Dr. Sepp Leodolter, Leiter der Klinischen Abteilung für allgemeine Gynäkologie und gynäkologische Onkologie, Medizinische Universität Wien: “Bis zu 80% der Menschen machen HPV-Infektionen durch. Krebsvorstufen entwickeln sich jedoch langsam und erst nach ca. 10 Jahren, aber oft auch viel später kann es zur Krebsentwicklung kommen.” Gemessen am hohen Lebenszeitrisiko für eine HPV-Infektion erscheint die jährliche Inzidenz von ca. 400 Zervixkarzinom-Neuerkrankungen mit 141 Toten im Jahr 2009 (Statistik Austria) vergleichsweise niedrig. Allerdings: mit neuen diagnostischen Strategien, wie dem Screeningeinsatz von HPV-DNA-Testsystemen zusätzlich zum Pap-Abstrich ließen sich diese Todesfälle dramatisch reduzieren, und das sogar kosteneffektiv.

ATHENA-Studie zur HPV-Typisierung

Grundlage dieser Annahme sind unter anderem Daten der ATHENA-Studie (Am J Clin Pathol 2011 Mar; 135 [3]:468-475) mit 47.000 Studienteilnehmerinnen, in der unter Verwendung eines Test mit zusätzlichem Einzelnachweis der Genotypen 16 und 18 (cobas 4800, Roche Diagnostics) gezeigt werden konnte, dass eine von 10 Frauen im Alter über 30 Jahre mit HPV-16- oder HPV-18-Positivität und gleichzeitigem Vorhandensein einer Zervixkarzinom-Vorstufe im Pap-Test unauffällig waren. Dies unterstreicht, wie wichtig Tests auf HPV 16 und 18 bei Frauen mit normalem Pap-Test sind.
90% statt 50% der Vorstufen erkennen: Die Meriten des Pap-Abstrichs, den es seit 40 Jahren gibt, sind unbestritten. Leodolter: “Damit konnte die Mortalität in Österreich auf ein Drittel gesenkt werden.” Jedoch seien die Sensitivität (nur ca. 50 % der Krebsvorstufen identifizierbar ) und auch Spezifität (unnötige Konisationen, Verunsicherung der Patientinnen) unbefriedigend. Durch die Kombination mit dem HPV-Test – mit Kolposkopie und evtl. Gewebeprobe nach HPV-16-/18-Nachweis unabhängig vom Pap-Befund – könnten, so Leodolter, 90% der Vorstufen erkannt werden.

Optimaler Einsatz als systematisches Screening

Im Gegensatz zu den technischen Limitationen und der Kosten früherer Tage sei eine molekulargenetische HPV-Testung heute relativ einfach, skizziert Prof. Dr. Thomas Szekeres, Facharzt für Labormedizin und Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, die Voraussetzungen für die “Alltagstauglichkeit” der neuen Tests: “schmerzfreier Abstrich, Probentransport zum Speziallabor, vollautomatische Probenvorbereitung und Isolierung der DNA, Vervielfältigung mittels PCR, qualitative Identifikation der Hochrisikotypen 16, 18”. Gesundheitsökonom Prof. Dr. Thomas Schröck zitiert eine deutsche “Health Technology Assessment”-Studie, nach der ein 3-jährliches HPV-basiertes Screening ab einem Lebensalter von 30 Jahren bei jeder Frau kosteneffektiv wäre. Er stellt in eigenen Berechnungen den volkswirtschaftliche Kosten von 25 Mio. Euro pro Jahr, die das Zervixkarzinom in Österreich verursacht, Aufwendungen von 15 Mio. Euro jährlich für ein 3-jährliches HPV-Screening auf Basis eines 25-Euro-Tests gegenüber, also eine potentielle Ersparnis von 10 Mio. Euro. Schröck: “Wir würden damit auch 140 Verstorbene pro Jahr und rund 345 Krebsfälle pro Jahr präventieren.”
Einen Screeningbeginn um das 30. Lebensjahr hält auch Leodolter angesichts der oben erwähnten zeitlichen Entwicklungsdynamik für vertretbar. Er kritisiert im Zusammenhang mit der Frage nach einer optimalen Integration einer HPV-Tests in bestehende sekundärpräventive Maßnahmen aber auch eine strukturelle Schwäche der Zervikkarzinom-Früherkennung in Österreich als dringend reparaturbedürftig: “Unter Beibehaltung der derzeitigen Praxis eines opportunistischen Screenings, bei der eben ein gewisser Prozentsatz automatisch durch den Rost fällt und zu spät erkannt wird, werden wir leider immer eine gewisse Anzahl von Zervixkarzinomen in Kauf nehmen müssen.”