Hormonfreie Lokaltherapie bei vaginaler Trockenheit

Die Scheide ist histologisch aus Tunica mucosa, muscularis und adventitia aufgebaut. Die Tunica mucosa besteht aus einem mehrschichtigen, nicht verhornenden Plattenepithel, das während der reproduktiven Phase charakteristischen, hormonellen Veränderungen unterworfen ist. Es finden sich keine Drüsen, allerdings in den Epithelzellen reichlich Glykogeneinlagerungen.
Die weiblichen Sexualhormone, insbesondere die Östrogene sind für die regelmäßige Erneuerung und gute Durchblutung des Vaginalepithels verantwortlich. Sie fördern die Proliferation des Plattenepithels mit vermehrter Glykogenproduktion, wobei Glykogen nach der Abschilferung der Zellen den Laktobazillen der Scheide (Döderlein’sche Stäbchenbakterien) als Nahrung dient. Durch Glykogenabbau entsteht Milchsäure, woraus ein saures Scheidenmilieu (pH-Wert 3,8–4,4) resultiert, dieses beugt einer Keimaszension vor.
Eine Östrogenmangelsituation wie etwa in der Menopause mit konsekutiver Verminderung der Durchblutung im kleinen Becken hat reduziertes Zellwachstum zur Folge, das Scheidengewebe wird trockener, dünner, weniger elastisch und verletzlicher.
Weitere Ursachen für Östrogenmangelzustände sind Chemo- oder Strahlentherapie bei onkologischen Erkrankungen sowie die Einnahme bestimmter Medikamente wie z. B. Antibiotika und Immunsuppressiva.
Die kausale Therapie besteht in der topischen Applikation von Östriol-hältigen Zäpfchen, Salben und Cremen. Nicht selten stehen die Patientinnen allerdings einer Hormontherapie, also auch der topischen Applikation von Östrogenen, reserviert gegenüber.

GYN-AKTIV: Wenn Frauen unter dem Symptom vaginale Trockenheit leiden, welche Ursachen können dafür verantwortlich sein?

Prim. Dr. Burghard Abendstein: Die wesentliche Ursache für Vaginaltrockenheit stellt die postmenopausale Involution des weiblichen Genitaltrakts dar, welche durch einen Östrogenmangel verursacht wird. Darüber hinaus stellt die vaginale Trockenheit auch eine unerwünschte Nebenwirkung onkologischer Therapien (Chemotherapie oder antihormonelle Therapie) dar. Vaginale Trockenheit wird von den meisten Frauen als ausgesprochen unangenehm empfunden und zeigt eine negative Auswirkung auf Lebensqualität allgemein und Sexualität im Besonderen. Sowohl durch den physiologischen als auch iatrogenen Östrogenabfall kommt es unter anderem zu einer Verringerung der Hautdicke, Abfall der Kollagen-I- und Kollagen-III-Synthese, Defragmentierung der elastischen Fasern des dermalen Bindegewebes sowie Abfall von sauren Mukopolysacchariden und Hyaluronsäure mit der konsekutiven Abnahme des dermalen Wasserspeichers. Hyaluronsäure kann Wasser bis zum 1.000-fachen seines Eigengewichts binden – das ist auch die Rationale für Hyaluronsäure-hältige Zäpfchen als hormonfreie Therapiealternative zur topischen Östrogenapplikation.

Ist vaginale Trockenheit therapiebedürftig? Wie groß ist der Leidensdruck der Betrof­fenen?

Annähernd die Hälfte aller postmenopausalen Frauen beklagen Symptome der vaginalen Trockenheit (Climacteric 2012 Febr; 15 [1]:36-44). 75 % der Betroffenen beklagen dadurch eine negative Auswirkung auf die Lebensqualität allgemein. Der negative Einfluss vaginaler Trockenheit auf die Lebensqualität ist in vielen Studien ausreichend dokumentiert. Zirka ein Drittel der betroffenen Frauen wünscht eine spezifische Therapie.

Welche Maßnahmen empfehlen Sie Patientinnen?

Zur Behandlung vaginaler Trockenheit kommen im Prinzip mehrere Möglichkeiten in Frage. Grundsätzlich ist die systemische Therapie von der topischen Therapie zu unterscheiden. Bei Fehlen allgemeiner Symptomatik und ausschließlichem Vorliegen von Beschwerden aufgrund von vaginaler Trockenheit kommen in erster Linie topische Behandlungsmethoden in Frage. Die Methode der Wahl ist sicherlich auch heute die Verabreichung topischer Östrogenpräparate (Suppositorium, Cremen oder Vaginaltabletten). Eine Bereicherung der Therapieoption vaginaler Atrophie stellen gerade für Krebspatientinnen (besonders nach Mamma- bzw. Endometriumkarzinom) Suppositorien mit dem Hauptwirkstoff Hyaluronsäure dar.

Welcher Wirkmechanismus kommt bei der vaginalen Applikation von Hyaluronsäure-hältigen Zäpfchen zum Tragen?

Die vaginale Applikation Hyaluronsäure-hältiger Zäpfchen stellt eine ausgezeichnete hormonfreie Therapieoption zur Behandlung der Vaginalatrophie dar. Die Hyaluronsäure führt zu einer Zunahme der Vaginalhautdicke und erhöht durch die vermehrte Einlagerung von Wasser auch den Turgor der Vaginalhaut. Dadurch öffnen sich extrazelluläre Räume, was die Migration von Zellen, wie z. B. Makrophagen und Fibroblasten, erleichtert. Durch denselben Mechanismus wird auch die Angioneogenese unter Aufbau der extrazellulären Matrix stimuliert. Dies ermöglicht die physiologische Regeneration, Wundheilung und eine verbesserte Elastizität der Vaginalhaut.

Gibt es ausreichend Daten zur Wirksamkeit?

Die pharmakologische Wirkung der Hyaluronsäure bei regenerativen Abläufen im Gewebe und in der Wundheilung ist bestens dokumentiert. Während der Behandlung mit Hyaluronsäure-hältigen Vaginalsuppositorien verschwinden nicht nur Trockenheit, Juckreiz und Brennen, sondern kommt es offensichtlich durch die Zunahme der Hautdicke auch zu einer Besserung von Dranginkontinenz. Sie wurden deshalb bereits erfolgreich zur Regeneration des Vaginalgewebes nach Chemotherapie, Bestrahlungen und gynäkologischen Eingriffen eingesetzt. Die verbesserte Heilung von Fissuren, Rissen und atrophen Kolpitiden ist vielfach nachgewiesen. Daten gibt es aus zahlreichen internationale Studien (Minerva Gynecol 2012 Aug; 64 [4]: 321; Arzneimittelforschung 2006; 56 [3]:230), u. a. zeigte auch eine österreichische Beobachtungsstudie (J Fertil Reprod 2/2006) die signifikante Verbesserung von Dyspareunie, Schmerzen, Trockenheit, Spannungsgefühl, Brennen, Juckreiz, Fissuren, Rötung und Entzündungen bereits nach einer 3-wöchigen Verabreichung.

Welche Erfahrungen berichten Ihre Patientinnen?

Über 90 % meiner Patientinnen sind mit der Wirkung der Hyaluronsäure-Zäpfchen zufrieden und setzen die begonnene Therapie fort. Anfänglich mögliches Brennen verschwindet normalerweise im Laufe der weiteren Anwendung. Auf diese mögliche Nebenwirkung sollten Patientinnen vorbereitet sein.