Kassenpatienten versus Privatversicherte – Eine Milliarde Euro nur für mehr Komfort?

Derzeit gibt es zwar eine gesetzliche Regelung, die eine medizinische Besserstellung von Patienten mit Zusatzversicherung verbietet und nur eine bessere „Hotelkomponente“ zulässt. Diese Regelung stammt aus einer Zeit, in der „normale“ Patienten in Sechsbettzimmern untergebracht waren. Diese Zeit ist in den meisten Fondsspitälern längst vorbei, der Standard liegt bei Zwei- und Dreibettzimmern, persönlicher Fernseher inbegriffen. Würde die Bevölkerung gefragt, ob es eine „Zwei – klassenmedizin“ gäbe, dann fiele die Antwort sehr deutlich aus. Natürlich gibt es sie, denn zur solidarischen Zusatzfinanzierung des Gesundheitssystems schließt niemand eine Privatversicherung ab.

Jeder, der eine Zusatzversicherung abschließt, erwartet sich im Anlassfall eine bessere, raschere und individuelle medizinische Behandlung, wenn’s geht durch den Primar persönlich. Diesem Wunsch wird natürlich in den Spitälern Rechnung getragen, bedeuten doch diese vermeintlich bevorzugten Behandlungen zusätzliche Einkommen für die Abteilungsvorstände und ihre Teams wie auch für die Spitäler zusätzliche Einnahmen. Um welche Summen geht es eigentlich? 2009 wies der Versicherungsverband Österreichs – ein Zusammenschluss aller österreichischen Versicherungen – in der Sparte Krankenversicherung Prämien in der Höhe von 1,6 Mrd. Euro aus. Diesen Einnahmen standen Leistungen (Ausgaben) von knapp über einer Milliarde Euro gegenüber. Die Steigerung bei den Einnahmen betrug 2009 3,6 Prozent. Die Ausgabensteigerung betrug knapp unter einem Prozent. 2009 dürfte ein gutes Jahr für die Versicherungen gewesen sein, weniger gut für das medizinische Personal und die Spitäler, lag doch die Inflation 2008 bei 3,2 Prozent. Trotzdem wurde über eine Milliarde für private Leis tungen ins Gesundheitswesen eingebracht und dies hauptsächlich in die Spitäler. Ein nicht unerheblicher Teil auch in die öffentlichen Spitäler, die natürlich auch auf diese Einnahmen angewiesen sind. Zu glauben, dass für eine Milliarde nur eine bessere Hotelkomponente für die Patienten erbracht wird, ist blauäugig, naiv oder, noch ärger, verschließt sich bewusst der Realität.

Die Realität sieht derzeit folgendermaßen aus: Landesärztekammern oder Ärztevereine schließen mit den Privatversicherungen jährlich Verträge ab, indem medizinische Leistungen genauestens tarifiert werden, ähnlich den Verträgen zwischen Ärztekammern und Krankenversicherungen. Oft werden die erbrachten Leistungen über die Ärztekammern mit den Privatversicherungen abgerechnet und an die Leistungserbringer (Primarii) überwiesen. Diese müssen nach einem Schlüssel, der im Ärztegesetz vorgegeben ist, die Honorare an ihre medizinischen Mitarbeiter weitergeben, und auch das Spital, wo sie als Dienstnehmer beschäftigt sind, bekommt einen prozentuellen Anteil von der Honorarsumme. Dies alles mit dem Wissen und der Zustimmung der Spitalserhalter, das sind die Länder, die Ordensspitäler bzw. die Eigentümer der Privatspitäler (meist Versicherungen). Wäre für diese Milliarde nur die Hotelkomponente gemeint, dann dürften die Honorare nicht an das medizinische Personal ausbezahlt werden, sondern an die kaufmännische Führung bzw. an das Küchen- und Reinigungspersonal eines öffentlichen Spitals. Etwas anders ist es bei Privatspitälern – obwohl auch hier die Sozialversicherung über den PRIKRAF Versicherungsgelder einbezahlt, da sich das System doch einiges an Ausgaben erspart –, die sich überwiegend über Privatpatienten finanzieren.

Würde diesem System nun ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben, wären die Privatspitäler die Gewinner und die öffentlichen Krankenhäuser die ökonomischen Verlierer. Die Abteilungsvorstände würden mit ihren Teams nach ihrer geleisteten Arbeitszeit eben in die Privatspitäler als Konsiliararzt noch stärker als bisher ausweichen, um dort ihre „Privatpatienten“ zu operieren. Ein Teil der Honorare würde nur das Spital wechseln, für die betroffenen Patienten und deren Wartezeiten auf die Operation würde sich kaum etwas ändern, da das ärztliche Personal verstärkt in Privatspitälern operieren wird. Die öffentlichen Spitäler hätten zum ökonomischen Nachteil noch einiges anderes zu bewältigen, da die Aufnahmen zur medizinischen Pflege zunehmen würden, weil die Privaten auf gesteigerte Frequenzen durch raschere Entlassung reagieren müssten. Es wird interessant, wie der Gesetzgeber auf diese Herausforderungen reagiert und wie sich die Länder bei dieser geplanten Gesetzesänderung verhalten werden. Von einer Sauerei zu sprechen, bei vollem Wissen, wie es derzeit läuft, wird zu wenig sein.

Quelle: Medical Tribune 36/2011