Morbidität und Lebensqualität bei onkoplastischer Chirurgie


Onkoplastik kombiniert die onkologische Resektion mit plastischer Rekonstruktion bei Patientinnen mit Mammakarzinom. Im Regelfall werden sofortige Defektdeckungen mit lokalen Parenchymschwenklappen durchgeführt. Wiederaufbau nach Mastektomie gehört nur im weiteren Sinne zur Onkoplastik.1
Indikationen für Onkoplastik2 sind die ungünstige Tumor-Brustgröße-Relation von mehr als 10 % Tumorresektion und die kosmetisch ungünstige Lage des Tumors in den medialen und unteren Quadranten beziehungsweise zentral.3 Reduktionsplastik und Mastopexie bei Hyperplasie und Ptose ergänzen das Spektrum.

Zunehmend rücken postoperative Morbidität und Lebensqualität – nicht zuletzt im Rahmen der senologischen Evaluierungen und Akkreditierungen sowie Zertifizierungen von Brustgesundheitszentren – neben klassischen Endpunkten wie rezidivfreies und Gesamtüberleben ins Interesse des chirurgischen Senologen. Postoperative Komplikationen führen zu schlechten kosmetischen Resultaten, erhöhten Reoperationsraten, zeitaufwändigem Wundmanagement und im onkologisch ungünstigen Fall zu einer Verzögerung adjuvanter Therapien (Bestrahlung und Chemotherapie). 

In der internationalen Literatur wurden als Risikofaktoren für Wundinfekte die Mastektomie4, 5, ein erhöhter Body Mass Index4 und das Rauchen5 bei insgesamt ca. 30.000 Patientinnen evaluiert. Die Axilladissektion war prädiktiv für erhöhte Armmorbidität: Lymph­ödeme, Dysästhesien, Schulter-Abduktionsdefizite6 und sogar soziale Isolation7. Eine standardisierte Bewertung der Morbidität nach Brustoperationen gibt es allerdings nicht.
In der Allgemeinchirurgie hat sich die Clavien-Dindo-Klassifikation (CDK)8 zur standardisierten Bewertung des Schweregrades postoperativer Komplikationen bewährt (Tab.). Eine Umlegung der Klassifikation auf die Mammachirurgie erscheint sinnvoll im Standardisierungsprozess.

 

 

Wiener Daten zur Morbidität nach Onkoplastik: An der Allgemeinchirurgie des AKH Wien wurden zwischen 2008 und 2010 fast 500 Patientinnen mit einem primär opera­blen Mammakarzinom operiert und retrospektiv untersucht. Die Brusterhaltungsrate betrug 74 %. Insgesamt wurde jede 9. Patientin mit onkoplastischer Technik operiert. Risikofaktoren für postoperative Morbidität (CDK 1–3) waren Axilladissektion in der Brusterhaltungsgruppe und vorangegangene Onkoplastik in der Mastektomie-Gruppe. Neoadjuvante Therapie steigerte das Risiko für postoperative Komplikationen in keiner Weise.


Daten zur Lebensqualität bei onkologischer Mammachirurgie: Laut WHO-Definition 1993 ist „Lebensqualität die subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen, in denen sie lebt, und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen.“ 

Eine neue Definition nach Prof. Franz Porzolt (Universität Ulm, Deutschland) lautet: „Lebensqualität ist die Differenz zwischen dem Soll- und dem Istwert, wobei der Sollwert die Ansprüche des Menschen ausdrückt und der Istwert die Realität. Ist die Differenz sehr groß, ist die Lebensqualität schlecht. Ist die Differenz gering, ist die Lebensqualität gut.“
In einem Pubmed-Research mit den Stichwörtern: „quality of life“ AND „oncoplastic surgery“ AND „breast cancer“ erschienen 7 Publikationen, von denen eine in bulgarischer Sprache9 und zwei Reviews10, 11 waren. In 3 Studien12–14 wurde die subjektive Patietinnenzufriedenheit anhand von Lebensqualitätsbögen und das kosmetische Ergebnis aus Sicht des Operateurs evaluiert.

Kosmetisches Ergebnis und subjektiven Lebensqualität: Exner et al.15 haben als einzige Arbeitsgruppe eine objektive Validierung des kosmetischen Ergebnisses mit subjektiven Lebensqualitätsbögen verglichen. Anhand des Breast Analyzing Tool (BAT©) wurde der Breast Symmetry Index (BSI) berechnet (Abb.). Der BSI ergibt sich durch Vergleich der Fläche, Umfang und Nippelposition beider Brüste, Subtraktion der Daten einer Seite von der anderen. Hautveränderungen, Atrophie und Narben werden nicht berücksichtigt. Bei 101 Patientinnen (Tis: 16 %; T1 und T2: 76 %; T3: 5 %) mit BET (10 % Onkoplastik) wurden bei einem medianen Follow-up von 3,6 Jahren Lebensqualitäts-Scores bestimmt: Breast Image Scale (BIS), EORTC QLQ-BR23 Scale, Sexual Score Scale. In dieser Kohorte konnte keine Korrelation von BSI zu: BIS (p = 0,71), Sexual Score Scale (p = 0,91) und EORTC QLQ-BR23 Scale (p = 0,21) gezeigt werden. 


 

 

Insgesamt fehlen uns prospektive Studien zu diesem Thema. Wir hoffen auf baldige Ergebnisse der iTOP-Studie (NCT01396993). Von besonderer Bedeutung ist aber die Notwendigkeit, Patientinnen von diesen Methoden in Kenntnis zu setzen, denn zum Zeitpunkt der Erkrankung zählt für sie nicht die Kosmetik, ein paar Jahre später aber werden sich Ihre Patientinnen bei Ihnen für eine kosmetisch ansprechendere Technik bedanken.

1 Fitzal F., Schrenk P.: Oncoplastic Breast Surgery. A Guide to Clinical Practice. Springer Wien New York 2010
2 Fitzal F., Nehrer G., Deutinger M., Jakesz R., Gnant M., Eur Surg 2007; 39: 330-9
3 Fitzal F., Mittlboeck M., Trischler H., Krois W., Nehrer G., Deutinger M., Jakesz R., Gnant M., Ann Surg 2008; 247:470-6
4 El-Tamer M.B. et al., Ann Surg 2007; 245:665-71
5 de Blacam C., et al., Ann Surg 2012; 255:551-5
6 Ashikaga T. et al., J Surg Oncol 2010; 102:111-8
7 Land S.R. et al., J Clin Oncol 2010; 28:3929-3936
8 Dindo D. et al., Ann Surg 2004; 240:205-13
9 Molov V. et al., Khirurgiia (Sofiia) 2006; (1):17-20
10 Urban C. et al., Breast 2011; 20 (Suppl. 3):S92-5
11 Schrenk P., Wien Med Wochenschr 2000; 150 (4):63-71
12 Sarkar D.K. et al., Indian J Surg Oncol 2011; 2:112-7
13 Veiga D.F., Plast Reconstr Surg 2010; 125:811-7
14 Nano M.T. et al., ANZ J Surg 2005; 75:445-53
15 Exner R., Krois W., Mittlböck M., Dubsky P., Jakesz R., Gnant M., Fitzal F., Eur J Surg Oncol 2012; 38:130-6